Zoo-Künstler Weber: Sein bekanntestes Werk ist Markenzeichen vom Zoo Frankfurt

Wolfgang Weber ist als Künstler im Zoo Frankfurt und auf der ganzen Welt geschätzt. Jetzt hat er ein reich bebildertes Buch über seine Abenteuer gestaltet.
Frankfurt – Tiger streifen übers Grasland, ein Elch läuft durch den Birkenwald in die Szenerie, und dann Wolfgang Weber, wie er zurückblickt auf seine Kindheit: Er sehe Bilder, schreibt er im ersten Satz seines überwältigend illustrierten Buches. Doch er sieht nicht nur Bilder, er denkt in Bildern, er hat so viele Bilder geschaffen und Skulpturen. Wolfgang Weber bringt seit langer Zeit den Menschen das Tierleben näher, im Zoo Frankfurt und auf der ganzen Welt.
Ein moderat verwittertes, immer noch einladendes Haus inmitten einer gar nicht so kleinen, eher überraschend üppigen Wildnis in der Stadt. Da lebt die Familie Weber seit Jahrzehnten mit unzähligen freien Vögeln, mit Hunden, Zwergmäusen – und gut 30 Jahre mit dem Maultier Hanno. Im Garten. Sie gingen sogar spazieren im Viertel, die Webers und ihr Maultier. Einmal sei ihnen dabei Marcel Reich-Ranicki über den Weg gelaufen, erzählt Wolfgang Weber. „Wofür ist der denn nütze?“, habe der prominente Literaturkritiker gefragt, herrlich, wie Weber den Tonfall imitiert. Seine Gegenfrage damals: „Wofür ist ein gutes Buch nütze?“ Da habe Reich-Ranicki gelacht und zugestimmt, beides verdiene seinen Platz.
Im Haus sind überall die Arbeiten Webers zu sehen, Aquarelle, Radierungen, Skizzen, Bronzeskulpturen. Eine kleine Elefantenherde zieht neben Kaffee und Keksen über den Tisch. Weber hat sie modelliert, dann in Aschaffenburg gießen lassen, „eine richtige Alchemistenküche ist das!“ So lief es auch einst mit Matze, dem legendären Silberrücken im Zoo Frankfurt. Die Büste des Gorillas vor dem Eingang zum Menschenaffenhaus, dem Borgori-Wald, ist Webers wohl bekannteste Arbeit.

Zoo Frankfurt: Zuhause beim Tierkünstler Wolfgang Weber
Aber er hat auch den neuen Eingang des Tierparks mitgestaltet, und sein Logo der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) ist überall ein Begriff, ob in Peru, auf Sumatra oder in der Serengeti. Einmal sei er gefragt worden, ob er den Gorilla der ZGF nicht ein wenig freundlicher machen könne, erzählt Weber im Zoo-Podcast, der ihm im Dezember gleich zwei Folgen widmete. „Wenn man einem Gorilla ins Gesicht guckt, der lächelt eigentlich selten“, gab Weber zurück. Der Blick blieb, wie er war. Aber so richtig böse guckt er ja auch nicht.
Zurück zum Buch. „Als ich auf die Welt kam, gab es zwei Milliarden Menschen auf dem Globus“, schreibt der Autor, „und jetzt sind wir bei fast acht Milliarden!“ Die Überbevölkerung halte er, neben der Klimaveränderung, für ein Schlüsselproblem. Von der gegenüberliegenden Seite schaut ein Fuchs den Betrachter an. Der Blick ist klar, die Formen des Aquarells verschwimmen sanft. Die Arbeit eines erfahrenen Künstlers, der die Welt bereist hat. Immense Vielfalt steckt im Buch: Wale, Delfine, Panther, Antilopen, ein Bär, der einen Lachs fängt – alles festgehalten in Webers Bildern.

