Angst vor Verdrängung

Mieterinnen und Mieter der Carl-von-Weinberg-Siedlung bitten den Ortsbeirat um Hilfe. Die Deutsche Wohnen will die Häuser im kommenden Jahr sanieren.
Mieterinnen und Mieter der Carl-von-Weinberg-Siedlung sind in Sorge. Sie befürchten, dass in den Häusern nördlich der Miquelallee größere Umbauten oder Sanierungen anstehen, durch die sie verdrängt werden könnten. Mehr als 100 Wohnungen stünden bereits leer, haben sie gezählt. Auch befänden sich viele der Wohnungen in einem äußerst schlechten Zustand, berichteten sie in der Sitzung des Ortsbeirats 2 am Montagabend. Nach Angaben der Deutsche Wohnen sind es knapp 50 Bleiben, die als Ausweichwohnungen für die anstehende Sanierung benötigt werden.
Mieter Werner Christof vermutet, dass das Wohnungsunternehmen gezielt einen Abriss herbeiführen wolle. In dem Haus in der Kallestraße, in dem er wohne, sei das Dach kaputt. Wasser sammele sich in den Wänden, was zu „massiver Schimmelbildung“ führe. Auch die Balkone seien seit langem schon defekt, so Christof, „das ist ein Skandal“. Die Mängel bei der Deutschen Wohnen zu melden sei schwierig, da es keine Ansprechpartner gebe, „man wird alleingelassen“.
Mieter Hans Laske, der in der Freseniusstraße wohnt, berichtet, dass viele der Häuser seit den 90er Jahren nicht mehr saniert worden seien. Immer wieder falle das Heißwasser aus, auch die Heizung funktioniere mitunter eine Woche lang nicht. Inzwischen stünden knapp 100 der 400 Wohnungen leer. Was bedauerlich sei, da etwa auf der anderen Seite der Allee die Universität liege, und viele Studierende Wohnungen suchten. Seit vergangenem Jahr häuften sich Gerüchte, dass die Siedlung umgebaut werde, auch vom Abriss sei die Rede. Viele Bewohner:innen seien verunsichert, „wir wollen wissen, was geplant ist“.
Deutsche Wohnen-Sprecher Marko Rosteck kann die Sorgen der Mieter:innen verstehen. Es tue ihm leid, dass es solange gedauert habe, bis eine Entscheidung gefällt worden sei, sagte Rosteck auf Nachfrage der FR. Demnach verzichte das Unternehmen darauf, die Häuser wie geplant aufzustocken, da es sich wirtschaftlich nicht trage. Dafür habe die Deutsche Wohnen zeitweilig bis zu 60 Wohnungen als Ausweichquartiere leer stehen lassen. Andere Pläne habe es nie gegeben, auch keinen Abriss, so der Sprecher.
Inzwischen sei eine Modernisierung vorgesehen, mit der im kommenden Frühjahr begonnen werde, so Rosteck. Für diese seien weniger Umsetzwohnungen nötig, weshalb derzeit 47 leer stünden. Über die Sanierung sollen die Mieter:innen mehr als drei Monate vor Beginn informiert werden. Sicher sei, dass die Dächer gemacht werden. Die Kosten werden zum Teil umgelegt. Die Deutsche Wohnen habe jedoch ein Mieterversprechen, demnach Bewohner:innen maximal 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete ausgeben müssten. Für Einkommensschwache könne das bedeuten, so Marko Rosteck, dass sie keine Erhöhung bekommen.
Viele Mitglieder des Ortsbeirats sicherten den Mieter:innen in der Sitzung Unterstützung zu. Geplant ist ein Termin vor Ort. „Der Ortsbeirat ist auf ihrer Seite“, sagte Martin Völker (SPD). Die Bewohner:innen sollten sich an die Stabsstelle Mieterschutz wenden, riet Axel Kaufmann (CDU). Damit es nicht zu einer Mietsteigerung komme, müsse für die Siedlung eine Milieuschutzsatzung gefordert werden, regte Hans-Jürgen Hammelmann (Linke) an. Seine Fraktionskollegin Annika Schipper sagte, der Leerstand sei ein Skandal.
Die Stadt habe keine Handhabe, um gegen Leerstand vorzugehen, sagt Mark Gellert vom Planungsdezernat. 2004 wurde das Gesetz zur Wohnraumzweckentfremdung in Hessen außer Kraft gesetzt. Dadurch könne die Kommune allenfalls darum bitten, dass der Wohnraum zeitnah belegt wird. Auch eine Erhaltungssatzung sei dafür kein Instrument. Helfen könne die Stadt dagegen, wenn Mieter:innen Mängel wie Schimmel meldeten, und der Eigentümer oder die Eigentümerin nicht aktiv werde, so Gellert. Dann könne die Bauaufsicht oder das Amt für Wohnungswesen einschreiten, allerdings nur im Einzelfall, und nicht für die ganze Siedlung.
