1. Startseite
  2. Hessen

„Sehr unglücklich und irritierend“: Ehemalige Präsidentin des Landeskriminalamtes sagt im Hanau-Ausschuss aus

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Yağmur Ekim Çay, Gregor Haschnik

Kommentare

Am Montag ging es im Hanau-Ausschuss auch um einen mutmaßlichen Einmischungsversuch des Landespolizeipräsidiums.
Am Freitag geht es im Hanau-Ausschuss auch um die Themen „Notruf“, „Einsatz in der Tatnacht“ und „Umgang mit Überlebenden und Angehörigen“. © Renate Hoyer

Aussagen der früheren Chefin des LKAs stützen den Verdacht auf ein Fehlverhalten der hessischen Polizeiführung bei Ermittlungen zum Anschlag von Hanau. Alle Entwicklungen.

Update vom Freitag, 5. Mai, 20:42 Uhr: Die Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Anschlag von Hanau tagt nach einer Frage an den früheren Polizeipräsident des Präsidiums Südosthessen, Heinrich Bernhardt, zum Polizeieinsatz an dem Anschlagabend in nichtöffentlicher Sitzung weiter. Der 78-Jähriger hatte davor in dem öffentlichen Teil den Polizeieinsatz in Hanau kritisiert.

Update vom Freitag, 5. Mai, 19:55: Im Untersuchungsausschuss zum rassistischen Anschlag von Hanau sagte Tobias Singelnstein, Professor für Strafrecht und Kriminologie am Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main, als Sachverständiger aus. Wichtig für die Aufarbeitung seien Punkte wie Polizeiarbeit in einer post-migrantischen Gesellschaft, der Umgang mit den Opfern der Tatnacht und danach sowie die Frage der Fehlerkultur in der Polizeiarbeit. Vor allem erstere müsse neu überdacht werden.

Die Beispiele, dass es nach der Tat nur christliche und keine muslimische Seelsorge gab, dass Überlebende und Angehörige nach ihrem Ausweis gefragt worden sind, zeige, wie unvorbereitet die Polizei ist. Die Überlebende haben sich wie Opfer zweiter Klasse und wie potenzielle Täter gefühlt. Man müsse sich fragen, wenn der Anschlag in einer bürgerlichen Ecke geschehen wäre, und nicht in einem migrantischen Viertel, ob die Polizei dann auch zuerst nach einem Ausweis gefragt hätte

Die Polizei tue sich schwer damit, Fehler zuzugeben und sie aufzuarbeiten. Beispiel dafür sei auch das Thema Notruf. „Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler, aber es gibt Wege, mit diesen Fehlern umzugehen“, so Singelnstein. Bei der Polizei gebe es wenig Raum, um mit Fehlern umzugehen und sie aufzuarbeiten.

Update vom Freitag, 5. Mai, 18:35: Im Hanau-Ausschuss sagte am späteren Abend auch Bundestagsabgeordneter (CDU) und ehemaliger Staatssekretär im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport Stefan Heck aus. Zu den Missständen beim Notruf könne er sich nicht erinnern, dass es vor dem Anschlag ein Thema war. „Es ist erst nach dem Anschlag ein Thema geworden, erst danach haben wir uns damit befasst, vorher aber nicht“, so Heck. Das Thema sei auch beim Bau des neuen Polizeipräsidiums in Offenbach nie speziell angesprochen worden.

Er habe während seiner Amtszeit bis Januar 2022 nichts über die Einmischungsversuche durch das Landespolizeipräsidium gehört. „Ich kann mich nicht erinnern, dass Frau Thurau mich darauf angesprochen hat“, sagte der ehemalige Staatssekretär. Die Situation sei ihm nie gemeldet worden, auch der damalige Polizeipräsident Ullmann habe ihn nicht darüber informiert. Dazu erinnert er daran, dass das Landespolizeipräsidium eine von acht Abteilungen im Hessischen Innenministerium ist und der Vorgesetzte immer des Landespolizeipräsident ist. Es besteht keine Informationspflicht zwischen den Behörden. Der könne keine Aussagen dazu machen, ob er sich gewünscht hätte, darüber informiert zu werden. „Wir haben uns sehr bemüht, die an uns gerichteten Fragen zu beantworten“, so der Bundestagsabgeordnete.

Der Hanau-Ausschuss tagt aktuell weiter mit den Aussagen von Prof. Dr. Tobias Singelnstein, Professor für Strafrecht und Kriminologie am Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main, sowie vom früheren Polizeipräsident des Präsidiums Südosthessen, Heinrich Bernhardt.

Update vom Freitag, 5. Mai, 17:30 Uhr: Als dritte Zeugin sagte im hessischen Ausschuss am Freitagnachmittag die frühere Präsidentin des Landeskriminalamts, Sabine Thurau, weiter zum Thema der versuchten Einflussnahme durch das Landespolizeipräsidium (LPP) auf die internen Ermittlungen des Landeskriminalamts (LKA) zum Notruf aus. „Das ist sehr ungewöhnlich, dass das LPP Wert darauf legt, Zeugen selbst zu laden und zu vernehmen. Ich kann es aus meinem juristischen Sachstand nicht nachvollziehen“, sagte die frühere Präsidentin. Die Situation sei für sie „sehr unglücklich und irritierend“ gewesen. Sie habe auch den früheren Präsident des Polizeipräsidiums Südosthessen, Roland Ullmann, „relativ früh“ darüber informiert, da es ein „unprofessionelles Umgehen“ im Falle eines Ermittlungsverfahren sei und sie ein solches Vorgehen nicht kenne. Die Zusammenarbeit mit dem LPP sei immer kritisch gewesen, wenn es Medienaufmerksam gab, so wie es beim NSU 2.0 oder dem Mord an Walter Lübcke der Fall war. „In Verfahren, die für die Öffentlichkeit nicht sehr interessant sind, sind wir ein bisschen entspannter“, so Thurau.

