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Offerten an Europas Rechtsaußen

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Von: Damir Fras

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Was führt er im Schilde? Weber in Rom im November.
Was führt er im Schilde? Weber in Rom im November. imago images © Imago

EVP-Chef Manfred Weber ist in Brüssel auf der Suche nach Bündnispartnern. Das ärgert belgische Konservative, polnische Rechtsradikale und Webers Parteifreund Markus Söder.

Die italienische Regierung veröffentlichte Anfang Januar ein bemerkenswertes Foto von Giorgia Meloni und Manfred Weber: Die Ministerpräsidentin und der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) lächeln, schütteln sich die Hand. Das motivisch unbedeutende Foto entstand bei Webers zweiten Besuch bei Chefin der postfaschistischen „Fratelli d’Italia“ – also mit zwei Personen, die auf europäischer Bühne sich geflissentlich aus dem Weg gehen müssten.

Tatsächlich sucht der Niederbayer Weber, Fraktionsvorsitzender der EVP, der konservativen Parteienfamilie im EU-Parlament, nach neuen Verbündeten – inzwischen offenbar auch im Lager ganz rechtsaußen. Wie das?

Seit der Europawahl 2019 ist ein Grundpfeiler der EVP im Nichts versunken: die französischen Konservativen, die mit der deutschen CDU/CSU die EVP dominierten. „Webers Vorgehen ist stark von machtpolitischen Faktoren geprägt“, sagt ein EVP-Insider. „Weber hat eine Liste mit Parteien aus der EKR-Fraktion in der Schublade, die er abarbeitet.“

Die EKR ist die Fraktion der „Europäischen Konservativen und Reformer“. In ihr tummeln sich unter anderem Abgeordnete der AfD, der Fratelli d’Italia und der separatistischen belgischen Nieuw Vlaamse Alliantie. Dominiert wird die EKR aber von der polnische Regierungspartei PiS mit 23 der 64 EKR-Abgeordneten. Angeblich murren manche EKR-Mitglieder deswegen.

Und da setzt Weber offenbar an. EKR-Parteien, so sein Kalkül, könnten zur EVP umschwenken. Doch das Vorgehen hat seinen Preis: Die Annäherung an Meloni und andere Rechtsausleger habe in der EVP „für heftigen Unmut“ gesorgt, heißt es.

Der frühere EVP-Chef Donald Tusk etwa findet Webers Tun kontraproduktiv. Er will im Herbst die PiS aus Warschau verjagen. Auch die belgischen Konservativen sind ob Webers Avancen in Richtung der separatistischen Flamen verschnupft.

Dem „Münchner Merkur“ wurde vom Büro des EVP-Chefs über dessen Termine kürzlich mitgeteilt: „Italien gehört zum Kern in Europa. Es muss möglich sein, mit der dortigen Regierung zu reden, wenn sie konstruktiv in Europa mitarbeiten will (…) Alles andere würde die EU spalten.“ Das ist insofern faktisch richtig, als nicht alle EKR-Parteien das europäische Projekt ablehnen. So ist einer der Koalitionspartner von Meloni die Forza Italia von Silvio Berlusconi, die bei der EVP mitmacht.

Dafür watschte CSU-Chef Markus Söder seinen Parteikollegen Weber dann aber öffentlich ab. Bayerns Ministerpräsident beschwor die Brandmauer gegen „neofaschistische Gruppen“ und betonte, es sei nicht die Aufgabe bürgerlicher Parteien, rechtsradikale Regierungen zu ermöglichen. Für Söder war das eine Chance, sich von seinem Kontrahenten Weber abzugrenzen und mittiger zu positionieren.

Söders Blick dürfte da in Richtung Bayern-Wahl am 8. Dezember gegangen sein. Für die CSU sehen die Umfragen gut aus. Eine Wiederholung von 2018, als Söder versuchte, die Rechtspopulisten zu kopieren und die CSU massiv an Stimmen einbüßte, will man unbedingt vermeiden. Dass politische Gegner den Kurs von Weber im Wahlkampf nutzen werden, hält man in der CSU für wahrscheinlich. Zudem sorgen sich die Christsozialen, dass die AfD Aufwind bekommt.

Als bürgerliche Volksparteien der Mitte grenze sich die EVP sehr klar von allen Radikalen ab, sagte Weber dem „Merkur“. „Nur mit pro-europäischen Kräften, die den Rechtsstaat respektieren und die Ukraine unterstützen, kann es eine Zusammenarbeit geben.“ Und: „Jede Kooperation mit der AfD in Deutschland ist undenkbar.“

Von seinem europapolitischen Vorgehen lässt sich Weber nicht abbringen. Um auch künftig Einfluss auf die Besetzung wichtiger Posten im EU-Betrieb zu haben, will Weber die EVP so stark machen wie möglich. Aber bei der Europawahl im Mai 2024 werden alle Karten neu gemischt. Aus machtpolitischer Sicht sei es deshalb durchaus sinnvoll, neue Verbündete zu suchen. „Weber versucht, einen Keil in die EKR zu treiben“, heißt es in der EVP. Er bestehe aber darauf, dass potenzielle Überläufer „pro-europäisch, pro Rechtsstaat und pro Ukraine“ sein müssten.

CSU-Chef Söder will sich als Mann der Mitte zeigen

Was führt er im Schilde? Weber in Rom im November. imago images
Was führt er im Schilde? Weber in Rom im November. imago images © IMAGO/NurPhoto

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