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„Artenvielfalt in Gefahr“

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Von: Alisha Mendgen

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Ein Landwirt bereitet seine Maschine für die Aussaat von Getreide vor. imago images
Ein Landwirt bereitet seine Maschine für die Aussaat von Getreide vor. imago images © imago images/MiS

Eigentlich sollten 2023 einige landwirtschaftliche Flächen stillgelegt werden. Die EU-Kommission ermöglicht eine Aussetzung, weil die globale Ernährungssicherheit bedroht ist. Für Grünen-Umweltpolitiker Gesenhues ist das ein „Schlag ins Kontor des Naturschutzes“. Doch nun will auch Agrarminister Özdemir den EU-Vorschlag umsetzen.

Der Grünen-Umweltpolitiker Jan-Niclas Gesenhues hat statt einer Aussetzung der Stilllegung landwirtschaftlicher Flächen die Reduzierung von Getreide in der Futterversorgung und ein Ende des Biospriteinsatzes gefordert. „Die wenigen Rückzugsflächen für die Artenvielfalt dürfen nicht auch noch in die intensive Bewirtschaftung kommen. Deswegen müssen wir an den Stilllegungen festhalten“, sagte der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

„60 Prozent der Getreideernte landet in der Futterversorgung für die Fleischproduktion. Das muss dringend reduziert werden“, verlangte er. „Hinzu kommt, dass fünf Prozent der Ackerfläche in Deutschland im Tank landen. Der Einsatz von Agrokraftstoffen muss schnellstmöglich beendet werden.“

Das Argument, man könne durch Produktion auf Brachflächen das Ernährungsproblem auf der Welt wirklich lindern, sei falsch. Gesenhues sieht keinen Lebensmittelmangel, sondern ein Verteilungsproblem: „Weltweit stehen eigentlich ausreichend Nahrungsmittel zur Verfügung, aber wir haben ein massives Verteilungsproblem“, kritisierte er. Eine Aussetzung der Stilllegungen wäre „ein weiterer Schlag ins Kontor des Naturschutzes“.

Die EU-Kommission hatte als Reaktion auf drohende Lebensmittelengpässe infolge des Ukrainekriegs vorgeschlagen, für ein Jahr Ausnahmen von der geplanten Stilllegung von vier Prozent der Ackerfläche zu machen. Die Umsetzung liegt bei den Mitgliedstaaten. Eigentlich war geplant, Flächen aus der Produktion zu nehmen, um die Umwelt zu schützen. Die Agrarminister von Bund und Ländern konnten zum EU-Vorschlag lange keinen Konsens finden, auch weil Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) die Aussetzung kritisch sah. Nun hat er aber einen Umsetzungsvorschlag gemacht, der ein Aussetzen von Fruchtwechsel und Flächenstilllegung vorsieht.

Nach Ministeriumsangaben soll die erstmalige verpflichtende Flächenstilllegung im kommenden Jahr einmalig ausgesetzt werden. Stattdessen solle weiter ein landwirtschaftlicher Anbau möglich sein, „allerdings im Sinne der Ziele des Kommissionsvorschlags eingeschränkt auf die Produktion von Nahrungsmitteln, daher auf die Kulturen Getreide (ohne Mais), Sonnenblumen und Hülsenfrüchte (ohne Soja)“, hieß es. Das gelte nur für die Flächen, die nicht bereits 2021 und 2022 als brachliegendes Ackerland ausgewiesen gewesen seien. Zudem ist die EU den Angaben zufolge Özdemirs Vorschlag gefolgt und lässt eine Ausnahme beim Fruchtfolgenwechsel zu. Die entsprechende Regelung werde 2023 einmalig ausgesetzt. Damit könnten Landwirte in Deutschland auf etwa 380 000 Hektar ausnahmsweise Weizen nach Weizen anbauen.

Umweltpolitiker Gesenhues ist besorgt, dass die Artenvielfalt wegen der Aussetzung in Gefahr ist. „Der Anteil an Brachflächen in Deutschland lag noch in den 1990er Jahren bei über zwölf Prozent der Ackerfläche, jetzt sind wir nur noch bei etwas mehr als drei Prozent“, sagte er. „Kein Wunder, dass Insekten- und Vogelbestände auf unseren Äckern im freien Fall sind. Deutschland muss die letzten Rückzugsräume der Artenvielfalt schützen.“

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