Zurück in die Kindheit

In der Kreativwerkstatt des Vereins Infrau setzten sich 22 Frauen gestalterisch mit ihrer Vergangenheit auseinander.
Für Giuseppina Potentino ist die Kunst eine Chance spielerisch mit der Wirklichkeit und der Erinnerung umzugehen, wie ihn die meisten Menschen nur aus der Kindheit kennen. „Als Erwachsene sind wir viel beschäftigt, mit Arbeit, den Kindern und der Familie. Wir haben wenig Möglichkeiten uns mit dem Erlebten auseinanderzusetzen.“ Potentino gehört zu 22 Frauen, die im Rahmen der Schreib-, Theater- und Kunstwerkstätten beim Verein „Infrau“ den Raum gefunden haben, sich gestalterisch mit Kindheit auseinanderzusetzen.
Die Ergebnisse haben sie bei der Soiree „Es war einmal. 22 Blicke auf Kindheiten“ präsentiert. Sie sind so vielfältig wie die Frauen selbst: 12 Staatsangehörigkeiten, darunter ledige, verheiratete, geschiedene, alleinerziehende, berufstätige, arbeitsuchende, Hausfrauen, Mütter, Großmütter und Rentnerinnen im Alter von 20 bis 60 Jahren.
Potentino selbst hat sich für eine plastische Arbeit entschieden. Sie hat Nylonstrümpfe über ein Stück Draht gespannt und so eine Form geschaffen, die wie die Erinnerung selbst beweglich und offen bleibt. Erst mit dem Auftragen und Trocknen von Acrylfarbe, fügt sich die Plastik in eine feste Form, ebenso wie die Erinnerung wenn wir ihr in Gesprächen und Erzählungen eine Gestalt geben. „Wir alle erleben unsere Kindheit unterschiedlich. Wir machen unterschiedliche Erfahrungen. Manche davon sind hart, andere glücklich“, erzählt Potentino. Die Vernissage in den Räumen von Infrau in der Höhenstraße, ist eine Möglichkeit, sich diese Erinnerungen anzueignen, sie zu verarbeiten und gestärkt in das Alltagsleben zurückzukehren.
„Als Verein sind die Kreativwerkstätten Teil unseres kulturellen Bildungsangebotes“, erklärt Marlene König vom Verein Infrau. Das Angebot richtet sich an Frauen, Mädchen und Seniorinnen verschiedener Hintergründe. Neben Sprachkursen bietet der Verein auch Angebote zur beruflichen Qualifizierung, Hausaufgabenbetreuung, eine migrationsrechtliche Beratung, und ein Mutter-Kind-Café. „Einige der Künstlerinnen sind in unseren Kursen auf die Kreativwerkstätten aufmerksam geworden, andere durch Mundpropaganda“, berichtet König.
Begleitet wurden die Frauen während ihrer Arbeit von Claudia Maier-Höfer, Erziehungswissenschaftlerin und Professorin für Kindheitswissenschaften der Evangelischen Hochschule Darmstadt. Neben den plastischen Arbeiten aus der Kunstwerkstatt werden auch die Arbeiten aus der Schreib- und Theaterwerkstatt in einer Lesung präsentiert. Hier erfahren die Besucher auch, wie sich die klassischen Märchen wie „Rotkäppchen“, „Hänsel und Gretel“ oder „Pinocchio“ anders entwickeln können, wenn sich die Figuren begegnen und die Abenteuer und Kämpfe gemeinsam austragen.
Die nächste Themenrunde in den Kreativwerkstätten beginnt im März. Das Thema soll Hausarbeit, Erziehung und Pflege sein. „Wichtige und meist unbezahlte Arbeit“, sagt Marlene König.