Update vom Freitag, 5. Mai, 15:15 Uhr: Als zweite Zeugin sagte vor dem Hanau-Untersuchungsausschuss eine Beschäftigte des Landespolizeipräsidiums (LPP) aus. Ihr hatte im November eine weitere Zeugin, die in der Einheit Amtsdelikte/Interne Ermittlungen beim Landeskriminalamt (LKA) ermittelt, einem offensichtlichen Einmischungsversuch vorgeworfen. Die Ermittlerin habe im Jahr 2021 einen Anruf im laufenden Prüfverfahren von der LPP Mitarbeiterin bekommen, und sei aktiv nach der Beteiligung an Zeugenermittlungen gefragt worden. Daraufhin fertigte die LKA-Beamtin einen entsprechenden Vermerk und informierte die damalige LKA-Präsidentin Sabine Thurau über den Vorgang. Vor dem Anruf hatte Thurau die Zeugin aus dem LPP in einem angemessenen Umfang über den Verfahrensstand informiert.

Die Brisanz resultiert vor allem daraus, dass Vorgesetzte der Anruferin für die Versäumnisse beim Notruf mitverantwortlich waren: Roland Ullmann, einst Präsident des Polizeipräsidiums Südosthessen und später Landespolizeichef, sowie Hans Günter Knapp, Inspekteur der hessischen Polizei und einst auch Leiter der Polizeidirektion Main-Kinzig. Beide sind mittlerweile in den Ruhestand gegangen.

Die LPP Mitarbeiterin könne sich zwar an das Telefonat erinnern, aber nicht an die „konkreten Details“. Sie wies auch den Vorwurf zurück, sie habe mehr über die Vorermittlungen zu den Notruf Problemen in der Tatnacht herausfinden und Einfluss auf das Verfahren nehmen wollen.  Sie habe nur angerufen, um für den Innenausschuss und parlamentarische Anfragen mehr zu erfahren, auch dazu, wie lange die Zeugenvernehmungen des LKA in etwa dauern würden. 

Update vom Freitag, 5. Mai, 13.15 Uhr: Als Sachverständige hat Heike Kleffner, die Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, den Umgang mit den Überlebenden und Hinterbliebenen kritisiert. Es habe unter anderem Versäumnisse bei der Kommunikation von Polizei und Justiz gegeben, die Betroffenen des rassistischen Terroranschlags seien bei vielen Aspekten im Unklaren gelassen worden. Das wiege auch deshalb schwer, weil „umfassende Information der Schlüssel zur Möglichkeit sind, auch schwere und traumatische Erlebnisse zu verarbeiten“, so Kleffner.

Würden Betroffene nicht informiert, blieben sie in einem Zwischenstadium. Darüber hinaus warteten sie weiterhin auf eine Entschuldigung, etwa von der hessischen Polizeiführung. Kleffner verwies zudem darauf, dass bei einem Teil der Angehörigen und Überlebenden die Verfahren zur – ohnehin geringen – Opferentschädigung noch immer nicht abgeschlossen seien, was zu finanziellen Schwierigkeiten führe.

Die heutige Ausschusssitzung hat aufgrund einer nicht-öffentlichen internen Sitzung mit Verzögerung begonnen. 

Hanau-Ausschuss: Der frühere Polizeipräsident sagt aus

Erstmeldung vom Freitag, 5. Mai, 10.07 Uhr: Wiesbaden - Im Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags zum rassistischen Anschlag von Hanau steht bei der Sitzung an diesem Freitag (9.30 Uhr) unter anderem der Polizeinotruf am Tatabend im Fokus. Hinterbliebene werfen den Behörden vor, der Hanauer Notruf sei zur fraglichen Zeit überlastet gewesen. Hierzu sollen unter anderem ab 11 Uhr die frühere Präsidentin des Landeskriminalamts, Sabine Thurau, sowie ein früherer Staatssekretär im hessischen Innenministerium gehört werden.

Um 15:00 Uhr wird als Sachverständiger Prof. Dr. Tobias Singelnstein, Professor für Strafrecht und Kriminologie am Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main, und um 16:30 Uhr der frühere Polizeipräsident des Präsidiums Südosthessen, Heinrich Bernhardt, zu den Themen „Notruf“, „Einsatz in der Tatnacht“ und „Umgang mit Überlebenden und Angehörigen“ befragt werden. Um 17:30 Uhr ist ein Polizeibeamter zu den Themen „Bewertung Abläufe, Strukturen, Versäumnisse“ und „Veränderungsbedarf“ als Zeuge geladen.

„Wir fordern euch alle auf, die letzten drei Sitzungen im Landtag teilzunehmen und nochmal so viel wie möglich Öffentlichkeit herzustellen“, so die Initiative 19. Februar. Das Ende des Untersuchungsausschusses bedeute nicht das Ende des Kampfes um lückenlose Aufklärung. (yec/gha mit dpa)

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion