Wahlprüfstein Klima: Wer kann das in Frankfurt?
Die Lebensgrundlagen zu erhalten zählt zu den großen Herausforderungen, denen sich die Kandidatinnen und Kandidaten zur OB-Wahl stellen müssen.
Frankfurt – Kein Projekt mit Auswirkungen aufs Klima hat Frankfurt in der jüngeren Vergangenheit so aufgewühlt wie der Riederwaldtunnel. Eineinhalb Jahre Waldbesetzung, dramatische Szenen bei der Räumung durch die Polizei – für schwache Nerven war das nichts, was sich in der Höhe im Kampf um die Baumhäuser abspielte. Das alles, um Wald abzuholzen, der dringend fürs Klima gebraucht wird, und eine weitere Straße zu bauen, die zur Klimakrise beiträgt.
Ist das zu verstehen? Ja, aus Sicht derer, die glauben, dass die Stadt, die Gesellschaft, höhere Ziele hat als den Klimaschutz. Zu ihnen gehört die Frankfurter Klima- und Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne) bekanntermaßen nicht. Ihr geht es zuvorderst um ebendiesen Klimaschutz, und dem, bekundete sie im vorigen Mai, stehe der Ausbau der A 661 inklusive Riederwaldtunnel entgegen: Dieser Autobahnbau sei „materiell und rechtlich nicht gerechtfertigt“.
Frankfurt braucht einen Befreiungsschlag fürs Klima

