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Frankfurt: Wohnung als Wertspeicher

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Von: Oliver Teutsch

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Viele dieser neuen Eigentumswohnungen im „Praedium“ an der Europaallee sind unbewohnt.
Viele dieser neuen Eigentumswohnungen im „Praedium“ an der Europaallee sind unbewohnt. © Oeser

Die Gründe für den Leerstand in Frankfurt sind zahlreich. Bei neu gebauten Eigentumswohnungen aber steckt Kalkül dahinter.

Es ist ein trister Anblick, der sich im Erdgeschoss der Europaallee 103 bietet. Zu sehen sind nackter Beton, unverputztes Mauerwerk und lose Kabel, die von der Decke baumeln. Viele der Ladenflächen im „Praedium“ sind verwaist, auch die Wohnungen in den Geschossen oben drüber zeugen nicht von allzu viel Leben. Vereinzelt sind Pflanzen oder Wäscheständer auf den Balkonen der 242 Eigentumswohnungen zu sehen. Die riesige Garage im Untergeschoss des Gebäudes ist an einem Freitagnachmittag gähnend leer. Das wenige Leben, das sich in dem riesigen terrassenförmigen Komplex abspielt, konzentriert sich auf den Main-Kiosk in der Ladenzeile. „Die Hälfte der Wohnungen hier steht leer“, sagt eine Mitarbeiterin.

Das moderne Gebäude mit den hochpreisigen Eigentumswohnungen hat die Nassauische Heimstätte zu verantworten. Im November 2018 hatte das mehrheitlich dem Land Hessen gehörende Wohnungsbauunternehmen verkündet, alle Wohnungen in dem Hochhaus verkauft zu haben. Die letzten 17 seien im Paket für einen zweistelligen Millionenbetrag an eine private Investorengruppe gegangen.

Sebastian Schipper, Dozent im Institut für Humangeologie an der Frankfurter Goethe-Uni, befasst sich seit Jahren mit dem Thema Wohnen. „Eigentumswohnungen funktionieren zunehmend als Wertspeicher“, sagt er. Eine vermietete Wohnung verliere deutlich an Wert. Da die Wertsteigerung einer Immobilie deutlich lukrativer ist, als Mieteinnahmen und etwaige Scherereien mit Mietern, bleiben die Wohnungen nach dem Erwerb einfach leer stehen. Frankfurt sei dabei vor allem ins Visier großer Investoren aus dem Ausland geraten. „Frankfurt ist mittlerweile ein globaler B-Standort und noch nicht so übersättigt wie New York, London oder Paris“, sagt Schipper.

Exklusive Eigentumswohnungen

Die Wohnungen im „Praedium“ hat die Immobilienvertriebsgesellschaft Mattheußer vermittelt. Das Unternehmen mit Sitz in der Goethestraße hat sich auf exklusive Eigentumswohnungen spezialisiert und auch Objekte wie Grand Tower, Eden oder Great East im Portfolio. Auf seiner Homepage bewirbt es das Wohnen in sogenannten Residential Towers als „einen unvergleichlichen internationalen Wohnluxus“. Weitere Anreize zum Kauf klingen so: „Denn nicht nur die Orange Hour lässt sich aus der Eigentumswohnung im 43. Stock bestens auskosten.“

Mattheußer-Makler Uwe Bürger ist für das „Praedium“ zuständig. „Alles Quatsch“, entgegnet er auf den Vorwurf, die Hälfte der Wohnungen stehe leer. „Die Wohnungen sind alle verkauft, aber wir haben keinen Einfluss darauf, was der Eigentümer damit macht.“ Einige der bereits 2014 verkauften Wohnungen hat Bürger „gedreht“, wie er sagt. Das heißt, die Wohnungen wurden nach etwa vier, fünf Jahren schon wieder weiterverkauft. Die Verkäufer hätten dabei „einen guten Schnapp“ gemacht, berichtet der Makler.

Bürger widerspricht der Annahme, es handele sich um institutionelle Anleger. „Das sind alles Privatleute, es gibt Leute, die haben richtig Geld.“ Das „Praedium“ sei mit seinen Vier- und Fünfzimmerwohnungen „eigentlich ein Familienwohnhaus“. Firmen und institutionelle Anleger hingegen setzten eher auf kleine Wohnungen, wie es sie im Grand Tower und im Eden gibt.

Humangeologe Schipper verdeutlicht, warum solche Luxuswohntürme gerade bei internationalen Anlegern begehrt sind: „Eine Altbauwohnung im Nordend kann ich nicht auf dem Papier kaufen.“ Ein als reine Wertanlage gedachter Erstbezug hingegen ist möglich. Viele Wohnungen, die in den exklusiven Wohngegenden Frankfurts wie dem Westend entstehen, sind allerdings so teuer, dass sie über Mieteinnahmen gar nicht mehr refinanzierbar sind. Sie bleiben daher gleich ganz leer und dienen eben als Wertspeicher oder Abschreibeobjekt.  

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