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Italienische Schikanen

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Von: Dominik Straub

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Ob die beiden sich auch im Umgang mit den Geflüchteten einig sind? Meloni und Ursula von der Leyen im Palazzo Chigi. imago images
Ob die beiden sich auch im Umgang mit den Geflüchteten einig sind? Meloni und Ursula von der Leyen im Palazzo Chigi. imago images © imago

Die Flüchtlingszahlen steigen. Rom behindert die Seenotrettung der NGOs und schickt deren Schiffe auf ewige Reisen die Küsten hoch zu komischerweise nur links regierten Häfen.

In Ancona sind in den vergangenen Tagen gleich zwei Rettungsschiffe eingelaufen, um von ihnen aus Seenot geretteten Flüchtlinge an Land zu bringen: Zuerst legte die „Ocean Viking“ der Nichtregierungsorganisation „SOS Mediterranée“ mit 37 Geretteten an Bord an, am Tag danach die „Geo Barents“ von den „Médecins Sans Frontières“ (MSF) mit 73. Es war das erste Mal, dass Ancona den privaten Schiffen vom römischen Innenministerium als sicherer Hafen zugewiesen wurde. Gleiches erlebten auch Ravenna, Livorno und mehrere andere Städte.

Den neuen „sicheren Häfen“ in Nord- und Mittelitalien ist gemein, dass sie alle von Leuten des Mitte-Links-Lagers regiert werden – und dass sie sich sehr weit weg befinden von dem Punkt, an dem die in Seenot Geratenen gerettet wurden. Sowohl die „Viking“ als auch die „Barents“ mussten über 1500 Kilometer durch zum Teil raue See zurücklegen – das entspricht einer vier- bis fünftägigen Reise.

„Die Zuweisung von derart weit entfernten Häfen verfolgt das einzige Ziel, unsere Schiffe so lange wie möglich vom zentralen Mittelmeer fernzuhalten und die Kosten unserer Einsätze zu erhöhen“, kritisiert MSF-Missionschef Juan Matias Giles.

Erschwerend kommt für die Hilfe-Organisationen hinzu, dass sie neuerdings nur noch eine Aktion je Fahrt unternehmen dürfen und dann sofort den ihnen zugewiesenen Hafen ansteuern müssen. So lautet eine der zentralen Bestimmungen des neuen „Kodex“ für die privaten Rettungsschiffe, der von der Rechtsregierung von Giorgia Meloni zwischen Weihnachten und Neujahr beschlossen wurde.

Die Vorschrift erklärt auch die vergleichsweise kleine Anzahl von Flüchtlingen, die sich an Bord der „Viking“ und der „Barents“ befanden. Bisher hatten die NGO-Schiffe oft mehrere Rettungsaktionen durchgeführt, ehe sie in der Regel mit Hunderten von Geretteten einen Hafen in Süditalien anliefen.

Eine weitere Bestimmung des Verhaltenskodex sieht vor, dass die Menschen umgehend nach ihrer Rettung angeben müssen, in welchem Land sie einen Asylantrag stellen wollen. Damit versucht die italienische Regierung das Dublin-Abkommen zu unterlaufen, welches vorsieht, dass dasjenige Land für das Asylverfahren zuständig ist, in welchem sie erstmals EU-Boden betreten – diese Ungerechtigkeit führte im vergangenen Jahrzehnt zu massiven Verwerfungen in der EU, da der europäische Süden sehr viel mehr Menschen aufnahm, als der Norden des Bündnisses.

Crews, die sich nicht an den Kodex halten, müssen mit 50 000 Euro Bußgeld rechnen; im Wiederholungsfall kann das Schiff beschlagnahmt werden. Für die Regierung Meloni sind die NGOs ein „Pull-Faktor“; das heißt, das Wissen um deren Schiffe ermutige die Flüchtenden erst, die gefährliche Überfahrt übers Mittelmeer zu wagen.

Diese Annahme hat sich schon früher als zweifelhaft herausgestellt, und sie wird auch durch die Flüchtlingszahlen in den ersten zwei Wochen dieses Jahres widerlegt: Trotz der massiven Schikanen gegen die NGOs hat die Zahl der in Italien an Land Gegangenen sprunghaft zugenommen: Bis zum 12. Januar kamen mehr als 3000 Menschen an, was einer Verzehnfachung gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres entspricht. Rund 90 Prozent von ihnen schafften die Überfahrt aus eigener Kraft, viele wurden von der Küstenwache oder der Marine gerettet. Deren Schiffe dürfen nach den Rettungsaktionen die nahen Häfen der süditalienischen Regionen Sizilien, Kalabrien und Apulien anlaufen.

Die linken Bürgermeisterinnen und Bürgermeister von Ancona, Ravenna und Livorno machen derweil gute Miene zum bösen Spiel: „Wir nehmen zur Kenntnis, dass Ancona nun ein sicherer Hafen für Flüchtlinge ist. Wir beklagen uns nicht und werden unseren Teil zur Versorgung der Geflüchteten beitragen“, sagt die Anconerin Valeria Mancinelli. Für sie aber ist unlogisch, dass man die Menschen nach einer erzwungenen 1500-Kilometer-Reise dann ohnehin auf das ganze Land verteilt. Livornos Bürgermeister Luca Salvetti meinte ironisch, dass es sicher ein „Zufall“ sei, dass alle neuen sicheren Häfen von Linken regiert würden. Er warte jetzt darauf, dass auf der Liste auch La Spezia, Genua, Venedig und Triest mit ihren rechten Stadtoberhäuptern erscheinen.

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