Die ersten Züge sollen wieder fahren

Griechische Bahn bedient aber nur einzelne Strecken, weil es zu viele Sicherheitsmängel gibt
Drei Wochen nach der Eisenbahnkatastrophe in Griechenland sollen von dieser Woche an die ersten Züge wieder rollen. Aber vorerst nur auf wenigen Strecken und mit reduziertem Tempo. Denn das Zugunglück offenbarte haarsträubende Mängel und Versäumnisse.
Bei der griechischen Eisenbahn stehen alle Räder still, seit in der Nacht zum 1. März bei der mittelgriechischen Ortschaft Tempi ein aus Athen kommender Intercity-Express und ein aus Thessaloniki kommender Güterzug mit hoher Geschwindigkeit ineinander rasten. 57 der 350 Fahrgäste des Intercity wurden getötet, Dutzende verletzt.
Nun soll der Bahnverkehr in mehreren Schritten wieder aufgenommen werden. Den Anfang macht am Mittwoch die Athener Vorortbahn, die Piräus und Athen mit dem Flughafen Eleftherios Venizelos verbindet. Die Strecke Athen-Thessaloniki, auf der sich das Unglück ereignete, wird vom 27. März an wieder befahren, vorerst allerdings nur mit einem Zugpaar täglich. Bis zum orthodoxen Osterfest Mitte April sollen alle Bahnstrecken wieder bedient werden. Allerdings dürfen die Züge vorerst nicht schneller als 80 bis 100 Kilometer pro Stunde fahren. Außerdem werden die Führerstände der Loks und die Stellwerke doppelt besetzt.
Erste Untersuchungsergebnisse der Katastrophe zeigen: Bei der griechischen Bahn gab es seit vielen Jahren gravierende Sicherheitsmängel. Obwohl die Missstände Insidern bekannt waren, blieben die Bahngesellschaft, die Aufsichtsbehörde RAS und die diversen Regierungen untätig.
Ein Bote als Fahrdienstleiter
Als Hauptverantwortlicher gilt der Fahrdienstleiter im Stellwerk der Stadt Larisa. Er soll mit einer falschen Weichenstellung den Intercity auf jenes Gleis geleitet haben, auf dem der Güterzug entgegenkam. Der 59-Jährige hatte den Posten erst wenige Wochen zuvor übernommen. Er war bis dahin im Bildungsministerium als Bote beschäftigt, dann zur staatlichen Bahngesellschaft OSE versetzt worden, wo er in drei Monaten zum Stationsvorsteher ausgebildet wurde. Weil er sich mit dem System zur Fahrwegsteuerung nicht auskannte, stellte er die Weichen von Hand. Dabei machte er offenbar den entscheidenden Fehler. Der Mann sitzt in Untersuchungshaft, ihm steht ein Prozess wegen fahrlässiger Tötung bevor.
Automatische Sicherheitssysteme, die den Zusammenstoß hätten verhindern können, waren defekt, abgeschaltet oder wurden nicht benutzt. „Wir fahren wie in alten Zeiten von einem Streckenabschnitt zum nächsten“, berichtet Kostas Genidounias, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Lokführer. Die Sicherungstechnik sei „seit langem außer Betrieb“, auch die Lichtsignale funktionierten nicht. „Die Stationsleiter geben uns per Funk die Fahrerlaubnis“, so der Eisenbahner.
Das Unglück kam nicht aus heiterem Himmel. Frühere Unfälle hätten eine Warnung sein müssen. So fing 2015 ein Güterzug in einem Tunnel bei Tempi Feuer. Dabei zeigte sich, dass die Löschwasserzufuhr im Tunnel nicht funktionierte. 13 Jahre später sind die Mängel immer noch nicht behoben. In vielen der 18 längeren Eisenbahntunnel Griechenlands gibt es keine Rettungswege und keine Entlüftung. Verkehrsminister Gerapetritis ordnete deshalb jetzt an, dass die Bahntunnel bis auf weiteres nicht von zwei Zügen gleichzeitig befahren werden dürfen.
Bahn-Mitarbeitende warnten seit Jahren vor der Gefahr. Erst Anfang Februar hatte die Gewerkschaft in einem Brandbrief an den Verkehrsminister und die Bahngesellschaft auf die Missstände hingewiesen. „Worauf warten Sie, um einzugreifen? Was muss noch passieren?“, hieß es in dem Brief.
Wie schon bei früheren Katastrophen in Griechenland zeigte sich bei dem Unglück von Tempi einmal mehr totales Staatsversagen. Verkehrsminister Karamanlis erklärte am Tag nach dem Unglück seinen Rücktritt. Die politischen Folgen könnte Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis bei den im Frühsommer fälligen Wahlen zu spüren bekommen. Umfragen zeigen Stimmenverluste für die konservative Regierungspartei.