Besuch von der Verbrenner-Fraktion in Brüssel
Die nach Wahlschlappen gebeutelte FDP setzt sich anscheinend als neue Autopartei gegen den Green Deal durch
Verwunderung, Gereiztheit und Ärger machen sich in Brüssel breit. „Erpressung“, hört man es raunen auf den Fluren der EU-Kommission, Methoden wie von Viktor Orbán. Adressatin dieser Wut ist die FDP.
So hat die Ankündigung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing, gegen das im Grundsatz bereits vereinbarte Verbrenner-Aus zu stimmen, die Brüsseler Diplomatie kalt erwischt. Die Freidemokraten wollen zugesichert wissen, dass auch nach 2035 Verbrenner-Neuwagen zugelassen werden können, die nur noch mit E-Fuels betankt werden können. War zwar eigentlich geregelt, aber nun befürchtet die FDP offenbar, dass der zuständige EU-Kommissar Frans Timmermans dieser Vereinbarung nach dem Beschluss nicht nachkommt. Also wollen sie den konkreten Vorschlag jetzt sehen.
Der Chef der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, wirft der FDP vor, die vergangenen Monate „verschlafen“ zu haben. „Hätte sie sich früher für den Verbrenner starkgemacht, wäre die Situation nicht so verfahren, wie sie jetzt ist“, sagt der CSU-Vize und Verbotsgegner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Die FDP und ihr Parteichef Lindner haben über die Bundesregierung in den EU-Verhandlungen nichts erreicht und produzieren jetzt in letzter Minute einen großen Schaden. Die Ampel läuft Gefahr, in der EU jede Glaubwürdigkeit als seriöser Verhandlungspartner zu verspielen“, warnt er.
Auch in Berlin sorgt die Ankündigung der FDP für Ärger. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) schwant ein Vertrauensverlust in Brüssel: „Deutschland sollte im Kreis der EU-Partner ein verlässlicher Partner bleiben.“ Die Grünen fühlen sich nicht nur überrumpelt, sondern befürchten auch, dass die Drohung der FDP eine Kettenreaktion auslösen könnte. Wenn die EU-Kommission vor der FDP einknickte, könnten auch andere Länder Forderungen erheben.
Und tatsächlich haben sich bereits Italien, Polen und Bulgarien formiert, um mehr oder minder offen gegen das Verbrenner-Aus zu opponieren. Die nötige qualifizierte Mehrheit im Rat der EU-Staaten für den alten Vorschlag ist wahrscheinlich nicht mehr zu erreichen.
Scholz steht zu Wissing
Die Angst in grün-geführten Ministerien ist groß, dass nicht nur das Verbrenner-Aus, sondern am Ende der ganze EU-Klimapaket auf der Kippe steht. Denn das Verbrenner-Aus ist essenzieller Teil des „Fit for 55“-Pakets – der Plan, wie Europa klimaneutral werden soll. Frankreich hat nun Deutschland bereits öffentlich zum Einlenken aufgerufen. Und Spaniens Vize-Regierungschefin Teresa Ribera warnt, dass andere Länder bei anderen Themen ein ähnliche Manöver versuchen könnten.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) derweil scheint der Frieden mit der FDP wichtiger als der mit der EU. Anfang der Woche stellte der Sozialdemokrat sich hinter den Verkehrsminister – auch er sieht die EU-Kommission am Zug.
Dem Vernehmen nach wird die EU-Kommission einen Vorschlag machen, wie Verbrennungsmotoren auch über 2035 hinaus in Neuwagen verbaut werden dürfen. Unklar ist allerdings noch, wann die Kommission entscheidet und wie umfangreich die Änderungen im Gesetz ausfallen. Die Kommission wollte sich dazu bislang nicht äußern. Man arbeite an der Sache, hieß es lediglich.