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„Debatte verunsichert“

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Den Piks dürften sich nun mehr Jugendliche abholen.
Den Piks dürften sich nun mehr Jugendliche abholen. © epd

Das von Bund und Ländern angekündigte Impfangebot für alle Jugendlichen ab zwölf Jahren stößt auf geteiltes Echo.

Die Ankündigung der Gesundheitsminister:innen von Bund und Ländern, allen Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren ein Impfangebot zu machen, obwohl die Ständige Impfkommission (Stiko) eine generelle Impfung gegen das Coronavirus für Minderjährige nicht empfiehlt, ist teils auf große Vorbehalte gestoßen. Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbunds, sagte: „Die derzeitige Debatte über das Impfen von Kindern und Jugendlichen entgegen der Empfehlung der Stiko verunsichert die Familien.“ Diese Verunsicherung könne schnell in Misstrauen umschlagen. Für Kinder und Jugendliche brauche es unabhängig vom Impfen tragfähige Schutzkonzepte. „Kinder und Jugendliche waren so lange die Leidtragenden der Pandemie. Es wird Zeit, dass ihre Bedürfnisse Priorität bekommen.“ Sie dürften nicht unter Druck gesetzt werden. Der Fokus müsse stattdessen stärker auf impfunwilligen Erwachsenen liegen.

Auch bei Elternvertreter:innen stieß die Entscheidung auf Skepsis. Ines Weber, Vorstandsmitglied des Bundeselternrats, mahnte, die Impfung von Kindern und Jugendlichen dürfe nicht zur Bedingung für den Schulbesuch werden. „Viele Eltern stehen dem Impfangebot sehr skeptisch gegenüber, mindestens solange die Ständige Impfkommission keine Empfehlungen dafür abgibt“, sagte sie. „Es fehlen ausreichende Studien und Informationen zur Verträglichkeit und den Langzeitwirkungen der Impfungen bei Kindern und Jugendlichen.“

Trotzdem fühlten sich Eltern unter Druck gesetzt, ihre Kinder impfen zu lassen, um ihnen den Schulbesuch zu ermöglichen. Obwohl seit anderthalb Jahren über Lüftungssysteme diskutiert werde, fehlten optimale Lösungen bis heute. „Die fehlende Herdenimmunität sollte nicht durch die Impfung der unter 18-Jährigen ausgeglichen werden“, forderte Weber. Vorerst seien die 18- bis 60-Jährigen zum Impfen zu motivieren.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, begrüßte hingegen den Beschluss. „Damit werden die Chancen erhöht, Schulen länger geöffnet zu lassen und am Präsenzunterricht festzuhalten.“

Auch der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, sagte der „Rheinischen Post“, er persönlich befürworte die Corona-Impfung bei Jugendlichen. „Das Risiko von Nebenwirkungen durch die Impfung ist extrem gering, das zeigen alle Daten aus anderen Ländern.“ Fischbach forderte die Stiko zu einer zügigen Neubewertung auf. Er halte aber nichts davon, Kindern und Jugendlichen zuerst in den Impfzentren ein Impfangebot zu machen, sagte er. „Das sollten wir Kinder- und Jugendärzte machen. Wir kennen unsere Patientinnen und Patienten meist seit Jahren und können sie am besten nach ihren individuellen Bedürfnissen beraten.“

Der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens sagte dem „Spiegel“, er hoffe, dass die Kommission in den kommenden zehn Tagen eine überarbeitete Empfehlung vorlege. Eine grundsätzliche Änderung könne er aber nicht versprechen. Die Impfkommission könne nicht auf der Grundlage von Daten aus den USA entscheiden, wo die Impfung von Kindern und Jugendlichen bereits explizit empfohlen wird. Die Situation dort sei nicht vergleichbar, „jede Kommission muss das für ihr Land bewerten“, sagte Mertens. mit afp/epd

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