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Gibraltar auf dem Trockenen

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Von: Martin Dahms

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Das Wasserreservoir im Felsen ist noch immer nicht gefüllt. REUTERS
Das Wasserreservoir im Felsen ist noch immer nicht gefüllt. REUTERS © REUTERS

Ein Feuer hat die Wasserversorgung gekappt – fürs Erste hilft Spanien aus

Zum Glück verstehen sich die Nachbarn seit längerem wieder. Also schickt Spanien jetzt täglich per Lastwagen 600 000 Liter Trinkwasser herüber nach Gibraltar und hilft auf diese Weise, die dortige Wassernot zu lindern. Die ist in diesem Fall keine Folge von Hitze und Trockenheit, sondern eines Unfalls, der vergangene Woche für einen Tag fast alle Wasserhähne der 34 000-Einwohner-Kolonie trockenlegte. Noch ist die Wasserversorgung nicht vollständig hergestellt – aber bis alles in Ordnung ist, hilft Spanien.

Den Felsen von Gibraltar an der Südspitze Spaniens riss sich Großbritanien vor gut 300 Jahren unter den Nagel, was die Spanier bis heute nicht wirklich verziehen haben. Für die kleine Kolonie war der große Nachbar normalerweise keine Hilfe, sondern eine Bedrohung, weswegen die Briten ihren Felsen seit dem 18. Jahrhundert mit einem weitverzweigten Tunnelnetz durchlöcherten, das im Fall der Fälle als Verteidigungsanlage dienen sollte. Mit rund 55 Kilometern ist das Tunnelnetz heute länger als das Straßennetz Gibraltars. In einem dieser Tunnel, dem Power’s Drive, brannte es in der Nacht auf den Dienstag vergangener Woche. Mit fatalen Folgen.

Gibraltar nutzt seine Tunnel heute hauptsächlich zivil, unter anderem verlaufen dort Strom- und Wasserleitungen. Das Feuer im Power’s Drive, dessen Ursache noch ermittelt wird, zerstörte einen Teil der Rohrleitung, die Meerwasser zur Entsalzungsanlage der Insel transportiert. Die Anlage liegt nicht direkt an der Küste, weil dort bei ihrem Bau in den 1980er Jahren kein Platz mehr war, sondern auf halber Höhe auf der Ostseite des Felsens. Als wegen des kaputten Rohrs vergangene Woche kein Salzwasser mehr in der Anlage ankam, konnte sie kein Trinkwasser mehr produzieren.

In Panik alles aufgebraucht

Für solche Fälle gibt es ein Höhlendepot, das zugleich für den nötigen Druck im Wassernetz sorgt. Die Menschen in Gibraltar gerieten aber in Panik und verbrauchten kurzfristig mehr Wasser als sonst, weswegen gleich am Mittwoch erstmal gar kein Wasser mehr aus den Hähnen kam. Und weil sich auch die Löscharbeiten im Tunnel als schwierig erwiesen und nicht gleich mit der Reparatur des Rohrs begonnen werden konnte, musste fürs Erste Spanien einspringen.

Die Geschichte entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Gibraltars komplexe Wasserversorgung ist der Furcht vor Spanien geschuldet. Naheliegend wäre ein Anschluss der Kolonie ans spanische Wassernetz, doch damit besäße Spanien ein Druckmittel. Auch ihren Strom produzieren sie selber. Die Unabhängigkeit von Spanien hat ihren Preis.

Die Entsalzungsanlage funktioniert inzwischen wieder, aber noch ist das Höhlendepot nicht wieder ausreichend gefüllt, um den nötigen Wasserdruck in der gesamten Kolonie zu garantieren. Hier und dort kommt immer noch kein Wasser an, und nachts ist das gesamte Netz gesperrt, damit sich das Reservoir wieder füllen kann.

Die Menschen in Gibraltar nehmen es mehr oder weniger gelassen, sie kennen die Nöte der Autarkie. Immerhin können sie weiter die Toilette benutzen: Die wird auf der gesamten Halbinsel aus einem unabhängigen Salzwassernetz gespeist. Der Nachteil ist, dass sich salziges Abwasser schwer klären lässt. Seit Jahren wird an Lösungen gebastelt. Aber noch fließt aller Dreck ins Meer. Da kann auch Spanien nicht helfen.

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