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Heftiger Schlagabtausch

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Von: Tim Szent-Ivanyi

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Lauterbach wirft Ungeimpften vor, für die stockende Pandemiebewältigung verantwortlich zu sein.
Lauterbach wirft Ungeimpften vor, für die stockende Pandemiebewältigung verantwortlich zu sein. © dpa

Die Abgeordneten im Bundestag debattieren erstmals über eine Impfpflicht.

Die Debatte über die Einführung einer Corona-Impfpflicht läuft bereits eine Stunde, da tritt mit Emilia Fester die jüngste Bundestagsabgeordnete ans Mikrofon. Sie hält die emotionalste Rede dieser Aussprache. Sie habe aus Vorsicht und Rücksicht in den vergangenen zwei Pandemie-Jahren auf vieles verzichtet, beginnt die 23-Jährige. „Ich war nicht in der Uni, ich war nicht im Ausland. Ich habe kein Museum und auch kein Festival besucht. Ich habe nicht mal eine Person, die ich noch nicht kannte, geküsst oder meinen Geburtstag gefeiert. Ich war, verdammt noch mal, nicht einmal in einem Club. Tanzen, feiern und all das, was ich so vermisse.“

Das, so die Grünen-Politikerin in ihrer ersten Bundestags-Rede am Donnerstag, erscheine manchem vielleicht lächerlich. Doch wirklich lächerlich sei etwas anderes, sagt sie an die AfD-Fraktion gewandt: „Wenn Sie sich hätten impfen lassen, dann wären wir jetzt alle wieder frei“. Und auch den Koalitionspartner FDP verschont sie nicht: „Liebe FDP-Fraktion, nur weil man die Pandemie für beendet erklärt, ist sie noch nicht vorbei.“

Fester ist für eine allgemeine Impfpflicht, wie die anderen 236 Abgeordneten, die den entsprechenden Gruppenantrag unterschrieben haben. Er sieht vor, dass alle Erwachsenen bis zum 1. Oktober einen Impf- oder Genesenennachweis vorlegen müssen. Andernfalls drohen Bußgelder. Prominente Fürsprecher in dieser ersten Beratung der fünf unterschiedlichen Anträge sind auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Natürlich wäre es besser, wenn sich die Menschen freiwillig in großer Zahl impfen ließen, so Habeck. Da das aber nicht geschehe, habe der Gesetzgeber die Verantwortung, „dass wir wieder ein freies Leben haben“. „Die Freiheitsinterpretation der wenigen darf nicht zur permanenten Freiheitseinschränkung der vielen führen“, betont er. Lauterbach wirft Ungeimpften vor, sie trügen „die Verantwortung dafür, dass wir nicht weiterkommen“. Mit der Impfpflicht habe man die Chance, aus der Pandemie herauszukommen. „Dass es im Herbst keine neue Corona-Welle gibt, ist genauso wahrscheinlich, wie dass es keinen Herbst geben wird“, warnt er.

Für den von ihm maßgeblich formulierten Gruppenantrag mit einer Beratungspflicht und einer Art Vorrats-Impfpflicht ab dem 50. Lebensjahr wirbt der FDP-Abgeordnete Andrew Ullmann. Eine Impfpflicht dürfe nur Ultima Ratio sein, sagt er. Paula Piechotta von den Grünen betont, auch eine begrenzte Impfpflicht könne helfen, die Infektionszahlen zu senken.

Ihrer Linie treu bleiben auch die Gegner:innen einer Impfpflicht rund um Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP). Er empfehle eine Impfung mit Nachdruck, sagt Manuel Höferlin (FDP). Gefährdete Gruppen müssten geschützt werden, „aber nicht vor sich selbst“. Die Grüne Tabea Rößner argumentiert, eine Impfpflicht sei nur schwer zu rechtfertigen, wenn sie vor allem dem eigenen Schutz diene, wegen der weiter bestehenden Ansteckungsgefahr aber nicht dem Schutz anderer.

Union und AfD, die sich den Gruppenanträgen verweigern, setzen sich in der Debatte für ihre jeweiligen Fraktionsanträge ein. Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Impfpflicht tot, so der CDU-Politiker Sepp Müller, der den Vorschlag verteidigte, zunächst ein Impfregister aufzubauen und die Impfpflicht erst einzuführen, wenn es notwendig sei.

Anfang April soll der Bundestag über die Anträge entscheiden. Über das Abstimmungsverfahren wird noch gestritten.

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