Kesse Kritzelei

Mit seiner Parodie auf die berühmten Gallier-Geschichten hat sich Comicautor Lewis Trondheim auf dünnes Eis begeben – doch sein Mut hat sich gelohnt
Ein kleines Dorf in Gallien mit unbeugsamen, aber liebenswerten Bewohnern. Ein Druide lebt hier, ein Barde und auch ein Koloss, der ständig ans Essen denkt und nur allzu gerne einen Schluck von dem Zaubertrank nehmen würde, in den er als Kind gefallen ist. Im Wald tummeln sich Römer, die vergeblich versuchen, die gallischen Widerständler zu überfallen.
Sie alle bevölkern das Buch, das einen Aufkleber trägt, um Missverständnissen vorzugreifen. „Das ist kein Asterix-Album“ steht darauf, gemäß dem Motto des surrealistischen Malers René Magritte. „Dies ist keine Pfeife“, schrieb dieser unter das Bild einer Pfeife, auch die Abbildung eines Apfels hat er mit so einem Schriftzug versehen. Dass es sich in der Tat nicht um einen Original-Asterix-Comicband handelt, dafür gibt es denn auch mehrere Hinweise. So trägt die Hauptfigur zwar das charakteristische schwarze Hemd über der roten Hose und ein kurzes Schwert. Doch der vermeintliche Asterix hat seltsam vorstehende Zähne, lange Löffel-Ohren, Schuhgröße 88 – und auch für ihn ist die Kluft des mutigen Helden am eigenen Leib neu und überraschend. Es handelt sich um Herrn Hase, der sich aus der heutigen Zeit mit einer Maschine in das Gallier-Universum um 50 vor Christus katapultiert hat. Und bei dem Buch mit dem Titel „Zum Teutates!“ um den sechsten Band der Serie „Die neuen Abenteuer von Herrn Hase“ des französischen Comic-Autors Lewis Trondheim. Nun ist es auch in deutscher Sprache beim Reprodukt-Verlag erschienen.
Trondheims Asterix-Parodie ist eine liebevolle Hommage mit etlichen Anspielungen, die zum Schmunzeln und Nachdenken anregen. So wirft sie Fragen rund um die Themen Machtgier und die Darstellung von Gewalt auf, etwa wenn Obelix und Herr Hase alias Asterix, gestärkt durch ein paar Schluck Zaubertrank, die Römer nicht nur verprügeln, sondern brutal massakrieren. Während der unbedarfte Hase von dem Blut an seinen Händen schockiert ist, zuckt Obelix nur mit den Schultern: „Tja nun. Es ist Krieg.“
Der Witz entsteht vor allem durch die Verknüpfung der beiden zeitlichen Ebenen. „Ist das ein Scherz? Oder ein Filmset?“, fragt Herr Hase, der anfangs nicht weiß, wie er hier gelandet ist. „Ach nein, ich weiß! Das ist der Asterix-Park! Wo sind die Karussells? Ok! Ich hab’s! Das ist ein Live-Rollenspiel!“ Als Vegetarier verzichtet er auf das Wildschwein-Fleisch, das Obelix so liebt: „Die Massentierhaltung, das Ozonloch, der Wasserverbrauch…“ Argumente, für die er ratlose Blicke erntet. Auch die Frage, ob ein Fuchs auf die im Wald gesammelten Beeren gepinkelt hat, bleibt unbeantwortet. Ein Schlenker zum Coronavirus darf auch nicht fehlen.
Die Geschichte nimmt Fahrt auf, als zwei weitere Figuren aus dem Heute, Herr Hases Freund Richard und der bretonische Nationalist Erwann Plougalec, in den Körpern von Troubadix und dem Gott Teutates erscheinen. Es gilt, den Schurken Plougalec davon abzuhalten, das Rezept des Druiden Miraculix für den Zaubertrank zu stehlen. Dieser will dank der dadurch gewonnenen Superkräfte in der aktuellen Welt die Bretagne befreien und dort endlich die partizipative Demokratie einführen – oder sie autokratisch verfügen.
der comic
„Die neuen Abenteuer von Herrn Hase 6: Beim Teutates!“ von Lewis Trondheim, erscheinen bei Reprodukt, 48 Seiten, 13 Euro
Die Idee, sich Asterix & Co ein wenig zu „borgen“, so verriet Lewis Trondheim in einem Interview, spukte ihm schon lange im Kopf herum. Zu Beginn seiner langen Karriere hatte der Träger des „Grand Prix de la Ville d’Angoulême“, der wichtigsten europäischen Auszeichnung für grafische Literatur, und Verfasser von mehr als 100 Werken ein wortloses Comic über eine Stubenfliege veröffentlicht. Nun wollte der 57-Jährige endlich mal wieder „eine richtige Quatschidee umsetzen“ – wohl wissend, dass er sich juristisch auf glattes Eis begab, sollte er die 1959 von René Goscinny und Albert Uderzo geschaffenen Figuren einfach kopieren. Eine Parodie sei in Frankreich laut Anwalt seines Verlags, der Autoren-Gruppe „L‚Association“, aber erlaubt. Außerdem handele es sich um eine Parodie auf eine Parodie, bedienen sich doch die Asterix-Macher genaugenommen bei Julius Cäsars Werk „Vom Gallischen Kriege“.
„Höflichkeitshalber“, so Trondheim, der seit Beginn seiner Karriere unter einem Pseudonym arbeitet, habe er den französischen Hachette-Verlag vorgewarnt, der ihn denn auch gewähren ließ. Auch hat der Schöpfer von Herrn Hase für seine Veröffentlichung ein Jahr ausgewählt, in dem kein neues Asterix-Heft erscheint, um diesem Imperium „keine Unannehmlichkeiten zu bereiten“. Eingefleischten Fans hilft seine Satire nun durch die Wartezeit.
„Die neuen Abenteuer von Herrn Hase 6: Beim Teutates!“ von Lewis Trondheim, erscheinen bei Reprodukt, 48 Seiten, 13 Euro
