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Europa-Recht als Hindernis

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Von: Tim Szent-Ivanyi

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Was einen deutschen Alleingang bei der Legalisierung heikel macht

Für den CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger ist die Sache schon jetzt klar: Mit der geplanten Legalisierung von Cannabis bewege sich die Ampelkoalition europarechtlich auf dünnem Eis. „Ein nationaler Alleingang ist zum Scheitern verurteilt“, prognostiziert der Bundestagsabgeordnete, der als Hausarzt im Münchener Umland praktiziert und die Legalisierung leidenschaftlich bekämpft.

Pilsinger trifft damit einen wunden Punkt. Tatsächlich ist das EU-Recht das Haupthindernis auf dem Weg zu Cannabis-Freigabe. Schließlich gibt es mindestens zwei verbindliche Vorgaben in der EU, die ihr entgegenstehen. Da wäre zum einen der EU-Rahmenbeschluss von 2004, der vorschreibt, dass Herstellung, Anbau, Verkauf, Transport oder Ein- und Ausfuhr von Drogen unter Strafe gestellt werden müssen. Cannabis ist dabei ausdrücklich eingeschlossen. Vorgegeben wird, dass jedes Mitgliedsland Verstöße mit „wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden strafrechtlichen Sanktionen“ ahnden müsse. Zum anderen gibt es das Schengen-Protokoll. Darin verpflichten sich die Vertragsländer, zu denen auch Deutschland gehört, „die unerlaubte Ausfuhr von Betäubungsmitteln aller Art einschließlich Cannabis-Produkte sowie den Verkauf, die Verschaffung und die Abgabe dieser Mittel mit verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Mitteln zu unterbinden“.

Trickreiche Interpretation?

Da sie diese Vorgaben nicht ändern kann, setzt die Bundesregierung trickreich auf eine neue Interpretation des EU- und des Völkerrechts: Nur durch eine Legalisierung könne der Jugend- und Gesundheitsschutz gewährleistet, der Schwarzmarkt trockengelegt und damit die internationale Drogenkriminalität bekämpft werden, heißt es in den Eckpunkten zur Cannabis-Freigabe. Um die EU-Ebene nicht zusätzlich zu reizen, setzt die Regierung zudem ausschließlich auf den Anbau in Deutschland und plant keinen grenzüberschreitenden Handel.

Ob das reicht ist fraglich. Um einen „Morbus Scheuer“ zu verhindern – gemeint ist Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der mit der PKW-Maut auf EU-Ebene gescheitert war – will Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereits die Eckpunkte der EU-Kommission vorlegen, um sich grünes Licht zu holen. Selbst wenn das gelingen sollte, ist der Weg aber nicht frei, weil Deutschland immer noch von einem anderen Mitgliedsstaat vor dem Europäische Gerichtshof (EuGH) verklagt werden kann. Am Ende könnte sich ausgerechnet das in guter Absicht geplante Importverbot als schädlich erweisen: Schließlich ist freier Handel eines der EU-Grundprinzipen.

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