„Es muss mehr Entlastungen geben“

VKU-Chef Michael Ebling über steigende Energiepreise und einen möglichen Ausgleich
Herr Ebling, die Strom- und Gaspreise haben im Großhandel große Sprünge gemacht. Was kommt im Laufe des Jahres auf die Verbraucher:innen zu?
Auf uns alle wird einiges zukommen. Mit dem Gefühl leben wir seit dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine. Uns werden auch die Flüchtlingsbewegungen massiv fordern. Das wird nicht an der sozialen Infrastruktur und der Leistungsfähigkeit des Gemeinwesens spurlos vorbeigehen.
Was passiert konkret bei Strom und Gas?
Hier werden wir uns auf große Preissteigerungen einrichten müssen. Wenn die Belastungen zu groß werden – und das wird in weite Teile der Gesellschaft hineinreichen –, muss es Entlastungen geben. Der beschlossene Wegfall der EEG-Umlage ist richtig, darf aber nicht die einzige Entlastung bleiben. Wir meinen, dass zusätzlich die Stromsteuer auf das europarechtlich mögliche Mindestmaß und auch die Mehrwertsteuer auf Energie gesenkt werden sollten, um eine Entlastung in der Breite zu haben.
Bei der EEG-Umlage wird gefordert, die wegfallenden 3,7 Cent vollständig an die Verbraucher:innen weiterzureichen. Werden das die Stadtwerke tun?
Natürlich. Aber leider wird die Entlastung durch den Wegfall der EEG-Umlage aufgezehrt durch den gleichzeitig viel stärkeren Anstieg der Beschaffungspreise. Ein komplettes Durchreichen der Entlastung ist für uns so etwas wie Frömmlerei. Tatsächlich dämpft das Streichen der EEG-Umlage lediglich den Preisanstieg.
Das bedeutet?
Es hat doch keinen Sinn, wenn der Kunde erst über die gute Nachricht von einer Entlastung in Höhe von 3,7 Cent pro Kilowattstunde informiert wird. Und kurze Zeit später bekommt er dann eine Mitteilung, in der erläutert wird, dass der Strompreis wegen des Krieges in Europa erhöht werden muss.
Wie wird es denn dann laufen?
Wenn ein Preisbestandteil sich ändert, dann wird der Tarif neu berechnet. Und der besteht weitestgehend aus den aktuellen Beschaffungs- und den Fixkosten wie Steuern, Abgaben und Umlagen. Kostensenkungen und -steigerungen werden dabei saldiert. Wenn der Gesetzgeber nun aber die 1:1-Durchreiche beschließt, kommen dem natürlich alle nach. Und müssen vermutlich später die Differenz in weiteren Preisschritten wieder ausgleichen.
Das muss man dann den Verbraucher:innen aber gut erklären.
Deshalb fordern wir die weitergehenden Entlastungen. Der Wegfall der EEG-Umlage ist gut, aber er wird nicht reichen, um die Verbraucher vor einem Preisschock zu schützen. Wir brauchen deshalb zugleich zielgerichtete Unterstützungsmaßnahmen. Es wird nicht reichen, dieses Geld mit der Gießkanne zu verteilen.
Also Direktzahlungen vor allem an Familien mit Kindern und mit niedrigen Einkommen?
Das Geld muss zu den Bürgerinnen und Bürgern kommen, die besonders betroffen sind. Menschen, die jeden Cent umdrehen müssen. Wir müssen verhindern, dass Energiepreise zu einer neuen sozialen Frage werden. Es gilt, einen aggressiven Mechanismus zu verhindern: nämlich, dass Menschen die Preisentwicklungen als zu belastend empfinden. Es wird aber auch darum gehen, mittelständischen Unternehmen zu helfen, denen droht, von den hohen Energiekosten an die Wand gedrückt zu werden.
Das alles ist Nothilfe. Was muss darüber hinaus passieren?
Wir müssen Unternehmen verstärkt bei ihren Transformationsprozessen helfen. Hier in Mainz will die Firma Schott, führend in der Glastechnologie, im Jahr 2030 klimaneutral sein. Das Unternehmen setzt nun verstärkt auf Wasserstoff. Vielleicht schaffen wir es, aus dieser schwierigen Situation etwas Positives zu machen. Die bisherigen Aufgaben im Klimaschutz bleiben bestehen. Sie müssen nun aber angesichts des Ukraine-Krieges erheblich schneller umgesetzt werden.
Gilt das auch für die etwas aus der Mode gekommene Idee des Energiesparens und der Effizienz?
Natürlich. Beim Thema Effizienz liegt die Frage auf der Hand, wie der Besitzer eines Eigenheims schneller von der Öl- oder Gasheizung wegkommt. Etwa durch den Einbau einer Wärmepumpe, den Umstieg auf Wasserstoff oder die Stärkung der Nah- und Fernwärme, wofür schnellere und bessere Förderwege ein wichtiges Instrument wären. Und beim Energiesparen können die Stadtwerke noch einmal trommeln – das ist gerade in Zeiten mit angespannter Versorgungslage enorm wichtig. Da macht auch Kleinvieh noch mal Mist, wenn es etwa darum geht, dass Elektrogeräte nicht permanent angeschaltet bleiben.
Interview: Frank-Thomas Wenzel