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Fleischfresser im Federkleid

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Gilt als „Inbegriff des Opportunisten“: Der Pinseltruthahn frisst nahezu alles, was er findet. barkhausen
Gilt als „Inbegriff des Opportunisten“: Der Pinseltruthahn frisst nahezu alles, was er findet. barkhausen © Barbara Barkhausen

In den Vororten von Sydney tummeln sich neben klugen Kakadus immer mehr Pinseltruthähne. Deren Nester sind gigantisch – und ihr Appetit erstaunt selbst Fachleute.

Pinseltruthähne zählen nicht zu den schönsten Bewohnern des fünften Kontinents. Anders als die eleganten Kakadus oder die farbenfrohen Regenbogenloris werden Pinseltruthähne wegen ihres plumpen Körpers, dem dürren Hals und dem zu klein wirkenden Kopf gern belächelt.

Aber nicht allen Menschen in Sydney ist zum Lächeln zumute, wenn sie einen dieser schrägen Vögel sehen: Vor allem in den grünen Vororten im Norden der Stadt gehören Pinseltruthähne inzwischen zum Alltagsbild. Und mit ihnen auch die riesigen Nisthügel, die Pinseltruthahn-Männchen zu bauen pflegen: Diese Hügel sind bis zu drei Meter hoch und können aus zwei bis drei Tonnen Laub bestehen. In diesen Nisthügeln, die niemand gern im Garten hat, brüten die Weibchen ihre Eier aus.

In einem der nördlichen Stadtteile – im Strandvorort Manly – wurde nun eine Gruppe der Vögel dabei beobachtet, wie sie sich nach Art der Geier auf den Kadaver eines Säugetiers auf der Straße stürzten und mit ihren Schnäbeln große Brocken Fleisch herausrissen und verspeisten. John Martin, ein Ökologe, der am Taronga Institute of Science and Learning in Sydney forscht, filmte das Szenario, bei dem ein dominanter männlicher Truthahn den „Roadkill“ erbittert gegen fünf oder sechs lauernde Konkurrenten verteidigte. „Er schnappte sich buchstäblich ein Stück blutrotes Steak und verschlang es“, sagte Martin der lokalen Tageszeitung „Sydney Morning Herald“. „Das hatte ich noch nie gesehen.“

Eine lange Erfolgsgeschichte

Normalerweise fressen die Vögel, die auch Buschtruthähne genannt werden, Samen, Würmer und Larven. Ab und zu ist vielleicht der eine oder andere Skink dabei, während sie durch das Laub am Boden wühlen. Interessant ist, dass die Pinseltruthähne nicht die ersten Vögel in Sydney sind, die sich an den Menschen und das Leben in der Stadt anpassen. Auch die kleinen Regenbogenloris sind bereits beim Fleischfressen beobachtet worden, obwohl sie normalerweise Samenfresser sind.

Der Verhaltensökologe Darryl Jones, ein Experte für Pinseltruthähne, sagte dem „Sydney Morning Herald“, dass er selbst zwar noch nie davon gehört habe, dass sich die Vögel an einem toten Tier auf der Straße sattfressen würden, doch gleichzeitig meinte er, dass das neue Video ihn auch nicht überrasche: „Einer der Gründe, warum sie so erfolgreich sind, ist, dass sie alles fressen, was sie mit ihren Schnäbeln erwischen können“, meinte er. Die Vögel seien „der Inbegriff eines Opportunisten“.

Obwohl sie vom Aussehen nicht mit den anderen australischen Vogelarten mithalten können, können Pinseltruthähne auf eine lange Erfolgsgeschichte zurückblicken: Einem Forschungsteam dienten sie als Vorlage, um herauszufinden, wie Dinosaurier ihre Nachkommen ausbrüteten. Außerdem inspirierten die Vögel 1999 als Vorlage für die legendäre BBC-Dokumentation „Walking with Dinosaurs“: „Wenn Sie das Original ‚Walking with Dinosaurs‘ sehen, laufen die T-Rexe wie Buschtruthähne herum“, sagte Jones. „Sie haben sie gefilmt und dann das Bild des T-Rex auf den Pinseltruthahn gelegt.“

Der Ökologe Martin hat nun in der Gemeinde gebeten, Sichtungen von Pinseltruthähnen mit seltsamem Fressverhalten in einer App namens Big City Birds App zu melden. Diese Anwendung soll Forschenden dabei helfen, herauszufinden, wie sich einheimische Vögel an das Leben in der Stadt anpassen. Ein weiteres Beispiel für solch eine geschickte Anpassung machte erst im vergangenen Jahr die Runde: Damals wurden Kakadus in Sydney dabei gefilmt, wie sie Mülltonnen aufklappten – um im Inneren nach Essensresten zu suchen.

Dieser Kakadu hat den Dreh raus. b. klump/australisches museum
Dieser Kakadu hat den Dreh raus. b. klump/australisches museum © Barbara Klump / Australisches Museum

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