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„Wir müssen die Meinung der Kinder berücksichtigen“

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Von: Steven Micksch

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In diesem Jahr gab es zum Auftakt der „Stadt für Kinder“ ein Open-Air-Konzert am Römer.
In diesem Jahr gab es zum Auftakt der „Stadt für Kinder“ ein Open-Air-Konzert am Römer. © Monika Müller

Susanne Feuerbach, Leiterin des Frankfurter Kinderbüros, sieht die Stadt in Sachen Kinderrechte auf einem guten Weg. Doch es gibt noch Bereiche, in denen die Kleinsten mehr beteiligt werden müssten.

Jedes Jahr organisiert das Frankfurter Kinderbüro im Vorfeld des Internationalen Tag des Kindes (1. Juni) die „Stadt der Kinder“. Dabei gibt es in fast allen Stadtteilen Veranstaltungen, die sich mit den Kinderrechten beschäftigen. Aus der UN-Kinderrechtskonvention ergeben sich 41 Rechte, die Minderjährige haben. Ziel der Frankfurter Kampagne ist, dass alle Kinder am Ende wissen, dass sie Rechte haben und an wen sie sich wenden können, falls sie missachtet werden.

Frau Feuerbach, werden die Kinderrechte in Deutschland ausreichend thematisiert, aber vor allem auch umgesetzt?

Nein, weil die Kinderrechte bei viel zu vielen Menschen noch vollkommen unbekannt sind. Dabei haben sie den gleichen Gesetzesrang wie zum Beispiel das Strafgesetzbuch oder die Straßenverkehrsordnung. Die Kinderrechtskonvention ist seit 1992 Bundesgesetz, aber eben nicht so bekannt wie andere Gesetze.

Wie sieht es in Hessen aus?

In Hessen ist es durch die Verfassungsänderung 2018 vollkommen klar, dass die Kinderrechte auch Aufgabe in jeder hessischen Kommune sind. Hier ist das Ganze noch mal stärker verankert. Der Staat hat die Aufgabe, die Kinderrechte bekannt zu machen. In Frankfurt machen wir das mit unserer großen Kinderrechtskampagne „Stadt der Kinder“.

Geht es dabei darum, den Kindern zu sagen, dass sie Rechte haben?

Das ist sicherlich ein Ziel, aber die Kinderrechtskonvention richtet sich aus meiner Sicht in erster Linie an Erwachsene. Sie geben die Rahmenbedingungen, in denen Entwicklung, Erziehung und Aufwachsen stattfindet. Wichtig ist, dass sie die Rechte ihrer Kinder und ihre eigenen Rechte gut kennen. Eltern haben zum Beispiel das Recht zu entscheiden, wie ihr Kind erzogen wird, solange es im Einklang mit dem gesetzlichen Rahmen ist.

Was ist mit den Kindern?

Ganz viele Erwachsene sagen: „Kinder haben Rechte und was ist mit den Pflichten?“ Dann sagen wir, das Gegenteil von Recht ist nicht Pflicht, sondern Unrecht. Aus der Konvention ergeben sich nur Pflichten für Erwachsene, nicht für Minderjährige.

Wie könnte man Kinderrechte noch bekannter machen?

Das erste wäre das Festschreiben der Kinderrechte im Grundgesetz. Denn das Grundgesetz ist die wichtigste gesetzliche Grundlage, die wir in der Bundesrepublik haben. Wenn es dort stehen würde, würde es beispielsweise auch in allen juristischen Ausbildungen, in der Rechtsprechung oder in der Verwaltungsausbildung ganz anders zum Tragen kommen.

Ist Frankfurt da bereits auf einem guten Weg?

Ja. Die Bekanntheit ist durch unsere Kampagne „Stadt der Kinder“ seit dem Start 2017 deutlich gestiegen. Viele Kinder, mit denen wir bei unseren Projekten zu tun haben, wissen dann schon, dass sie Kindergrundrechte haben. Und sie können dazu auch schon einiges berichten.

An welchen Stellen müsste noch mehr für Kinder getan werden?

Zur Person

Susanne Feuerbach ist die Leiterin des Frankfurter Kinderbüros bei der Stadt.

