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Der „Bluthund“ fällt mit Sprüchen auf

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Von: Jan Emendörfer

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Ramsan Kadyrow.
Ramsan Kadyrow. © Mikhail Metzel/afp

Der Kreml befördert Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow zum Generaloberst

Noch ist nicht klar, welche Funktion der neue russische Generaloberst Ramsan Kadyrow haben wird. Bindet Kremlchef Wladimir Putin mit diesem Schachzug einen Hardliner in seine Führungsriege ein oder wird der gefürchtete Tschetschenenführer auch operative Aufgaben im Krieg übernehmen? Klar ist: Mit seiner Ernennung zum Generaloberst hat Kadyrow nach Marschall und Armeegeneral den dritthöchsten Dienstgrad der russischen Streitkräfte.

Bislang ist Kadyrow im russischen Angriffskrieg in der Ukraine vor allem durch Sprüche aufgefallen und durch eine gewisse Sprunghaftigkeit. Anfang September gab Putins „Bluthund“, wie er oft genannt wird, bekannt, sich zurückziehen zu wollen. Via Nachrichtendienst Telegram ließ er verlauten, einen „langen und unbefristeten Urlaub“ nehmen zu wollen. Es gab Mutmaßungen, dass dies mit seiner Unzufriedenheit über die russische Kriegsführung zusammenhing. Wenig später ruderte Kadyrow zurück, versicherte Putin mit ganzer Kraft unterstützen zu wollen. Nun, nach seiner Ernennung zum Generaloberst, teilte er mit, er sei Oberbefehlshaber Putin „unglaublich dankbar“ für die „große Wertschätzung“.

Glühender Freund des Kriegs

Tatsächlich hilft Kadyrow den russischen Invasoren mit mehreren Tausend aus Tschetschenien entsandten Soldaten, die als besonders brutal gelten und am Massaker von Butscha beteiligt gewesen sein sollen. Ende Juli kursierten auf Telegram Aufnahmen, wie ein Mann in ukrainischer Uniform kastriert und dann mit einem Kopfschuss getötet wird. Das Recherchenetzwerk „Bellingcat“ will herausgefunden haben, dass die sadistische Tat dem tschetschenischen Bataillon „Achmat“ zuzuordnen ist. Auch gab es Berichte, wonach Kadyrows Spezialeinheiten dafür vorgesehen waren, das Hauptquartier des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew auszuheben, was an der ukrainischen Abwehr scheiterte.

Kadyrow, der für seinen brutalen Führungsstil im muslimisch geprägten Tschetschenien bekannt ist, tat sich seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine als glühender Kriegsbefürworter hervor. Mehrfach kritisierte er nach russischen Niederlagen die militärische Führung scharf und forderte weitreichende Konsequenzen.

So erklärte er am 11. September nach dem Rückzug der Russen aus der ukrainischen Region Charkiv, die russische Militärführung habe Fehler gemacht und „ich glaube, sie werden die notwendigen Schlüsse ziehen“. Als die Russen am 1. Oktober im Kampf um die Stadt Lyman in der Ostukraine eine Niederlage erlitten, forderte Kadyrow, den verantwortlichen Generaloberst Alexander Lapin abzusetzen, zu degradieren und an die Front zu schicken. Die US-Denkfabrik Institute for the Study of War ( ISW ) sieht denn auch einen Zusammenhang zwischen Kadyrows kritischen Äußerungen und seiner Beförderung: Putins Entscheidung könnte dazu dienen, sich Kadyrows Unterstützung und der tschetschenischen Streitkräften zu versichern und gleichzeitig das russische Verteidigungsministerium um Minister Sergej Schoigu zurückzudrängen.

Kadyrows neuer Rang könnte ein Zeichen dafür sein, dass Putin bereit ist, Forderungen der radikalen rechten Nationalisten auf Kosten des konventionellen militärischen Establishments nachzugeben. Beim Nachrichtendienst Twitter kursieren Aufnahmen, die die Verhaftung von Alexei Slobodenyuk in Moskau zeigen, der für die Patriot-Mediengruppe von Oligarch Jewgeni Prigoschin arbeitet, dem Finanzier der berüchtigten Privatarmee „Wagner-Gruppe“.

Slobodenjuk wurde angeblich wegen Betrugsvorwürfen festgenommen, aber auch er hatte massive Kritik an der Militärführung und an hochrangigen Staatsbeamten geübt. „Seine Inhaftierung deutet darauf hin, dass der Kreml versucht, Grenzen zu setzen, bis zu denen Kritik erlaubt ist“, schreiben die ISW-Analysten. Politische Beobachter halten es auch für möglich, dass Prigoschin in der offiziellen Hierarchie aufsteigen und womöglich Putin beerben will. Offenbar laufen Planspiele, wie es nach Putin weitergehen könnte.

Kadyrow hatte nach Niederlagen von russischen Einheiten gefordert, den Einsatz von Atomwaffen mit geringer Reichweite in Betracht zu ziehen und angekündigt, seine minderjährigen Söhne Achmat, Selimchan und Adam in den Krieg zu schicken. Unmittelbar nach seiner Ernennung zum Generaloberst kündigte Kadyrow in der Nacht zum Donnerstag die Entsendung weiterer „Spezialeinheiten“ in die Ukraine an: „Wir haben gute Jungs“, schrieb er auf Telegram.

Der 46-jährige Kadyrow, der 2007 im Zweiten Tschetschenienkrieg mit Hilfe Moskaus als Präsident an die Macht kam, ist für Putin ein Garant, dass Tschetschenien Teil der Russischen Föderation bleibt. Die Republik gilt als Rückzugsort für Kriminelle, Hort von Korruption, Personenkult und Menschenrechtsverletzungen.

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