„Skizzen spielen eine entscheidende Rolle“, sagt er, „die habe ich immer vor Ort gemacht.“ Stift und Papier waren in einem kleinen Rucksack, den er bei sich trug, ein Fotoapparat auch. „Aber entscheidend war, das unmittelbare Erlebnis aufs Papier zu bringen – dann setzt sich das fest.“ Und damit nicht verloren geht, was er erlebte, hat der Weltreisende nun dieses prachtvolle Buch aus eigenen Mitteln herstellen lassen.
Tierkünstler Wolfgang Weber: Erste Jahre im Zoo Frankfurt
Sogar James Stewart, der US-Filmstar, habe mal ein Bild von ihm gekauft, in einer Galerie in Nairobi, erzählt der Künstler. „Eine Graphitzeichnung über Gorillas.“ Das erfuhr er von Stewarts Tochter – die er in freier Wildbahn bei den Gorillas traf. Was für ein Leben.
Es hätte einen völlig anderen Verlauf genommen, wäre nicht ein gewisser Bernhard Grzimek im Mai 1945 von den US-Behörden zum Frankfurter Zoodirektor berufen worden, der den Tierpark vor der dauerhaften Schließung bewahrte. Das eröffnete dem jungen Wolfgang Weber die Chance, in seiner Zeit auf der Kunstschule oft im Zoo zu helfen und Gefallen an der Arbeit zu finden. Da scherzte er mit Grzimek, lieferte sich Ringkämpfe mit der Kodiakbärin Ujack – „wenn es zu wild wurde, musste man nur ,Schluss!‘ sagen, dann fing sie wieder ganz sanft an“ – und hielt Eisbär Björn eigenhändig davon ab, dem Weibchen ständig alles wegzufressen. Andere Zeiten, heute so nicht mehr denkbar.
Der Zoo habe sich verändert, sagt Weber, die Anlagen seien heute besser für die Tiere. Es gelte stets, die Haltung an die jüngsten Erkenntnisse anzupassen, aber der Tierschutz habe schon unter Grzimek die Hauptrolle gespielt. Der Mann sei in Hühnerställe eingebrochen, um Massentierhaltung anzuprangern. Und wenn jemand sagte, man solle lieber Krankenhäuser bauen als Häuser für Affen, habe Grzimek geantwortet: „Ich baue kein Haus für Affen – das ist ein Haus für die Menschen.“ Die Botschafterrolle der Tiere für ihre Artgenossen in der Natur, sagt Weber, sei letztlich auch wichtig für uns alle. Ohne Natur keine Lebensgrundlage für den Menschen.
Frankfurter Tierkünstler Wolfgang Weber: „Auf Berührungsnähe“ mit Krokodilen
Vom Zoo und von der privaten Wildnis aus startete Wolfgang Weber seine Abenteuer auf dem Globus. Fünfmal war er bei den Berggorillas. Brachte allen Mut auf, um stehenzubleiben, wenn der mächtige Silberrücken seine Scheinangriffe startete „bis direkt vor mein Gesicht“ – stehenbleiben, das sei das A und O, sonst habe man keine Chance. Einmal rannte er mit einem Kollegen durch den Wald und fiel auf einer kleinen Lichtung fast über einen riesigen Mähnenlöwen, der dort lag und an einem Gnu-Knochen knurpste. „Ich habe ihn mit der Fußspitze berührt“, sagt Weber, „ein Schreck für alle Beteiligten.“ Offenbar besonders für den Löwen, der direkt Reißaus nahm. Mit Krokodilen „auf Berührungsnähe“, eine Flusspferdkuh griff an. Es ging immer gut. „Mit Erfahrung kann man das Verhalten der Tiere lesen.“
Über sein Verhältnis zu den Tieren und zur Natur sagt der 86-Jährige: „Ich bin einfach ein Teil davon. Das hat mir Erlebnisse beschert, von denen ich als Kind geträumt habe.“ Ob er weiterhin im Zoo unterwegs ist? „Immer!“ Christina Geiger ist die siebte Person – und erste Frau – auf dem Chefposten in der Zoodirektion, die er erlebt.
Fotos von sich und Wegbegleitern zeigt Weber im letzten Teil seines lesenswerten und auch bewegenden Buches, das es bisher nur in kleiner, enorm hochwertiger Auflage gibt. Wenn ein Verlag Interesse hätte, es zu verlegen – der Frankfurter Weltenerkunder hätte gewiss nichts dagegen.