Das war ein Paukenschlag – dem aber keine weitere Initiative der Stadtvorderen folgte, den Fechenheimer Wald zu retten. Heilig ruderte im Verlauf der Debatte zurück, die Offiziellen in Frankfurt haben sich mit der Verwirklichung des Uralt-Straßenprojekts abgefunden. Das ist aus rechtlicher Sicht nachvollziehbar. Aus emotionaler Sicht ist es fatal. Was fehlt, ist ein weiterer, echter Paukenschlag. Ein Frankfurter Befreiungsschlag fürs Klima.
Wahlprüfsteine
Welche Themen entscheiden die OB-Wahl am 5. März? Wir stellen die Herausforderungen und die Herangehensweise der Kandidat:innen zu acht Politikfeldern vor.
- Wahlprüfstein Klima - wer kann das in Frankfurt?
- Wahlprüfstein Verkehr - Frankfurt muss sich neu erfinden
- Wahlprüfstein Sicherheit - und deren Grenzen in Frankfurt
- Wahlprüfstein Migration/Diversität - Vielfalt kaum abgebildet
- Wahlprüfstein Wohnen: Angst vor der Verdrängung
- Wahlprüfstein Bildung: zu langsam beim Schulbau
- Wahlprüfstein Kultur - vor der Spardebatte
- Wahlprüfstein Soziales - Hilferuf der Jugendarbeit
Die Stadt soll bis 2035 klimaneutral werden, die Verwaltung möglichst bis 2030. Grundlagen dafür wurden schon vor zehn Jahren mit dem „Masterplan 100% Klimaschutz“ gelegt, an dem sich Frankfurt als eine der ersten deutschen Kommunen beteiligte. Die „Klimaallianz“ im Römer, gegründet 2019, legte dann Pläne für den Kohleausstieg aus der städtischen Energieversorgung vor, für eine kommunale CO2-Gebühr, für ein Klimareferat, das alles bündelt und das es seit Jahresbeginn nun tatsächlich gibt.
Reicht das, was bisher passiert ist? Vorreiterin bei Passivhäusern, Zuschüsse für Dachbegrünung aus dem Programm „Frankfurt frischt auf“, Baumpflanzaktionen, Wassersparappelle im Sommer: Da läuft schon einiges. Aber es entsteht auch der Eindruck, die Stadt wolle ihre Bürgerinnen und Bürger zu immer größeren Anstrengungen fürs Klima motivieren, was richtig ist, ohne dass sie jedoch selbst all ihre Hausaufgaben macht. Wo sind die vielen Solardächer? Wo sind die Stromtankstellen? Müsste Frankfurt nicht längst voll von beidem sein? Statt voll von wild auf Trottoirs herumliegenden Elektrorollern?
Wer Frankfurt in eine klimagerechte Zukunft führen will, muss mit gutem, weithin sichtbarem Beispiel vorangehen. Ein Fingerzeig sollte der Bau von energiesparenden, klimaschonenden Wohngebieten wie dem Hilgenfeld im Norden der Stadt sein: flächendeckend Solardächer, heizen mit Geothermie, Regenwassernutzung und -versickerung direkt vor Ort. Doch das Hilgenfeld ist vorerst gestoppt – weil die Baukosten momentan zu hoch seien, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
OB-Wahl in Frankfurt
FR-Online-Dossier: Wer wird Oberbürgermeister oder Oberbürgermeisterin von Frankfurt? Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden am 5. März. Stichwahl-Termin wäre der 26. März. Die FR bündelt ihre Berichterstattung mit Analysen, Porträts und aktuellen Nachrichten in einem Online-Dossier.
Mit dem exklusiven FR-Wahlhelfer können Sie einfach und interaktiv herausfinden, welche:r Kandidat:in Ihnen inhaltlich nahe steht. 25 Thesen hat die FR-Redaktion ausgesucht - die Sie selbst gewichten können.
FR-Stadtgespräch zum Nachschauen: Am Mittwoch, 8. Februar, stellten sich den Fragen des FR-Römerteams die Kandidat:innen Manuela Rottmann, Uwe Becker, Mike Josef, Daniela Mehler-Würzbach und Yanki Pürsün. Die Diskussionsrunde lässt sich im Video nachsehen.
OB-Talks: Mit dem Medienmanager Bernd Reisig (Stiftung „Helfen helfen“) lud die FR vier Kandidat:innen zu Einzelgesprächen ins SAE Institute: Uwe Becker (CDU), Manuela Rottmann (Grüne), Mike Josef (SPD) und - als Ergebnis einer Lerser:innen-Abstimmung - der Kandidat der „Partei“, Prof. Dr. Dr. Bembel, vertreten durch Katharina Tanczos. Die vier Abende im Video zum Nachschauen.
Es drängt das Problem mit dem Trinkwasser
Werden die Kosten in einem Jahr, in zwei, drei Jahren niedriger sein? Wird der Krieg in Europa dann vorbei sein oder sich – man mag gar nicht daran denken – sogar noch ausgedehnt haben? Die Familien, die sich schon neue Wohnkonzepte fürs Hilgenfeld ausgedacht haben, soziale Vorreiterinnen und Vorreiter mit zukunftsträchtigen Ideen, können nicht warten, bis alle äußeren Rahmenbedingungen sich von selbst verändert haben. Das ist ein Grundproblem unserer Zeit. Wenn sich nicht generell etwas ändert an der Art, wie wir leben, warten wir noch in zehn, zwanzig Jahren auf die sozial-ökologische Wende. Dann ist es aber längst zu spät fürs Klima.
Fest steht allerdings auch, dass Frankfurt seine Klimaprobleme nicht ohne die Region wird lösen können. Nachhaltige Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen wird sich allein auf dem Stadtgebiet nicht verwirklichen lassen. Besonders die Trinkwasserversorgung ist ein Kernpunkt, den Frankfurt so schnell wie möglich mit seinen Nachbarn im Vogelsberg und im Hessischen Ried klären muss.
Regierungen sind gefordert, Vorgaben zu machen, sonst ändert sich nichts. Keine Steinwüsten in Vorgärten zum Beispiel, Brauchwassersysteme überall. Regierungen wollen aber wiedergewählt werden. Wer ist unter diesen Voraussetzungen in der Lage, das Klima-Ruder herumzureißen, solange es die immer stärker werdende Strömung noch zulässt? Wer erklärt den Menschen am besten, dass der klimafreundliche Wohnungsbau im Hilgenfeld verschoben wird wegen der Baukosten – die klimazerstörerischen Rodungen für den Riederwaldtunnel aber nicht? Welches der beiden Bauprojekte ist dringender?
Auf solche und ähnliche Fragen wird die nächste Oberbürgermeisterin, der nächste Oberbürgermeister plausible Antworten geben müssen.
Auch wenn nicht alle Entscheidungen in den Händen der Stadtführung liegen: Die Richtung, in die es künftig für den Klimaschutz gehen soll, muss klar sein. Sonnenklar.
POSITIONEN DER KANDIDIERENDEN
Manuela Rottmann (Grüne)

