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Pop und ein bisschen Politik

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Von: Susanne Ebner

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Ein bisschen Pomp muss sein: Am Dienstag wurde das erste ESC-Halbfinale ausgetragen. Paul ELLIS / AFP
Ein bisschen Pomp muss sein: Am Dienstag wurde das erste ESC-Halbfinale ausgetragen. Paul ELLIS / AFP © Paul Ellis/afp

Derzeit wird in Liverpool der „Eurovision Song Contest“ ausgerichtet. Das passt zu der britischen Küstenstadt, in der die Menschen lieber die Musik als die Monarchie feiern.

Während die Tinte auf dem von König Charles III. unterschriebenen Krönungseid gewissermaßen noch feucht ist, wird in Großbritannien schon ein neuer König oder eine neue Königin gekürt, diesmal jedoch im Pop. Denn am Samstag wird auf der Insel das Finale des „Eurovision Song Contest“, kurz ESC, ausgerichtet.

„United by Music“ („Vereint durch Musik“) heißt das Motto. Laut der Rundfunkanstalt BBC wolle man damit die „einzigartige Partnerschaft“ der beiden Länder verdeutlichen. Zwar hat die Ukraine den ESC 2022 gewonnen, doch wegen des russischen Angriffskriegs springt das zweitplatzierte Großbritannien als Gastgeberland ein. Ausgetragen wird der Wettbewerb in der englischen Küstenstadt Liverpool – jenem Ort, aus dem die wohl berühmteste britische Musikgruppe aller Zeiten und die erste Pop-Boyband überhaupt stammte, die Beatles. Beim diesjährigen ESC treten Künstler:innen aus 37 Ländern auf. Heute findet das zweite Halbfinale statt, am kommenden Samstag, 13 Mai, dann das Finale, das Millionen Menschen in ganz Europa in Kneipen, Pubs oder auch Zuhause verfolgen werden. Doch wer sind die Favoriten? Und wie ist die Atmosphäre in Liverpool?

100 000 Fans sind angereist

„Viele Bürger der Stadt sind sehr stolz darauf, Gastgeber dieses Events zu sein“, sagt William Lee Adams dieser Zeitung. Der Journalist betreibt den bekannten ESC-Blog Wiwibloggs. In Liverpool gebe es viele Antimonarchisten, die sich nach der Krönung nun für den ESC begeistern würden. „Das Logo ist in der ganzen Stadt zu sehen, selbst im Supermarkt prangt es auf Schokolade oder auch Frischkäse.“ Dabei erinnert es im Straßenbild durch seine blau-gelbe Aufmachung natürlich auch an die Präsenz der Ukraine und damit an die Gegenwärtigkeit des Krieges.

Liverpool setzte sich als Kulturhauptstadt bei der Wahl des Austragungsortes unter 20 Anwärtern durch. „Wir waren sehr entschlossen und haben es geschafft. Es ist einfach großartig“, sagte die Kulturbeauftragte Claire McColgan kürzlich. Wirtschaftlich erhofft sich die Stadt von dem Mega-Event einen Schub. Schätzungen zufolge könnten anlässlich des ESC rund 100 000 Menschen Liverpool besuchen, die umgerechnet mindestens 46 Millionen Euro ausgeben könnten.

Zu den klaren Favoriten unter den Teilnehmenden gehört Loreen aus Schweden. Die Sängerin hatte den Contest schon einmal gewonnen, mit dem Song „Euphoria“ im Jahr 2012. Jetzt, elf Jahre später, möchte sie den Titel noch einmal holen. Diesmal singt sie ein Lied mit dem Titel „Tattoo“. Es geht darin darum, zur falschen Zeit in die richtige Person verliebt zu sein. „Das ist dunkler Dance-Pop mit Herz. Ich höre das Lied seit Wochen in Endlosschleife. Es ist ein wunderschönes Lied“, schwärmt Adams.

Für Deutschland zum ESC fährt die Band „Lord Of The Lost“, nachdem diese erst kürzlich in Hamburg König Charles III. im Rahmen seines Deutschlandbesuchs die Hand geschüttelt hatte. Die Musiker hatten mit dem Song „Blood & Glitter“ souverän den Vorentscheid gewonnen. Adams findet für die Gruppe, die sich zwischen Rock, Metal und Glam bewegt, und ihren Song „Blood & Glitter“ lobende Worte.

„Deutschland hat in den vergangenen Jahren wirklich schlecht abgeschnitten. Die Teilnehmer waren zu blass, zu beige, einfach nicht verrückt genug.“ Dass nun „Lord of the Lost“ in Liverpool antrete, zeige, dass die Deutschen verstanden hätten, worum es bei dem ESC geht, nämlich darum, „im Gedächtnis zu bleiben“. Der Wettbewerb sei eben keine Radio-, sondern eine Fernsehsendung, betont Adams.

Der klare Sieg der Ukraine im vergangenen Jahr entfachte jedoch erneut Diskussionen um die politische Dimension des Wettbewerbs. Oleg Psjuk, Sänger des ukrainischen Vertreters Kalush Orchestra, bat beim Finale im italienischen Turin auf der Bühne um Unterstützung für sein Land. Ein Sprecher bezeichnete die Äußerungen als „humanitäre Geste und weniger als politisch“. Dieses Jahr tritt für die Ukraine das Elektropop-Duo Tvorchi mit dem Song „Heart of Steel“ („Herz aus Stahl“) an.

Auch wenn politische Botschaften eigentlich nicht erwünscht sind, spielten diese selbstverständlich eine Rolle, bestätigt Adams. Dass Nachbarstaaten beim ESC häufig füreinander stimmen, habe aber auch oft etwas mit dem geteilten Musikgeschmack zu tun. Zu behaupten, dass bestimmte Bands oder Sänger nur aufgrund von Sympathien gewinnen, hält der Blogger für falsch. „Ein guter Song setzt sich immer durch.“

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