Regionalkonferenz in Sachsen: Die CDU auf der Suche nach sich selbst

Wie konservativ darf es sein? Bei der CDU-Regionalkonferenz in Sachsen gibt es auch kritische Fragen an Parteichef Merz.
Als ein Kreisvorsitzender aus Riesa den Parteiausschluss von Hans-Georg Maaßen in Frage stellt, buht manch einer im Saal. Der CDU-Kommunalpolitiker will wissen: „Wie konservativ ist die Partei?“ und fordert die CDU-Spitze auf, das gegenwärtige Parteiausschlussverfahren zu begründen. Da wird CDU-Chef Friedrich Merz fast schon leidenschaftlich: „Gedanken und Worte in dieser herabwürdigenden Sprache haben in unserer Partei keinen Platz“, sagt er. Die CDU sei eine große Partei, in der konservatives, liberales, soziales Gedankengut Platz hätte. Aber Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus werde er nicht dulden. Applaus bei den Mitgliedern.
Die Parteispitze ist nach Schkeuditz in der Nähe von Leipzig gekommen, um auf einer Regionalkonferenz mit der Basis über das Profil der CDU zu sprechen. Das ist Teil des Grundsatzprogrammprozesses - oder, wie es CDU-Chef Friedrich Merz und Programmkommission-Vorsitzender Carsten Linnemann nennen -, man wolle gemeinsam ein Haus bauen. Zuerst müsse man dafür wissen, „auf welchem Fundament wir stehen“, sagt Linnemann. Da dürfe es „keinen Dissens geben zwischen Friedrich Merz, Ihnen und mir.“ Dafür veranstaltet die CDU insgesamt vier dieser Konferenzen im März: in Pforzheim, Münster, Schkeuditz und am Freitag in Linstow. Das Ziel: sich mit den Mitgliedern zu vernetzen und sich über den Kurs auszutauschen. Doch so viel Debatte entsteht am Donnerstag gar nicht.
Den Parteimitgliedern brennt Vieles auf der Seele, etwa die Ausrichtung der Klimapolitik, Bürokratieabbau, Bildungspolitik und die Option Schwarz-Grün in der Zukunft. Die will Merz übrigens nicht ausschließen. Haben drei Parteimitglieder zu einem Thema eine Frage gestellt, antwortet CDU-Chef Merz zwar darauf. Rapport gibt es aber nicht. Es folgt Applaus, der nächste Fragenblock wird aufgerufen.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und der Thüringer Landeschef Mario Voigt sind da. Sachsens Landesschef Michael Kretschmer, der mit seiner Russland-Position isoliert im Präsidium der Bundes-CDU dasteht, ist nicht vor Ort, obwohl die Veranstaltung in dem von ihm geführten Bundesland stattfindet. Aus der Zentrale heißt es, er habe Termine in Berlin. Stattdessen ist Sachsens Innenminister Armin Schuster da.
Es dürfte kein Zufall sein, dass Merz in seiner Rede, als es um den russischen Krieg in der Ukraine geht, mit den Worten beginnt: „Ich weiß, dass es darüber unterschiedliche Meinungen gibt.“ Aber es müsse Einvernehmen geben, dass dies ein ein „völkerrechtswidriger Krieg“ sei. Er mahnt den Kompass der Partei an: „Wir sind immer auf der Seite der Freiheit. Da darf es nie einen Zweifel geben.“ Auch hier applaudiert der Saal zustimmend.
Innere Sicherheit ist eines der Themen, die die Parteimitglieder beschäftigen. Zum Beispiel sieht ein CDU-Mitglied aus Halle (Saale) die „ungeregelte Zuwanderung“ als große Herausforderung. „Wir haben gar nicht die Kapazitäten, den Menschen zu helfen, die die Hilfe wirklich brauchen“, sagt er und betont, das sei auf Dauer sehr gefährlich.
Konkurrenz durch die AfD
Die Ostverbände stehen besonders im Feuer, weil sie in den vergangenen Jahren reihenweise Wählerinnen und Wähler an die AfD verloren haben. Und das Problem dürfte mit den Migrationsherausforderungen und mit dem Strukturwandel, der aufgrund der Energiewende auf manche Regionen zukommen wird, noch größer werden.
Merz stellt klar: „Im Osten fordert uns eine rechtsradikale Partei heraus.“ Aber: Mit dieser Partei werde es keine parlamentarische Zusammenarbeit geben. Es ist Versprechen und Mahnung zugleich. Dieser Tage ringen Politiker:innen der CDU um den richtigen Umgang mit der AfD: Kopieren sie sie, drohen sie weiter Wähler:innen zu verlieren, weil diese lieber das Original wählen. Thematisieren sie die besondere Lage der Mitglieder aber nicht, wirkt die Partei gleichgültig.
Die Ostverbände formulieren deshalb besondere Anforderungen an die Spitze. Sie fordern einen konservativen Kurs – hier muss Merz großen Erwartungen gerecht werden. Es ist keine Überraschung, dass ein Parteimitglied sagt, Merz sei der „Wunschkandidat“ von vielen im Osten gewesen. „Sie nehmen die Themen wahr“, lobt er.