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Halbwegs frei

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Von: Susanne Ebner

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Wird wohl vorerst nicht nach London reisen dürfen: Boris Becker, aufgenommen im März 2022. salci/dpa
Wird wohl vorerst nicht nach London reisen dürfen: Boris Becker, aufgenommen im März 2022. salci/dpa © dpa

Im April wurde Boris Becker in Großbritannien zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt – nun soll der 55-Jährige vorzeitig entlassen worden sein. Er profitiert wohl von einer Sonderregelung, die nicht ohne Haken ist

Seit Tagen lauerten Fotograf:innen in eisiger Kälte vor dem Huntercombe-Gefängnis westlich von London, um den Moment festzuhalten, wenn Boris Becker das Gefängnis verlässt. Schließlich galt als sicher, dass der im April verurteilte Ex-Tennisstar diese Woche freikommen soll – wann genau, war nicht bekannt. Am gestrigen Donnerstag wurde Becker offenbar vorzeitig aus britischer Haft entlassen, wie britische und deutsche Medien übereinstimmend berichteten. Er werde nun nach Deutschland abgeschoben. Eine weitere Strafverfolgung drohe dem ehemaligen Tennis-Profi in seiner Heimat nicht.

Fast sieben Monate ist es her, dass Becker das für ihn vernichtende Urteil in London erhielt. Im „Southwark Crown Court“ unweit der Themse wurde der 55-Jährige zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er seinen Insolvenzverwaltern Vermögenswerte in Millionenhöhe verschwiegen hatte. Für ihn ging es damals ohne Umwege nach Wandsworth, ein Gefängnis im Süden Londons.

Gefängnisse entlasten

Wenige Wochen später wurde er ins Huntercombe-Gefängnis westlich der britischen Hauptstadt verlegt. Seit gestern ist Becker offenbar wieder ein freier Mann, wie die Nachrichtenagentur PA berichtete. Offizielle Bestätigungen durch Beckers Anwälte und die Behörden standen da noch aus.

„Ich gehe davon aus, dass sich Becker in Deutschland ohne jede Einschränkung bewegen kann“, erklärte Promi-Anwalt Paul Vogel gegenüber dieser Zeitung. Dabei profitiere der Ex-Tennisstar von einer Sonderregel, berichteten Medien. Diese besagt, dass ausländische Häftlinge ihre Strafe um bis zu zwölf Monate verkürzen können, wenn sie einer Rückführung in ihr Heimatland zustimmen. Becker komme infrage, weil er keine britische Staatsbürgerschaft besitzt. Dadurch sollen britische Gefängnisse entlastet werden.

Überraschend ist diese Wendung aus der Sicht von Vogel, weil Becker seinen Lebensmittelpunkt seit Jahren in Großbritannien und dort überdies einen besseren Stand hatte als in Deutschland. Teile seiner Familie sowie seine Partnerin Lilian de Carvalho Monteiro leben in London. „Unter der Prämisse, dass er möglichst schnell auf freien Fuß kommt, hätte es auch die Option gegeben, auf Vollzugslockerungen in England hinzuarbeiten“, sagt Vogel. Und dennoch: „Mit diesem politischen Programm geht es nun ebenfalls schnell und ohne allzu große anwaltliche Mühe.“

One-Way-Ticket nach Leimen?

Die Freilassung habe jedoch einen Preis: Denn auf die Insel zurückkehren könne der gebürtige Leimener wohl erst einmal nicht. Ihm werde nach der Abschiebung die Einreise nach Großbritannien verwehrt bleiben. Mindestens bis seine Haftstrafe im Oktober 2024 abgelaufen ist, „vermutlich aber deutlich länger“, schätzt Vogel. Allerdings gebe es für eine Person wie Becker immer die Option, mit anwaltlicher Begleitung Ausnahmeregelungen zu forcieren. Insbesondere, wenn man im Vereinigten Königreich ein eigenes Interesse daran habe – etwa im Zuge einer sportlichen Veranstaltung.

Parallel zu den Meldungen zu Beckers Entlassung hat der Streamingdienst Apple TV+ eine Dokumentation über ihn angekündigt. Wann die zweiteilige Serie, die noch keinen Titel hat, veröffentlicht werden soll, ist unklar. Sie basiere auf drei Jahren exklusivem Zugang zu Becker und werde „alle Aspekte des Mannes“ beleuchten, hieß es in einer Mitteilung.

Die große Frage ist aktuell auch, wo Becker nach seiner Rückkehr unterkommen wird. Während manche Medien berichteten, er werde bei Freunden leben, geht Vogel davon aus, dass er bei seiner Mutter in Leimen wohnen wird. Offiziell bestätigt wurde dies nicht. Eins steht laut Vogel fest: „Wo er sich in Deutschland niederlässt, kann er sich aussuchen.“

Die Verurteilung war ein tiefer Fall für Becker, der als 17-Jähriger Wimbledon gewann und in den 80er- und 90er-Jahren viele weitere sportliche Erfolge feierte. Vor allem die ersten Wochen im Wandsworth-Gefängnis sollen nicht leicht für Becker gewesen sein. „Ich fühle mich nicht als Deutscher. Mein Zuhause ist London“, sagte er vor etwas mehr als fünf Jahren in einem Interview. Bis er wieder nach Hause darf, wird sich der 55-Jährige in seiner alten Heimat einrichten müssen.

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