Die Grünen-Kandidatin gibt als ihr oberstes Ziel an, Frankfurt bis 2035 klimaneutral zu machen. Dafür will sie die Stadt etwa zur „Schwammstadt“ weiterentwickeln, die Regenwasser auffängt und hält. Mehr Grün auf Dächern, an Fassaden, auf Plätzen und an Straßen sollen die heißer werdenden Sommer mildern. Wasserrückhalt soll künftig bei jeder Planung mitgedacht, Brauchwassernutzung ausgebaut werden.
Außerdem setzt sich Rottmann dafür ein, Frankfurt zur Modellstadt für nachhaltiges Bauen zu machen, etwa durch Sanierung statt Abriss und mehr Holzbau. Sie will mehr Stadtgrün und zur Rettung des Stadtwalds einen neuen Baum pro Einwohnerin und Einwohner. Die Menge der Lebensmittel- und Verpackungsabfälle in Frankfurt soll sich bis 2030 halbieren, und gutes Essen in Bioqualität aus der Region soll in Kitas, Schulkantinen und städtischen Freizeiteinrichtungen Standard werden.
Yanki Pürsün (FDP)

Der Kandidat der FDP hat sich vorgenommen, Beratungsangebote aller relevanten Dezernate für Klimaschutz und den Erhalt der Biodiversität in einem gemeinsamen „Beratungskatalog“ zusammenzuführen. Den Verkehr in der Stadt will er klimaschonend gestalten und Umwege für motorisierten Verkehr vermeiden; diese Schritte sollen zusätzliche Wege, Emissionen und volkswirtschaftliche Kosten reduzieren.
Ein Expertenrat, so lautet ein Plan des Freidemokraten, soll helfen, Kreislaufwirtschaft in Frankfurt zu verankern. Weitere Ziele Pürsüns: Abfälle vermeiden, Recycling verstärken, Abfallverbrennung reduzieren und alternative Quellen für Fernwärme entwickeln, etwa Abwärme von Rechenzentren und Geothermie.
Daniela Mehler-Würzbach (Linke)

Die Kandidatin der Linken sagt: Frankfurt braucht einen konsequenten sozial-ökologischen Systemwechsel. „Dafür müssen wir uns mit den Profitinteressen großer Konzerne anlegen, die die Klima-Krise maßgeblich verursachen“, kündigt sie an, „statt die einfachen Leute durch beispielsweise steigende Energiepreise zur Kasse zu bitten.“
Dass Frankfurt bis 2035 klimaneutral sein soll, müsse man „nicht nur wollen, sondern auch politisch darauf hinwirken“. Nach Mehler-Würzbachs Ansicht mit dem Ausbau erneuerbarer, insbesondere Solarenergie, und dem Ausstieg aus den fossilen Energiequellen. Brauchwassernetze müssten stärker gefördert, Flächen entsiegelt werden. Außerdem Teil ihres Programms: die „klare Absage an den geplanten Autobahnausbau rund um Frankfurt“, die Deckelung der Flugbewegungen und die Ausweitung des Nachtflugverbots.
Uwe Becker (CDU)

Der CDU-Kandidat zählt zu seinen Zielen im Hinblick auf den Klimaschutz, Frankfurt innovativ aufzustellen und „unsere Abhängigkeit von fossiler Energie zu beenden“. Becker möchte sicherstellen, dass „alle Frankfurterinnen und Frankfurter ab 2030 bezahlbare Energie nur noch aus erneuerbaren Quellen nutzen“.
Geliefert werden soll diese Energie nach den Plänen des Christdemokraten von Photovoltaik auf allen Dächern bis hin zur Nutzung von Geothermie. Auch den Anschluss Frankfurts an künftige Wasserstoffpipelines kündigt Becker in der Übersicht seiner Wahlziele an. Auch er will, dass die Mainova 2026 komplett auf klimaneutrale Energiequellen umstellt.
Mike Josef (SPD)

Der SPD-Kandidat legt einen Schwerpunkt seines Wahlprogramms auf „Klimaschutz, der innovative und zukunftssichere Arbeit schafft“. Dass die Mainova gleich ganz auf erneuerbare Energiequellen setzt, statt 2026 den Betrieb ihres Kraftwerks von Kohle auf Gas umzustellen, hält Josef für wünschenswert, falls machbar.
Aber: „Wir müssen die Energiewende schneller schaffen, auch durch kommunale Maßnahmen im Verkehr und bei den Gebäuden“, fordert er. Schottergärten, die im Sommer Hitze speichern und die Versickerung von Regenwasser behindern, will der Sozialdemokrat bekämpfen. „Die Vorgartensatzung lässt Schottergärten nicht zu und wird Stadtteil für Stadtteil kontrolliert“, kündigt Josef an. (Thomas Stillbauer)