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"Wir sind stolz darauf, Roma zu sein"

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Von: Alicia Lindhoff

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Haben ihre Erlebnisse gefilmt: Anita Adam, Dragiza Pasara Caldaras und Letitia Vaduva (v. l.)
Haben ihre Erlebnisse gefilmt: Anita Adam, Dragiza Pasara Caldaras und Letitia Vaduva (v. l.) © Peter Jülich

Das Haus am Dom zeigt Filme, die junge Frauen über ihren Frankfurter Alltag zwischen Schule und Polizeikontrollen gedreht haben.

Was wissen Sie über Roma?“, fragt die junge Frau hinter der Kamera, immer wieder. Die Passanten auf der Zeil sind vorsichtig: „Ich denke nichts Negatives über sie“, sagt eine ältere Frau zögerlich ins Mikrofon. Manche halten sich mit einem Blick auf die Kamera zurück, andere wissen gar nichts oder geraten ins Schwärmen: Gut tanzen, singen und kochen könnten die Roma und wanderten von Land zu Land. Ein eigenes hätten sie nicht, kämen aber aus Rumänien. Na ja, und irgendwie auch aus Indien. Es geht bunt durcheinander. Nur persönliche Kontakte zu Roma, die hat kaum jemand.

So ist das oft mit den Roma: Viel wird über sie erzählt und geschrieben. Nur mit ihnen selbst spricht eigentlich niemand.

Filme über das eigene Leben

Diesmal sollte es anders laufen, dachte sich die Filmemacherin Ursula Schmidt. Sie schlug dem Förderverein Roma vor, mit einer Gruppe junger Frauen, die sich dort in einem Berufsbildungsprojekt auf ihren Hauptschulabschluss vorbereiteten, Filme über deren Leben zu drehen.

Große Begeisterung schlug ihr anfangs nicht entgegen, eher Skepsis: „Wir kannten Ursula ja nicht und konnten uns überhaupt nicht vorstellen, was sie vorhat“, sagt Dragiza, eine der Protagonistinnen. Doch schließlich rauften sich die jungen Frauen und die Filmemacherin zusammen: „Und dann hatten wir unglaublich viel Spaß.“ Ein Jahr lang haben sie sich regelmäßig getroffen; herausgekommen sind mehrere Kurzfilme, die die Frauen unter dem Titel „Le Sovora caran Filmuri“ zusammengefasst haben – „Die Mädchen machen Filme“ auf Romanes.

Vorurteile, Diskriminierung, Geldnot

Die Straßenumfrage auf der Zeil steht am Anfang und wirkt wie eine Einleitung: Das war der Blick von außen; jetzt erzählen wir euch mal, was wirklich Sache ist. In den folgenden Episoden haben die jungen Frauen Szenen und Geschichten aus ihrem Leben in Frankfurt jenseits der Klischees verarbeitet. Es geht um Schule, Praktika, die oft aussichtslos scheinende Suche nach einem Ausbildungsplatz, aber auch um die ständigen Polizeikontrollen. Mal haben sie sachlich-dokumentarisch gedreht, mal mit kichernder Lust am Schauspiel. Immer aber kreisen die Filme um einen ernsten Kern: Vorurteile, Diskriminierung, Geldnot.

Und manchmal bleibt einem das Lachen im Hals stecken – etwa dann, wenn die Mädchen in seltsamen Polizeikostümen wahllos und in barschem Ton Roma, Schwarze oder arabisch aussehende Menschen im Bahnhofsviertel nach ihren Ausweisen fragen. Die so Exponierten reagieren zum Teil trotz der absurden Inszenierung mit einer Unsicherheit, die zeigt, dass sie den deutschen Behörden alles zutrauen würden – auch dass sie 16-Jährige in zu große Uniformen stecken und losschicken, nur um sie zu schikanieren.

„Wir sind stolz, Roma zu sein!“

Ob sie mit dem Film eine Botschaft vermitteln, sich erklären wollen? Nein, sagt Dragiza bestimmt. Für sie, die mittlerweile selbst für den Förderverein arbeitet, und ihre Freundinnen bedeute ihre Herkunft kein Manko: „Wir sind stolz, Roma zu sein!“ Sie hätten die Filme in erster Linie für sich selbst gemacht und für ihre Community, sagt sie.

Und trotzdem: Eine Rolle hat der Blick von außen für die jungen Filmemacherinnen doch gespielt. In einer der Episoden etwa – „Kein Geld!“ – inszenieren sie mit Schärfe und Humor eine Gerichtsverhandlung gegen zwei junge Frauen, die mehrfach ohne Fahrschein erwischt wurden. Das Arsenal an Vorwürfen der Staatsanwältin gipfelt in der empörten Feststellung: „Wir sind hier in Deutschland, nicht in Rumänien. Hier muss man Gesetze beachten.“ Hohe Geldstrafen werden gefordert. Doch zumindest im Film bleibt das nicht unwidersprochen; der Verteidigerin haben die Filmemacherinnen ein flammendes Plädoyer zugunsten der jungen Romnija in den Mund gelegt.

Wer es hören möchte, kommt am Dienstag, 26. September, ins Haus am Dom, wo „Le Sovora caran Filmuri“ um 18.30 Uhr in Anwesenheit mehrerer Filmemacherinnen gezeigt wird.

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