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Richterbund erwartet Klagewelle

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Von: Felix Huesmann

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Dieselurteil könnte Kanzleien viele neue Mandate bescheren und Gerichte belasten.

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) rechnet der Deutsche Richterbund (DRB) mit einer Klagewelle. Das Gericht hatte am Dienstag geurteilt, dass Käuferinnen und Käufer von Diesel-Autos mit unzulässiger Abgastechnik leichter Schadensersatz von den Herstellern verlangen können,

„Auf die deutschen Gerichte dürfte nach dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs eine neue Welle von Dieselklagen zukommen“, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die Entscheidung des EuGH stärke die Rechte von Verbraucher:innen und gebe Dieselkäufern Rückenwind, deren Autos mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung ausgestattet worden sind. „Auf Dieselfälle spezialisierte Anwaltskanzleien werben bereits offensiv um neue Mandate, so dass die Fallzahlen vieler Gerichte weiter deutlich steigen dürften“, so Rebehn. „Wie groß die neue Klagewelle wird, hängt auch vom Bundesgerichtshof ab, der die europäischen Vorgaben demnächst in einer Entscheidung weiter konkretisieren wird.“

Wegen des erwarteten EuGH-Urteils hatten Gerichte mehrerer Instanzen zahlreiche Dieselverfahren zunächst auf Eis gelegt, die nun nach der Entscheidung der Luxemburger Richter:innen wieder anlaufen dürften.

Die Oberlandesgerichte und viele Landgerichte seien durch Dieselklagen schon heute stark beansprucht, mahnte der Richterbund und nannte konkrete Zahlen: Mehr als 28 500 Verfahren hätten allein die 24 Oberlandesgerichte 2022 bundesweit verzeichnet. Fünf Jahre zuvor hätte die Zahl der Dieselverfahren in der Berufungsinstanz noch bei etwa 11 500 gelegen.

Spitzenreiter Stuttgart

Die meisten Fälle habe für 2022 das Oberlandesgericht Stuttgart mit mehr als 7000 gemeldet, dahinter folgten München mit rund 3500, Nürnberg mit etwa 2500 und Hamm mit rund 2000 Fällen. Zusätzlich zu den Zehntausenden Dieselverfahren im Jahr kämen auch in anderen Rechtsgebieten massenhaft Verfahren auf die Gerichte zu. Als Beispiel nannte der Deutsche Richterbund Klagen früherer Wirecard-Aktionäre, die sich bei den Gerichten häuften.

Viele Zivilgerichte gerieten durch Massenverfahren an ihre Belastungsgrenze, mahnte DRB-Bundesgeschäftsführer Rebehn und forderte ein Einschreiten der Politik. „Die Ampel sollte hier dringend Abhilfe schaffen und das Zivilprozessrecht durch flexiblere Vorschriften an die neue Realität dieser Massenklagen anpassen, mit denen spezialisierte Anwaltskanzleien die Gerichte überhäufen.“ Entsprechende Vorschläge der Richterschaft lägen seit mehr als einem Jahr auf dem Tisch.

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