1. Startseite
  2. Hintergrund

Ein Korb für den Papst

Erstellt:

Von: Dominik Straub

Kommentare

Draußen noch recht freundlich: Wolodymyr Selenskyj im Vatikan auf dem Weg zur Privataudienz. Gregorio Borgia/dpa
Draußen noch recht freundlich: Wolodymyr Selenskyj im Vatikan auf dem Weg zur Privataudienz. © Gregorio Borgia/dpa

Der ukrainische Präsident Selenskyj erteilt der Friedensmission von Papst Franziskus eine Absage.

Das 40-minütige Treffen zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und dem Papst im Vatikan fand in einer angespannten, beinahe frostigen Atmosphäre statt. Dies belegten nicht zuletzt die Bilder, die das Nachrichtenportal „Vatican News“ verbreitete. Auch die Geschenke unterstrichen die Distanz zwischen Gast und Gastgeber: Papst Franziskus schenkte dem ukrainischen Präsidenten eine kleine Skulptur, die einen Olivenzweig, das Symbol des Friedens, darstellt. Selenskyj überreichte dem Pontifex eine Ikone der Muttergottes, die auf die durchlöcherten Reste einer kugelsicheren Weste gemalt war.

Der Papst und die vatikanische Diplomatie setzen sich seit Beginn des Kriegs für einen Waffenstillstand und eine Friedenslösung ein; bei der Rückkehr von seiner Ungarn-Reise Ende April hatte Franziskus zuletzt öffentlich von einer möglichen vatikanischen Friedensmission gesprochen. Diesem Angebot erteilte Selenskyj nun eine brüske Absage: „Bei allem Respekt für den Papst: Wir brauchen keine Vermittler zwischen der Ukraine und dem Aggressor, der unsere Gebiete besetzt hat, sondern einen Aktionsplan für einen gerechten Frieden in der Ukraine“, sagte er nach dem Treffen im Gespräch mit Italiens Staatssender RAI.

Der Vatikanstaat verfügt über keine Panzer oder Flugabwehrraketen, die er in die Ukraine liefern könnte. Und Waffenlieferungen sind das vordringlichste Anliegen, das Selenskyj an seine Gesprächspartner im Ausland hat. Vom Papst forderte er zumindest etwas mehr moralische Unterstützung: Er habe Papst Franziskus aufgefordert, Russlands Verbrechen im Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verurteilen, schrieb Selenskyj auf Twitter: „Opfer und Aggressor können nicht gleichgesetzt werden.“

Distanz zu beiden Seiten

Tatsächlich hat Papst Franziskus den Angriffskrieg als solchen mehrfach verurteilt, dabei aber immer darauf geachtet, eine möglichst gleich große Distanz zu den beiden Konfliktparteien zu wahren. Der Pontifex hält dies für unerlässlich, um eine mögliche Vermittlerrolle des Vatikans nicht zu beeinträchtigen. Franziskus hatte sich auch schon bei seinem russisch-orthodoxen „Amtskollegen“, dem Patriarchen von Moskau, für eine Friedenslösung und eine Vermittlung durch die beiden Kirchen eingesetzt. Auch da war er abgeblitzt: Kyrill I., ein treuer Gefolgsmann von Präsident Wladimir Putin, weigerte sich gegenüber Franziskus, die Invasion der Ukraine als Krieg zu bezeichnen.

Mit dem klaren Nein sowohl aus Moskau als auch aus Kiew zu einer Friedensmission sind die Hoffnungen im Vatikan, einen Beitrag zu einem baldigen Waffenstillstand leisten können, auf Null gesunken – oder fast: Kurz vor seinem Treffen mit Selenskyj hatte Franziskus gegenüber einigen Botschaftern seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, dass „das letzte Wort nicht gesprochen ist, um den Konflikt friedlich zu lösen“.

Auch interessant

Kommentare