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„Wir werden als Türkische Gemeinde weiter Druck machen“

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Von: Timur Tinç

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Das Spendenlager der „Erdbebenhilfe Rhein Main“ im Industriepark Griesheim ist voller Hilfsgüter.
Das Spendenlager der „Erdbebenhilfe Rhein Main“ im Industriepark Griesheim ist voller Hilfsgüter. © Rolf Oeser

Atila Karabörklü, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Hessen über die hohen Hürden zur Einreise von Betroffenen aus der Erdbebenregion sowie Möglichkeiten Hilfe zu leisten

Herr Karabörklü, gibt es in ihrem Bekanntenkreis jemand, der Menschen aus dem betroffenen Erdbebengebiet in der Türkei mit Visa herbringen konnte?

In meinem persönlichen nicht. Mir ist ein Fall von jemanden aus Taunusstein bekannt, der einen Verwandten herbringen will und für ihn bürgt. Aber es heißt von den Behörden, dass sein Einkommen nicht ausreicht, weil er Frührentner ist. Und die Mitarbeitenden in der Behörde konnten ihm nicht weiterhelfen, was dafür spricht, dass die Informationen nicht weitergeben werden.

Die von der Politik beschlossenen Visa-Erleichterungen wurden mehrfach kritisiert. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hindernisse?

Das größte Problem ist, dass viele Unterlagen wie Pässe, Krankenversicherung und ein Visum verlangt wird. Bei den Geflüchteten aus der Ukraine hat man mit einem sehr humanistischen Ansatz die bürokratischen Hürden aus dem Weg geräumt. Das war auch genau richtig.

Was fordern Sie von der Politik?

Die Politik muss die vorhandenen Hürden aus dem Weg räumen. Außerdem muss es Bekannten und Freunden möglich sein, Menschen aus der Türkei nach Deutschland zu holen und nicht nur Verwandte des ersten und zweiten Grades. Die türkischstämmigen Menschen sind bereit, für ihre Verwandten zu bürgen und es stellt für den Staat überhaupt keine finanzielle Belastung dar. Wir werden als Türkische Gemeinde weiter Druck machen.

Welchen Einfluss hat das Erdbeben auf Ihren Tag?

Zur Person

Atila Karabörklü , 54, ist Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Hessen. Zuammen mit dem Landtagsabgeordneten Turgut Yüksel (SPD), dem Leiter des Türkischen Filmfestivals Frankfurt Hüseyin Sitki und KAV-Mitglied Hüseyin Kurt, organisiert Karabörklü die Erdbebenhilfe Rhein-Main. Tim/FOTO:rolf oeser

Es nimmt mittlerweile einen Großteil meines Tages ein. Es ist eine Notsituation und wichtig, dass den Menschen jetzt sofort geholfen wird. Ich verspüre eine Verantwortung. Ich kann abends nicht mein Handy zur Seite legen. Mein Gewissen lässt mich nicht los.

Sie sind ein Teil der Erdbebenhilfe Rhein-Main, die ein großes Spendenlager im Industriepark Griesheim hat. Wie groß ist die Hilfsbereitschaft noch nach vier Wochen?

Die ist immer noch sehr hoch. Wir mussten die Hilfe etwas bremsen, da wir es logistisch nicht schaffen alles umgehend in die Türkei zu schicken. Wir finden keine Lkw. Wir haben rund 20 Lkw-Ladungen bereits verschickt. Turkish Airlines nimmt außer Zelten, Schlafsäcken und Generatoren derzeit nichts anderes mit. Am Freitag haben wir 14 Paletten medizinische Hilfsgüter erhalten. Wir sind nun in Gesprächen mit Lufthansa Cargo, um die Spenden zu verschicken.

Wie kann man noch Hilfe leisten?

Wir haben noch mindestens bis Mitte Mai das Spendenlager. Auf mittel- und langfristige Sicht werden finanzielle Hilfen wichtiger werden, denn die Sachspenden werden irgendwann alle ankommen. Es wird darum gehen, Menschen, die zum Beispiel Arme und Beine verloren haben, zu helfen. Schulen und Krankenhäuser müssen wieder aufgebaut werden. Es wird Jahre dauern bis in den betroffenen Gebieten wieder ein Stück Normalität einkehren kann.

Interview: Timur Tinç

Atila Karabörklü, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Hessen.
Atila Karabörklü, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Hessen. © Rolf Oeser

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