Profite aus der Pflege
Trickreich ziehen Finanzfirmen aus Heimen Geld ab. Vor allem Immobilienverkäufe dienen dabei als Vehikel.
Finanzfirmen haben Pflegeheime als renditeträchtige Anlageobjekte entdeckt. Sie kaufen Häuser mittlerweile für Milliardensummen auf und verschmelzen ganze Ketten. Denn eine alternde Gesellschaft bei jetzt schon vier Millionen Pflegebedürftigen hierzulande und verlässlich fließendes Geld aus Pflegekassen locken. Abkassiert wird mit den immer gleichen Methoden auf dem Rücken von Patient:innen und Pflegepersonal, kritisiert eine Studie der Bürgerbewegung Finanzwende. „Finanzinvestoren schaffen es, teils zweistellige Renditen aus einem staatlich finanzierten Sektor zu ziehen“, resümiert Finanzwende-Vorstand Gerhard Schick. Dem gegenüber stehen schlecht bezahltes Pflegepersonal und Heime, in denen nicht immer auf höchstem Niveau gepflegt wird.
Untersucht hat Finanzwende das Gebaren von Investoren und Investorinnen in Deutschland, Frankreich und Großbritannien, wobei überall die selben Tricks zur Anwendung kommen. „Zentrale Profitquellen von Finanzinvestoren sind interne Darlehen mit hohen Zinssätzen und der Verkauf von Pflegeimmobilien, die dann mitunter teuer zurückgemietet werden“, erklärt Studienautor Marcus Wolf.
Die neuen Privatgesellschafter würden an übernommene Pflegeheimketten Darlehen mit Zinssätzen von bis zu neun Prozent ausreichen. Das sorgt für steten Geldregen in die eigenen Kassen. Schulden, die Käufer beim Erwerb gemacht haben, würden auf die Pflegeheime in einem Umfang übertragen, der mitunter dem Zehnfachen des Gewinns der Heime entspricht.
Allein das zweigt schon erheblich Geldmittel ab, die der Pflege verloren gehen und den Druck auf das Personal erhöhen. Dazu kommt, dass Pflegeimmobilien, die vor dem Kauf im Besitz einer Pflegeheimkette waren, oft nahezu komplett veräußert werden, wobei die Erlöse ebenfalls in den Kassen von Finanzinvestoren landen. Die Pflegeheimkette muss einst eigene Immobilien dann zurückmieten.
Alternativ sei die Gesellschaft, die eine Pflegeimmobilie kauft, Teil des Investorenfonds, der die Pflegeheimkette übernommen hat, erklärt Wolf. Der profitiert dann per Mietzahlungen. Leicht nachvollziehbar sei das aber nicht, weil die Eigentumsverhältnisse oft verschleiert würden.
Eine schwierige Datenlage bemängelt auch der Gesundheitssystemforscher Max Geraedts von der Universität Marburg, der 2015 untersucht hat, wie profitorientierte Pflegeheime im Vergleich zu solchen in gemeinnütziger oder öffentlicher Trägerschaft pflegen. Wenn sie im unteren Preissegment tätig sind, pflegen profitorientierte Heime allgemein schlechter, lautete sein damaliges Fazit. Betrachte man einzelne Kerndisziplinen wie Betreuung, Qualitätsmanagement und Einrichtungsstruktur würden profitorientierte Heime auch im oberen Preissegment schlechter abschneiden.
Neuere Daten hat aber auch der Forscher nicht. Derzeit versuche man, die Sterblichkeit in Pflegeheimen während der Pandemie nach verschiedener Trägerschaft zu analysieren. Noch lasse sich aber nichts Sicheres sagen.
In den USA sind Fachleute in diesem Punkt weiter. In Pflegeheimen, die sich im Besitz von Finanzinvestoren befinden, sei die kurzfristige Sterblichkeitsrate etwa ein Zehntel höher, hat eine aktuelle Studie des National Bureau of Economic Research ermittelt. Auch die Personalfluktuation liege in solchen Heimen höher.
Ob das in Deutschland auch so ist, kann Wolf nicht allgemein sagen. „In einzelnen Pflegeheimen privater Träger gab es in der Pandemie besonders viele Corona-Tote, aber mangels allgemeiner Daten kann man da keine umfassende Aussage treffen“, merkt er an.
Übertragbar auf hiesige Verhältnisse sei aber auf alle Fälle eine britische Studie, die zum Schluss kommt, dass minimal zehn Prozent des Geldes von Patient:innen und Kassen aus Pflegeheimen in die Taschen von Finanzinvestoren abfließen. Diese Profite seien in allen untersuchten Fällen in Schattenfinanzzentren wie Luxemburg oder der britischen Kanalinsel Jersey gelandet, was Steuervermeidungsstrategien nahelege.
Auf diese Weise entstehen immer größere Pflegeheimketten in einem hierzulande noch stark fragmentierten Markt. Als Beispiel kann das Schicksal der Düsseldorfer Alloheim-Kette dienen, die in Deutschland mit rund 22 000 Pflegeplätzen und 2,4 Prozent Marktanteil die Nummer zwei ist. Alloheim wurde 2017 durch Nordic Capital für 1,1 Milliarden Euro von einem anderen Finanzinvestor gekauft, der 2013 rund 180 Millionen Euro dafür berappte. Nun soll die Kette angeblich erneut veräußert werden. Als Interessenten werden der Finanzinvestor Advent – es wäre der dritte in Folge – oder der deutsche Pflegeheim-Marktführer Korian gehandelt. Es kursieren Preise nahe zwei Milliarden Euro, schreibt die „Börsenzeitung“.
„Die Zuflüsse der Pflegekassen sind stabil, der Zukauf immer weiterer Pflegeheime schafft zudem immer mehr Marktmacht“, erklärt Wolf den Trend zur Größe. Er und Schick fordern, auch wegen dieser zunehmenden Machtballung die Möglichkeiten von Finanzinvestoren zu beschränken, große Gewinne zu Lasten der Pflegequalität zu erzielen.
So müsse ein Verkauf von Pflegeimmobilien im Besitz von Pflegeheimen durch Finanzinvestoren verboten werden. Schulden, die ein Finanzinvestor einer übernommenen Pflegeheimkette aufbürden kann, gehörten limitiert und Zinsen auf interne Darlehen besteuert, um diese Praktiken unrentabel zu machen und Pflegeheime vor hohen Schuldenlasten zu schützen. Denn die Profitlogik von Finanzinvestoren und die Pflege von Hilfsbedürftigen seien nicht miteinander vereinbar.