Die 57-Jährige steht seit Januar 2010 an der Spitze der Institution. Seit 2016 ist das Kinderbüro ein eigenständiges Amt. mic

Ein ganz großer Bereich ist die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch ökonomische Armut. Das geht einher mit Teilhabearmut und einer schwierigeren gesundheitlichen Situation, also deutlich eingeschränkteren Chancen. Die Bekämpfung von Kinderarmut ist für uns alle eine große Herausforderung.

Diese versucht auch der Bund zu lösen, Stichwort Kindergrundsicherung. Aber was kann Frankfurt machen?

Die Stadt kann bei den Übergängen der einzelnen Lebensabschnitte helfen. Beispielsweise vom Elternhaus zur Kita und dann in Schule, Ausbildung oder Studium. Es geht um Betreuungsplätze, gute Beratung und Unterstützung bei Problemen. Im öffentlichen Raum gestalten wir sichere Verkehrswege und steigern die Aufenthaltsqualität in den Quartieren, in denen die Kinder ihre Freizeit verbringen.

Nehmen wir den im Fokus stehenden Artikel 12 der Grundrechte, Beteiligung. Ist da alles klasse?

Da kann man noch sehr viel besser machen. Es gibt Bereiche, in denen es sehr gut gelungen ist. Da möchte ich den Masterplan Mobilität erwähnen, der im vergangenen Jahr mehr als 1500 Kindern und Jugendlichen die Chance gegeben hat, sich zu beteiligen. Darin ist vieles, was den jungen Menschen wichtig war, auch umgesetzt worden. In vielen anderen Bereichen gibt es allerdings einen großen Handlungsbedarf.

Welche Bereiche sind das?

Nehmen wir die Essensgestaltung in Kindergärten. Wir haben dazu eine Studie erhoben und herausgefunden, dass die Essensgestaltung sehr stark von Erwachsenen dominiert wird. Den Kindern ist nicht klar, ob und wie sie sich beteiligen können und welche Auswirkungen ihre Beteiligung letztlich hat. Beteiligen heißt nicht bestimmen. Es geht um das Zuhören, Besprechen und den Austausch von Meinungen. Das klingt profan, aber dabei sind wir wieder bei Artikel 12, der festlegt, dass Kinder und Jugendliche zu allen sie berührenden Angelegenheiten zu hören sind und ihre Meinung zu berücksichtigen ist.

Welche Auswirkungen hatte Corona auf die Einhaltung der Grundrechte?

Die Wahrung der Kinderrechte war in der Pandemie sehr schlecht. Dem Gesundheitsschutz wurde aufgrund der damaligen Einschätzungen alles untergeordnet. Es gab Kontaktbeschränkungen für Kinder und Jugendliche, obwohl sie keine Treiber der Pandemie waren. Ich glaube, es hat auch für tiefe Gräben gesorgt, dass unterschiedliche Prioritäten gesetzt wurden, etwa als die Fußballbundesliga wieder spielen durfte, während die Schulen geschlossen blieben.

Noch ein Exkurs zum Schwerpunkt Gewalt gegen Kinder. Ist dies immer noch ein großes Problem in der Gesellschaft?

Gewalt an Kindern und auch Vernachlässigung sind nach wie vor wichtige gesellschaftliche Themen. Gewalt ist auch nicht in dem Maße zurückgegangen, wie es wünschenswert wäre. Wenn man bei den Kinderrechten aber nur auf die Schutzbedürftigkeit schaut, verliert man die anderen beiden – das Recht auf Entwicklung und das Recht auf Beteiligung – aus dem Blick. Es muss dabei immer einen Dreiklang geben.

Was ist Ihnen persönlich beim Thema Kinderrechte wichtig?

Für mich ist das Ziel der Kinderrechtskonvention, ein Kindheitsbewusstsein zu erzeugen. Dass wir in dem, was wir tun, immer darüber nachdenken, welche Konsequenzen hat das für Kinder und Jugendliche. So gestalten wir Maßnahmen, die Kindern und Jugendlichen ein gutes Aufwachsen ermöglichen.

Interview: Steven Micksch

Susanne Feuerbach ist die Leiterin des Frankfurter Kinderbüros bei der Stadt.
Susanne Feuerbach ist die Leiterin des Frankfurter Kinderbüros bei der Stadt. © Renate Hoyer

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