Wettrennen im Schneckentempo

Frankfurter Umweltamt richtet spannende Meisterschaft aus, die nicht nur Kinder begeistert
Es kursieren ja Geschichten von Riesenspinnen in Yuccapalmen. Was aber passiert, wenn man eine Kiste spanischer Artischocken öffnet? „Man findet Schnecken, behält und trainiert sie“, sagt Pia Simon. Ein gutes halbes Jahr später haben Joda und Skywalker ihren großen Auftritt. Sie werden in eine Arena gesetzt, um in rekordverdächtigem Schneckentempo an den Außenrand zu kriechen.
So gibt es im Nordpark in Bonames im wilden Klassenzimmer die zweite Hessische Schneckenweltmeisterschaft des Frankfurter Umweltamts: Dort liefern sich 56 Weinberg-, Bänder- und Schnierkelschnecken ein Rennen, angefeuert von 185 Trainer:innen samt begeistertem Publikum. Unter dem Kommando „Ready, steady, slow!“ bringt Naturlotse Frieder Leuthold die rivalisierenden Rennställe an den Start. „Joda liegt weiter vorne, doch direkt im Windschatten folgt Skywalker!“, verkündet Leuthold. Leo Simon (12) und sein Bruder Wolf (9) freuen sich: Denn ihre Trainees siegen in der ersten Vorrunde auf dem ersten und zweiten Platz mit 4,33 und 5,44 Minuten. Doch Tuptus vom Team Senckenberg gewinnt eine weitere Runde mit 4,41 Minuten und wird zur ernsthaften Herausforderung. Auch eine Nacktschnecke geht an den Start, scheinbar frei von jeglicher Last – doch chancenlos gegen die behauste Konkurrenz.
Den Schnecken geht es aber wie den Menschen: Auch sie müssen sich auf Trainingsbahnen für den Wettkampf aufwärmen. Derweil können Jung und Alt Schneckenhäuser aus Ton basteln oder unter dem Mikroskop untersuchen. Auch ein Schneckenquiz ist im Angebot, außerdem ein Spiel, in dem Kinder ein mobiles Minizelt als „Schneckenhaus“ umschnallen und einen wenige Meter kurzen Parcours auf dem Bauch kriechen können. Zwischen den Vorrunden wird derweil Batavia zum Shootingstar. Die im Vergleich doppelt so große, vier Jahre alte Achatschnecke von Sarah Cunze – Achatschnecken werden acht, Weinbergschnecken selten bis zu 30 Jahre alt – geht nicht ins Rennen, lässt sich dafür aber geduldig betrachten und befühlen. „Schnecken sind taub, mit den Sinnesorganen an den Fühlern riechen sie recht gut, sehen aber schlecht“, erklärt Cunze. Sie hat die im Nährstoffkreislauf nützlichen Weichtiere, die vielen Gartenfreunden ein Dorn im Auge sind, ins Herz geschlossen, sogar ein Buch über sie mitveröffentlicht.
Doch bei heimischen geschützten Arten wie der Weinbergschnecke hat auch die Naturschutzbehörde mitzureden: „Darum wird Dörni nach dem Rennen wieder im Garten ausgesetzt“, sagt Renate Rahl. Vor drei Wochen hat sie ihr Enkel Erik (9) gefangen und mit Flasche und Salatblättern als Belohnung trainiert. Darin liegt auch das Geheimnis, wie man die Tiere in Bewegung setzt: Um sie herum muss es feucht sein, so wie das frisch besprühte Tuch der Arena.