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Das Drama von Cutro

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Von: Dominik Straub

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Ein Kutter mit Geflüchteten zerschellt offenbar vor Kalabriens Küste

Es waren erschütternde Szenen, die sich an der Küste Kalabriens am Sonntagmorgen abspielten. Am Strand von Cutro in der Provinz Crotone lagen die Leichen von etwa dreißig Menschen, um sie herum angeschwemmte Holzplanken ihres zerschellten Fischkutters, orangefarbene Schwimmwesten und Treibgut. Unter den Toten sind auch Kinder und ein Neugeborenes. Helferinnen und Helfer des Roten Kreuzes und Polizeikräfte bargen die Leichen und trugen sie weg von der Brandung. Der örtliche Priester segnete die Toten noch am Strand.

80 Menschen gerettet

Bis Sonntagabend wurden insgesamt 45 Tote geborgen, die Zahl der Opfer liegt aber wahrscheinlich noch deutlich höher: Laut den Aussagen von Überlebenden hatten sich auf dem Boot 150 bis 180 Menschen befunden, einige von ihnen sprachen sogar von 250 Personen. Das Unglück spielte sich laut ihren Aussagen so ab: Das überladene Fischerboot war vor der kalabrischen Küste wegen der hohen Wellen und des starken Windes in Seenot geraten. Wahrscheinlich war es auf einer Klippe zerschellt oder von selber auseinander gebrochen. Möglicherweise hatte sich an Bord auch eine Explosion ereignet. 80 Menschen konnten an Land schwimmen oder wurden von Booten der italienischen Küstenwache gerettet. Die anderen wurden gestern Abend noch vermisst.

Der Fischkutter war am Mittwoch in Smirne (Türkei) in See gestochen, die Menschen an Bord stammen aus Iran, Afghanistan und Pakistan. Laut italienischen Medienberichten war das Boot am Samstagabend noch von einem Überwachungsflugzeug etwa 40 Kilometer vor der kalabrischen Küste gesichtet worden. Darauf setzte sich ein Patrouillenboot der italienischen Küstenwache in Bewegung, konnte das Boot wegen der widrigen Witterungsbedingungen aber nicht erreichen. Am frühen Sonntagmorgen hatte dann auch noch ein kalabrischer Fischer das bereits zerstörte Flüchtlingsboot gesehen; der Mann gab an, dass viele Körper im Wasser getrieben seien.

Die Zahl der Bootsflüchtlinge ist in Italien in diesem Jahr deutlich in die Höhe geschnellt: Bis Ende letzter Woche sind laut Angaben des Innenministeriums bereits 13 000 Geflüchtete auf dem Seeweg an Land gekommen – mehr als doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Der größte Teil von ihnen wählt die zentrale Mittelmeer-Route von der Küste Libyens oder Tunesiens nach Lampedusa und Sizilien. In den letzten Monaten registrierte man aber auch in Kalabrien und Apulien eine Zunahme der Bootsflüchtlinge. Die auf dem süditalienischen Festland ankommenden Migrant:innen beginnen – wie auch im Fall der gestrigen Tragödie – ihre lebensgefährliche Überfahrt jeweils in der Türkei.

Kampf gegen die Schlepper

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat am Sonntag ihren Schmerz über das Unglück zum Ausdruck gebracht, hielt aber auch fest, dass die Schlepperbanden für solche Tragödien verantwortlich seien. Die Regierung werde weiterhin versuchen, diese Überfahrten zu verhindern und dabei auch auf die „maximale Mitarbeit“ jener Länder pochen, in denen die Boote ablegten. Die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ dagegen machte die italienischen Behörden für das Drama mitverantwortlich, weil die Rettungsaktionen der privaten Hilfsorganisationen durch die Rechtsregierung in Rom stark behindert würden. Unter anderem würden den NGO-Schiffen nun weit im Norden liegende Häfen zugewiesen, wo sie die geretteten Geflüchteten an Land bringen dürfen. Damit wolle die Regierung die ungeliebten privaten Rettungsorganisationen möglichst viele Tage von ihren Einsatzorten im südlichen Mittelmeer fernhalten.

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