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Exzentrisches vom Schiffsarzt

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Zahlreiche Illustrationen vermitteln ein Bild von Flora und Fauna und der Lebensweise der Menschen. Christie’s Images Limited 2023
Zahlreiche Illustrationen vermitteln ein Bild von Flora und Fauna und der Lebensweise der Menschen. Christie’s Images Limited 2023 © Christies Images Limited 2023

Ein Tagebuch von 1687 schildert die Ankunft einer französischen Flotte in Australien. Nun wird es in London versteigert.

Die vergilbten Seiten, auf denen sich elegante Schreibschrift mit kunstvollen Illustrationen abwechseln, sind ein Schatz, der über die Jahrhunderte in Vergessenheit geraten ist. Nun steht dieser Schatz zum Verkauf – das Auktionshaus Christie’s in London versteigert das Tagebuch, das die erste verifizierte französische Sichtung Australiens im Jahr 1687 schildert. Als Richtpreis sind 350 000 Britische Pfund angegeben, also fast 400 000 Euro.

Die Franzosen waren bei Weitem nicht die ersten Europäer, die Australiens Küsten entdeckten. Die erste dokumentierte Landung eines Europäers in Australien war bereits im Jahr 1606. Damals erreichte der niederländische Entdecker Willem Janszoon die Westseite der Halbinsel Cape York und kartografierte etwa 300 Kilometer Küstenlinie. Der niederländische Seefahrer und Entdecker Abel Tasman entdeckte 1642 als erster Tasmanien und bestätigte später Australien als Inselkontinent.

Die Ankunft der Franzosen 1687 war – soweit bisher bekannt – das 33. Mal, dass ein europäisches Schiff die australische Küste sichtete. Es war jedoch das erste Mal, dass ein französisches Schiff den Kontinent ansteuerte, den die Briten letztendlich 1770 zum Eigentum der britischen Krone erklären sollten.

Bekannt ist, dass das Tagebuch, das nun zum Verkauf steht, auf dem von Kapitän Abraham Duquesne-Guitton gesteuerten Schiff „L’Oiseau“ verfasst wurde. Die „L’Oiseau“ befand sich zusammen mit vier weiteren Schiffen auf dem Weg von Brest in Frankreich nach Siam. Letzteres ist das heutige Thailand, mit dem der französische Hof gute diplomatische Verbindungen aufgebaut hatte.

Die Reise selbst war alles andere als einfach: Das Schiff wurde zwischen Kapstadt und Jakarta vom Kurs abgetrieben, die Besatzung verlor daraufhin offenbar die Orientierung und erlitt vor der westaustralischen Küste beinahe Schiffbruch. Sie landeten schließlich in Westaustralien an, nördlich der Mündung des Swan River.

Christie’s bewirbt das Tagebuch als „neu entdecktes illustriertes australisches Manuskript-Tagebuch“. Und eine Sprecherin des Auktionshauses erklärte: „Nach unseren umfangreichen Recherchen und basierend auf den Informationen, die wir gefunden haben, ist es die einzige Manuskriptbeschreibung Australiens aus dem 17. Jahrhundert, die auf den Markt gekommen ist.“ Es sei damit wohl „das früheste Australiana-Manuskript, das jemals zum Verkauf angeboten wurde“.

In Fachkreisen unbekannt

Das Tagebuch ist bisher nirgendwo veröffentlicht worden und auch in geschichtswissenschaftlichen Kreisen ist es bisher wohl noch nicht eingesehen worden. Es wurde vom leitenden Chirurgen der königlichen Flotte Ludwigs XIV. geschrieben, der nur als „Bremond“ bekannt ist.

Bremond schilderte beispielsweise, wie die gesamte Flotte an Schiffen aufgrund eines Sturms vom Kurs abgekommen war. Über die Küste Australiens schrieb er: „Dieses Land erscheint sehr niedrig und hat viele große Felsen, die vom Land getrennt zu sein scheinen.“ Sie wüssten nicht genau, von welchen Menschen es bewohnt sei oder ob es vielleicht niemanden gebe außer ein paar wenigen Menschen.

Thomas Venning, der die Abteilung Bücher und Manuskripte bei „Christie’s“ in London leitet, sagte der lokalen australischen Tageszeitung „Sydney Morning Herald“, dass ein solcher Fund „äußerst selten“ sei. In seiner 25-jährigen Karriere bei „Christie’s“ habe er so etwas noch nie gesehen. Venning berichtete, wie er bei Recherchen darauf stieß, dass das Schiff ungeplant in Australien gelandet war. Daraufhin habe er angefangen, hektisch die Seiten des Tagebuchs umzublättern, um zu sehen, was Bremond dazu geschrieben hatte.

Als er die Stelle dann entdeckte, sei dies ein höchst emotionaler Moment gewesen. „Ich hatte keine Ahnung, ob er es überhaupt beschreiben würde“, sagte er. Und weiter: „Als ich die Worte ‚Terra Australis‘ – oder ‚terre auxtralles‘ in diesem ziemlich exzentrisch geschriebenen Französisch in einem Manuskript aus dem Jahr 1688 sah – war ich völlig sprachlos.“

Nach dem unerwarteten Zwischenstopp an der australischen Küste segelte die „L’Oiseau“ nach Norden, kam an Java vorbei und passierte die Sundastraße. Als das Schiff Batavia – das heutige Jakarta – erreichte, beschrieb Bremond es als „die schönste Stadt von ganz Ostindien“. Er schrieb zudem, dass ein großer Anteil der Bevölkerung chinesischstämmig sei. Das Tagebuch enthält auch eine detaillierte Liste der Geschenke Ludwigs XIV. und mehrere Zeichnungen, die die Topografie, die lokale Bevölkerung sowie die Flora und Fauna zeigen, denen die Mannschaft auf der Reise begegnete.

Dass das Tagebuch erst jetzt seinen verdienten Ruhm erhält, liegt laut Venning daran, dass die historische Bedeutung des Manuskripts zuvor übersehen worden war. Es soll nur einmal den Besitzer gewechselt haben, als es 2012 bei „Christie’s“ Paris an den derzeitigen Eigentümer versteigert wurde. Vor 2012 befand sich das Manuskript in der Bibliothek einer Familie in Westfrankreich.

Der Autor der Zeilen war ein gewisser „Bremond“. Christie’s Images Limited 2023
Der Autor der Zeilen war ein gewisser „Bremond“. Christie’s Images Limited 2023 © Christies Images Limited 2023

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