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Mordanklage nach 17 Jahren

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Gedenken in Lismore: Eine Bank mit ihrem Lieblingsgedicht erinnert an Simone Strobel. O’brien/AAP/dpa
Gedenken in Lismore: Eine Bank mit ihrem Lieblingsgedicht erinnert an Simone Strobel. O’brien/AAP/dpa © dpa

2005 wird eine junge Deutsche in Australien getötet – nun steht der Mann, mit dem sie damals zusammen war, in Sydney vor Gericht

Lange Zeit schien sich in dem tragischen Fall wenig zu bewegen: 17 Jahre ermittelte die australische und teilweise auch die deutsche Polizei im Mordfall Simone Strobel, der ganz Australien, vor allem aber die Menschen in der kleinen Stadt Lismore an der Ostküste schockiert hatte, wo sich das Verbrechen im Februar 2005 ereignet hatte. 2020 wurde für Hinweise sogar eine Million Australische Dollar Belohnung – umgerechnet 685 000 Euro – ausgeschrieben, die zur Aufklärung des Mordes an der damals 25-jährigen Erzieherin führen.

In dieser Woche überschlugen sich dann die Ereignisse: Bereits am Dienstag überraschte die Nachricht, dass Strobels damaliger Freund Tobias M. (früher Tobias S.) in Perth festgenommen worden war. Einen Tag später wurde er den Behörden in Sydney überstellt. Dort wurde der 42-Jährige am Donnerstag dann wegen Mordes sowie wegen Strafvereitelung angeklagt. Bei einem ersten Gerichtstermin erschien er allerdings nicht selbst, sondern ließ sich von seiner Anwältin vertreten.

Laut einem Bericht des lokalen Senders ABC hat die australische Polizei zudem Haftbefehle für zwei weitere Beteiligte in Deutschland ausgestellt. Diese seien „von Anfang an Personen von Interesse“ gewesen, wie der zuständige Polizeibeamte Scott Tanner sagte. „Wir glauben, dass sie Informationen haben, die bei der Untersuchung hilfreich sein könnten.“

Der Mord an Simone Strobel hatte 17 Jahre auf eine Antwort warten lassen. Die 25-jährige Deutsche war im Februar 2005 spurlos verschwunden. Die Erzieherin aus dem Landkreis Würzburg war nach einem feuchtfröhlichen Abend mit ihrem Partner, dessen Schwester und einem weiteren Bekannten in Streit geraten. Kurz vor Mitternacht verließ sie den Zeltplatz in Lismore. Es sollte das letzte Mal sein, dass ihre Freunde sie lebend sahen. Noch in der Nacht suchten die drei nach der jungen Frau – jedoch vergeblich. Als sie auch am nächsten Morgen nicht zurückkehrte, meldeten sie Simone Strobel als vermisst.

trauer in lismore

Bis heute im Gedächtnis: In einem Interview mit dem Sender ABC beschrieb Jenny Dowell, die zum Zeitpunkt des Mordes für die Gemeinde arbeitete, wie groß die Anteilnahme in der Stadt war: Die Menschen hätten Geld für die Angehörigen gesammelt, und an einem Zaun in der Nähe des Auffundortes seien Blumen, Kerzen und Nachrichten abgelegt worden.

Verständnis und Anteilnahme: Die Menschen in Lismore hätten eine Mischung aus Scham, Sorge und Trauer empfunden, doch die Familie von Simone Strobel hätte ihnen nie die Schuld gegeben. Im Gegenteil, sagte Dowell, die Familie habe ihr eine Postkarte mit einem der Lieblingsgedichte ihrer Tochter geschickt. Im Gedenken an Simone Strobel hat die Gemeinde das Gedicht auf eine Steinbank in einem Park schreiben lassen, nicht weit von der Stelle entfernt, an der ihr Leichnam gefunden wurde. FR

Sechs Tage durchkämmte die Polizei die Stadt, bis die Leiche der jungen Frau schließlich auf einem Sportplatz – nur etwa 90 Meter vom Campingplatz entfernt – entdeckt wurde: Nackt und mit Palmwedeln bedeckt. Eine eindeutige Todesursache konnte da schon nicht mehr festgestellt werden. 2007 kam ein Gerichtsmediziner aber zu dem Schluss, dass Strobel höchstwahrscheinlich mit einem Kissen oder einer Plastiktüte erstickt worden sei.

Zunächst sympathisierte die Bevölkerung mit den Freunden der Toten, sammelte sogar Geld, um den Rückflug nach Deutschland zu zahlen. Doch die drei Freunde verstrickten sich in ihren Aussagen immer mehr in Widersprüche. Vor allem der damalige Freund Strobels stand zunehmend im Fokus der australischen und deutschen Polizei, die den Fall ebenfalls untersuchte. „Strobel ‚vom Freund erstickt‘“, „Die Freunde der toten Rucksacktouristin haben gelogen“, „Backpacker ‚stritt sich mit seiner Freundin, bevor sie starb‘“ betitelte die australische Tageszeitung „Sydney Morning Herald“ Artikel zu dem Fall. Tobias M. galt über Jahre als tatverdächtig, obwohl er seine Unschuld stets beteuerte.

Verstrickt in Widersprüche

Eine gerichtliche Untersuchung des Falls 2007, zu der nur der Bekannte, nicht aber Tobias M. oder seine Schwester anreisten, kam erneut zu keinem Ergebnis. „Die Untersuchung endete mit vielen Fragezeichen“, sagte Virginia Peters in einem Interview 2020. Die australische Autorin, die selbst nur 25 Minuten vom Tatort wohnt, hat ein Buch über die Tragödie geschrieben. Peters interviewte den Deutschen für ihr Buch, doch dieser verklagte die Autorin 2014 wegen Verleumdung. „Tobias klagte mich an, ich würde ihm Mord unterstellen, aber letztendlich wollte er seine persönlichen Aufzeichnungen nicht vorzeigen – aus Angst, seine eigenen Seiten könnten ihn belasten“, schrieb Peters damals in einer E-Mail. Später habe er die Klage aber wieder fallengelassen.

Virginia Peters, die der gewaltsame Tod der jungen Frau tief berührt hatte, war für ihre Buchrecherche extra nach Deutschland gereist, um die Geschwister und die Eltern des Mordopfers zu treffen: „Es ist die absolute Hölle für sie gewesen“, sagte sie. Auch der Polizeibeamte Tanner sprach gegenüber der ABC über die Familie der Verstorbenen. Diese leide nach wie vor sehr, sagte er. Die junge Frau sei in einem fremden, fernen Land auf der Suche nach dem Abenteuer gewesen und ihre Familie konnte „sich nie verabschieden“, erklärte er. Aufgrund der jüngsten Entwicklungen würden die Angehörigen aber ein „Gefühl der Erleichterung“ empfinden.

Tanner zufolge habe nicht die Millionenbelohnung die Informationen geliefert, die jetzt zu einer Mordanklage geführt haben, sondern DNA-Spuren. Die Belohnung sei deswegen nach wie vor ausgeschrieben – auch, weil die Polizei glaube, dass es noch weitere „Personen gibt, die Kenntnis von diesem Mord haben“, sagte Tanner.

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