1. Startseite
  2. Frankfurt

Historische Aufnahmen: Wie ein Fotopionier einst die Zeil in Frankfurt sah

Erstellt:

Von: Anja Laud

Kommentare

Dieses Bild machte William Henry Fox Talbot 1846 von seinem Hotelfenster aus.
Dieses Bild machte William Henry Fox Talbot 1846 von seinem Hotelfenster aus. © Institut für Stadtgeschichte

Das Institut für Stadtgeschichte kauft die älteste bekannte Aufnahme Frankfurts an. Fotopionier William Henry Fox Talbot machte sie 1846.

Frankfurt – An einem düsteren Tag im Oktober 1846 lehnte sich der englische Fotopionier William Henry Fox Talbot aus dem Fenster seines Hotelzimmers im zweiten Stock des „Russischen Hofes“, stellte seine Kamera vermutlich auf den Fenstersims und fotografierte die Zeil und die Hauptwache. Das Institut für Stadtgeschichte (ISG) hat diese älteste bekannte Aufnahme Frankfurts jetzt für seine fotografische Sammlung von einem privaten Sammler gekauft.

„Es ist großartig, dass es dem Institut für Stadtgeschichte gelungen ist, dieses wertvolle frühe Einzelstück zu erwerben und damit der Allgemeinheit zugänglich zu machen“, freute sich Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) gestern bei der Präsentation des Bildes und dankte dem Vorbesitzer herzlich. Dieser habe es dem ISG zu einem „Freundschaftspreis“ verkauft, sagte Franziska Kiermeier. Den Preis verriet die kommissarische Leiterin des Instituts, das in seinen Fotosammlungen beinahe drei Millionen Frankfurter Bilder vom 19. Jahrhundert bis heute verwahrt, nicht. Darüber sei Stillschweigen vereinbart worden. So viel gab sie preis: Wenn der Sammler das Bild bei einer Auktion angeboten hätte, hätte er mehr Geld bekommen.

Sensationeller Neuzugang im Institut für Stadtgeschichte: Ältestes bekanntes Foto aus Frankfurt

Tobias Picard, der im ISG fotografische Nachlässe und Stadtbilder vor 1943 betreut, hob den guten Zustand der fast 180 Jahre alten Fotografie hervor. „Sie ist von außergewöhnlich gutem Kontrast, sehr guter Durchzeichnung und hat eine herausragende Bedeutung für die Stadtgeschichte“, sagte er.

Talbot, ein englischer Universalgelehrter aus wohlhabender Familie, gilt neben dem Franzosen Louis-Jacques Daguerre als Erfinder der Fotografie. Er war Entdecker des Papiers als Bildträger, Kamerakonstrukteur und Autor des ersten fotografisch illustrierten Buches. Im Herbst 1846 reiste er nach Deutschland, um eine Rheinreise zu machen. Er habe Frankfurt möglicherweise besucht, weil er seinen Onkel Thomas Fox Strangways, der britischer Gesandter beim deutschen Bundestag war, sehen wollte, wie Tobias Picard sagt. Ganz sicher aber war er auch Tourist. Frankfurt war bei den Vornehmen und Reichen ein beliebtes Reiseziel. Reisebeschreibungen priesen die Stadt wegen ihrer prächtigen Bauten.

Historische Fotografie: Henry Fox Talbots Frankfurt-Foto ist bedeutendes Zeitdokument

Der „Russische Hof“, von dem aus Talbot im Oktober 1846 fotografierte, war einst da, wo sich heute das Einkaufszentrum MyZeil befindet. „Die Zeil war zu dieser Zeit noch nicht die Straße der Kaufhäuser, sondern der vornehmen Hotels und Palais', allerdings nicht auf der Südseite, dort dominierten gewöhnliche Bürgerhäuser“, erzählt Picard.

Das Bild Talbots zeigt auf der Zeil bis zur Einmündung der Liebfrauenstraße die Häuser der heutigen Hausnummern 111 bis 123. Im Hintergrund ist der Turm der Katharinenkirche zu sehen. An den Bildrand schrieb der Fotopionier: „Street at Frankfurt, Gloomy Day“, also düsteres Wetter, und die Belichtungszeit. Sie dauerte ganze 35 Minuten.

Frühe Fotografie in Frankfurt: Vortrag im Institut für Stadtgeschichte

Aufgenommen hat Talbot seine Fotografie wohl an einem Sonntag. „So wie heute auch ist die sonst quirlige Zeil in seinem Bild unbelebt“, sagt ISG-Leiterin Franziska Kiermeier. Vielleicht, so Tobias Picard, seien aufgrund der sehr langen Belichtungszeit Passant:innen von der Kamera auch nicht erfasst worden.

Wer mehr über Talbot und die frühe Fotografie in Frankfurt wissen will, sollte sich den 3. Juli, 18 Uhr, freihalten. Dann ist im ISG ein Vortrag zum Thema zu hören. Und wer sich das Bild online anschauen möchte, der kann es über das ISG in der Archivdatenbank Arcinsys einsehen. (Anja Laud)

Auch interessant

Kommentare