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Griechischer Hörsturz

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Von: Gerd Höhler

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Unter Druck: Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis.
Unter Druck: Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis. © Marios Lolos/Imago

Die Regierung Mitsotakis gerät ob des Lauschangriffs ihres Geheimdienstes in Bedrängnis.

Die Affäre um den Lauschangriff des griechischen Geheimdienstes auf einen Oppositionellen verändert die politische Landschaft Griechenlands. Eine Umfrage vom Wochenende zeigt: Die bisher als wahrscheinlich geltende Wiederwahl des konservativen Premiers Kyriakos Mitsotakis ist nun fraglich. Damit drohen dem kaum der Finanzkrise entronnen Land politische und wirtschaftliche Instabilität.

Ende Juli berichtete Nikos Androulakis, Europaparlamentarier und Vorsitzender der Pasok, Griechenlands drittgrößter Partei, dass sein Mobiltelefon angeblich abgehört wurde. Die Regierung dementierte zunächst. Wenig später räumte der Chef des Geheimdienstes EYP ein, man habe Androulakis doch abgehört. Mitsotakis will davon nichts gewusst haben. Er bezeichnete die zuvor bestrittene Aktion nun als „rechtmäßig“, wenn auch als „politischen Fehler“. Der EYP-Chef und der für die Aufsicht über den Geheimdienst zuständige Büroleiter des Ministerpräsidenten mussten zurücktreten.

Aber damit ist die Affäre nicht beendet. Am Freitag beschäftigte sich das Parlament in einer Sondersitzung mit dem Fall. Oppositionschef Alexis Tsipras, Chef des Linksbündnisses Syriza, nimmt Mitsotakis nicht ab, dass der nichts von der Abhöraktion wusste. Schließlich hatte Mitsotakis unmittelbar nach Amtsantritt Mitte 2019 per Gesetzesänderung sich den Geheimdienst direkt unterstellt. Tsipras beschuldigt ihn deshalb, die Aktion auch angeordnet zu haben, um die Pasok auszuspähen.

Die Parlamentsdebatte brachte wenig Licht in die Affäre. Mitsotakis blieb die Antworten auf die meisten Fragen schuldig. Warum wurde Androulakis abgehört? Wer wird noch belauscht? Und wie steht es eigentlich um die politische Kontrolle des Geheimdienstes?

Der Skandal beschäftigt nicht nur die parlamentarische Opposition. Eine am Wochenende in der Zeitung „Ta Nea“ veröffentlichte Umfrage zeigt: Fast 69 Prozent der Befragten halten die Abhöraffäre für politisch bedeutsam. 59 Prozent sehen eine persönliche Verantwortung des Ministerpräsidenten. 29 Prozent sind sich sicher, dass die Affäre ihre Stimmabgabe bei der nächsten Wahl beeinflussen wird.

Die findet planmäßig im nächsten Frühjahr statt. Gewählt wird nach einem Verhältniswahlrecht, das die linke Vorgängerregierung 2016 verabschiedete. Keine der beiden großen Parteien, weder die regierende konservative Nea Dimokratia (ND) noch Syriza, kann mit einer absoluten Mehrheit rechnen. Wahrscheinlich wären Neuwahlen. Sie fänden zwar nach einem System statt, das die stärkste Partei bei der Sitzverteilung begünstigt. Doch für eine absolute Mehrheit würde die ND mindestens 38 Prozent der Stimmen benötigen. In der Umfrage vom Wochenende liegt sie nur noch bei 31,4 Prozent, gegenüber knapp 40 Prozent bei der Wahl von 2019. Damit droht Griechenland im kommenden Jahr monatelange politische Instabilität.

Bisher galt die sozialdemokratische Pasok als eine möglicher Koalitionspartnerin für Mitsotakis. Diese Option hat er nach dem Lauschangriff auf deren Chef Androulakis aber nicht mehr. Die konservative ND dürfte zwar stärkste Partei bleiben. Aber die linken Syriza und Pasok könnten versuchen, nach der nächsten Wahl eine Minderheitsregierung mit Duldung durch die Kommunistische Partei zu bilden. Ein solcher Linksruck könnte ungewisse Folgen für die Fortsetzung der Reformagenda und der Konsolidierung der Staatsfinanzen haben.

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