Malle hat sie wieder alle

Und auch auf den anderen Balearen-Inseln tummeln sich fast so viele Urlaubsgäste wie vor Corona. Manche halten das für ein Problem
Die Urlaubsgäste sind wieder da. Mallorca hat sie gebraucht wie ein ausgedörrtes Feld den Regen. „Zurzeit arbeiten wir praktisch dafür, die liegen gebliebenen Rechnungen zu bezahlen“, sagt Maria Frontera, die Präsidentin des Mallorquiner Hotelierverbandes FEHM, „und am Ende des Jahres werden wir sehen, was übrig bleibt.“ Aber jetzt ist erst mal der Moment, in guten Zahlen zu schwelgen.
Das Jahr begann glänzend: Im ersten Halbjahr kamen 5,2 Millionen ausländische Tourist:innen auf die Balearen, das waren mehr als viermal so viele wie im Jahr zuvor und lediglich sechs Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2019. Nimmt man noch die spanischen Reisenden hinzu, waren es 6,4 Millionen Tourist:innen, und das Minus gegenüber 2019 betrug nur vier Prozent. Im Juli sind bisher nur die ausländischen Balearen-Besucher:innen gezählt worden: Es waren 2,3 Millionen, genauso viele wie im Juli 2019. Kein Minus mehr. Mallorca und die anderen Inseln stehen ungefähr wieder da, wo sie vor der Pandemie standen.
Was sich verändert hat: Die Urlaubsgäste bleiben etwas kürzer. Statt 17 Millionen Übernachtungen in den ersten sieben Monaten 2019 haben die Balearen dieses Jahr 15 Millionen Übernachtungen gezählt. Die Tourist:innen geben aber in der kürzeren Zeit etwa genauso viel aus wie früher. Davon haben Spaniens Tourismusplaner:innen immer geträumt. Der Bürgermeister der mallorquinischen Hauptstadt Palma, José Hila, hat das vor ein paar Tagen wieder offen ausgesprochen: Er wünsche sich „Qualitätstourismus“, das heißt: „Die, die kommen, sollen mehr Geld ausgeben.“ Das tun sie: in den ersten sieben Monaten dieses Jahres gut 8,6 Milliarden Euro, fast dreimal so viel wie im Vorjahr und auch etwas mehr als vor drei Jahren (zum Teil allerdings inflationsbedingt).
Den Segen der Milliarden bekommen die Einheimischen zu spüren – und sei es nur, dass sie endlich liegen gebliebene Rechnungen bezahlen können. Das Beste ist, dass es auf den Balearen jetzt wieder Arbeit gibt: Mehr als 600 000 besetzte Stellen, so viele wie noch nie, seit darüber Buch geführt wird. Nur gerade einmal gut 35 000 Menschen waren arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosenrate von 5,5 Prozent ist für spanische Verhältnisse sensationell niedrig.
Es gibt also keinen Grund zur Klage, nur den, dass es einigen der auf Mallorca lebenden Menschen schon wieder zu viel wird. Manche hatten sich an die Ruhe der vergangenen zwei Jahre auf der Insel gewöhnt. Sie stören sich daran, dass an einem Tag mit Nieselwetter plötzlich die Altstadt von Palma überlaufen ist, weil bei solchem Wetter niemand an den Strand will, oder dass bei gutem Wetter an einigen angesagten Stränden wie Es Trenc kein Handtuchbreit mehr Platz ist. Das ist lästig, und Kontrolle beim Zugang zu diesen Stränden täte Not.
Die Lokalzeitungen greifen solche Klagen gerne auf, und so kann man leicht den Eindruck bekommen, dass ganz Mallorca mal wieder, wie schon in früheren Jahren, genug vom Massentourismus hat. Zumal auch die Tourist:innen gerne über Touristenmassen klagen (und trotzdem im kommenden Jahr nicht zu Hause bleiben).
Zu viel Gewicht muss man den Klagen aber nicht geben. „Weniger Touristen? Nein!“, sagte Ende August der Sprecher der auf den Balearen regierenden Sozialisten, Alfonso Rodríguez. Mallorca und die anderen Inseln leben vom Tourismus; der Tourismus hat sie groß gemacht. Die Einwohnerzahl hat sich in den vergangenen 50 Jahren auf heute gut 1,2 Millionen mehr als verdoppelt, und das wäre ohne den Fremdenverkehr nicht geschehen – noch in den 1950er Jahren verließen die Einheimischen die Inseln, weil sie hier keine Arbeit fanden. Um die Schönheiten der Inseln zu bewahren, sollen es allerdings auch nicht immer mehr Besucher werden; seit Anfang des Jahres gilt ein vorerst vierjähriges Bettenmoratorium, das bedeutet: keine zusätzlichen Übernachtungsplätze.
Die größere Sorge auf Mallorca indes ist eine andere: dass sich schon die nächste Krise abzeichnet, diesmal im Gefolge des Ukraine-Krieges. Gut möglich, dass die Insel bald wieder unter zu wenigen und nicht unter zu vielen Urlaubsgästen leidet.
