Die Welt als Höhle

Grotte, Messerschmiede und spiritistischer Geheimsalon ? das Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm wird zu einem Maulwurfsbau. Unter dem Titel "Welcome to Caveland!" erforschen 24 internationale Künstlerinnen und Künstler aus Performance, Musik und bildender Kunst unterirdische Welten und sorgen für ein aufregendes Programm um und an Ostern.
Der spitze Kopf sitzt auf einem sehr kurzen Hals. Schaufelförmige Hände tasten sich durch unterirdische Gänge – Maulwürfe sind der Albtraum eines jeden Gärtners. Mit dem Festival „Welcome to Caveland!“ dringt das Team des Künstlerhauses Mousonturm in ihre subterrane Welten vor.
Im Mittelpunkt des Festivals steht „Die Nacht der Maulwürfe“ des Franzosen Philippe Quesne. „Die Zuschauer des Stücks sind Zoologen, die sieben Maulwürfen zuschauen, wie sie in ihrer Höhle streiten, essen, lieben und sterben“, sagt die Dramaturgin Anna Wagner. Als Nachfahren von Sisyphos rollen die Maulwürfe Gesteinsbrocken hin und her. Blind, aber beharrlich erforschen sie den Grund ihres Daseins und gestatten den Zuschauern einen Rückblick auf die menschliche Kulturrevolution.
„Der Maulwurf ist eine Metapher für ignorierte Lebensweisen. Er ist ein Underdog am Rande der Gesellschaft“, sagt Anna Wagner. Seine Höhle sei ein unsichtbarer Ort, ein „Nichtort“. Wie das Theater sei die Höhle ein Ort, der Schutz biete und zum Träumen einlade, aber auch bedrohlich wirken könne. Da der Maulwurf Einzelgänger ist, sei das Stück aber auch eine Utopie, sagt Anna Wagner: „Sieben Maulwürfe mit sieben verschiedenen Charakteren leben zusammen in einer Höhle, ohne sprechen zu können.“ Weil die Maulwürfe blind und stumm sind, spiele die Musik eine große Rolle.
„Hier im Mousonturm krempeln wir Theater um“, sagt Dramaturgin Anna Wagner. Auch in „Die Nacht der Maulwürfe“ trenne man künstlerisches Arbeiten vom klassischen Theater. Regisseur Quesne mute den sieben Darstellern dabei viel zu: „Die Maulwurf-Kostüme sind schwer und die Schauspieler sehen kaum etwas. Sie werden viel schwitzen.“
Quesne ist Intendant des Théâtre des Amandiers in Nanterre bei Paris. Ursprünglich war der Franzose Bühnenbildner. „Er denkt alle seine Stücke von Räumen aus. Es sind immer absurde Settings“, sagt Anna Wagner. In allen Stücken Quesnes stünden Außenseiter im Mittelpunkt.
Die Höhle als Bild für unser einsames Leben – man denkt wohl fast automatisch an Platons berühmtes Gleichnis. Das Sinnbild einsamen Lebens: Darum geht es auch Bruno Latour. Zusammen mit Regisseurin Frédérique Aït Touati inszeniert er die Video-Simulation „Inside“, die am 23. April erstaufgeführt wird. Für den französischen Philosophen und Wissenschaftshistoriker Latour ist die Höhle mehr als jener untergründige Ort, den die Menschheit einst verließ.
Die Höhle sei das passende Bild für unser Leben innerhalb der hauchdünnen Schicht am Rande unseres Planeten. Für uns gebe es kein Außen jenseits dieser „kritischen Zone“, in der wir existieren könnten.
Der Auftakt des Festivals ist die „Parade der Maulwürfe“. Am Tag vor der Erstaufführung von „Die Nacht der Maulwürfe“ verlassen die sieben Tiere ihr unterirdisches Refugium und ziehen durch die Straßen Frankfurts.
Die Neu-Frankfurter beginnen ihre Expedition an der Oberfläche am 8. April um 16 Uhr am Roßmarkt. Gegen 18 Uhr beziehen sie ihr Nest im Künstlerhaus Mousonturm. Von dort brechen die Maulwürfe in den folgenden Wochen zu weiteren Expeditionen auf die Bühne und in die Stadt auf.
„Mit Welcome to Caveland laden wir die Frankfurter ein, drei Wochen lang in Parallelwelten einzutauchen“, sagt Dramaturgin Anna Wagner. „Vom Mousonturm, dem ersten Hochhaus der Stadt, hinab in den Untergrund.“