„Meine Mutter sagt, dass ich die Schläge verdiene“

Weihnachten und Silvester verlaufen nicht in allen Familie harmonisch. Eine 17-jährige Frankfurterin erzählt, warum sie die Feiertage im FEM Mädchenhaus verbringt.
Frankfurt - Die Weihnachtstage hat Sara nicht zu Hause verbracht. „Es war mehr ein Überleben als ein Zusammenleben. Deswegen bin ich gegangen“, erzählt die 17-jährige Frankfurterin. Ihr Vater hatte sie bereits vor den Festtagen zusammengeschlagen. Wie so oft. Mal, weil sie erst um 22 Uhr nach Hause kam, mal weil sie abends noch mit Freunden telefonierte. Der Grund diesmal: „Ich wollte bei einer Freundin übernachten, da schlug er zu. Meine Mutter unterstützt sein Handeln statt für mich zu kämpfen. Sie sagt, dass ich die Schläge verdienen würde. Dabei mache ich doch nichts Verbotenes, sondern ich bin ein ganz normaler Teenager.“
Ihre Eltern seien sehr konservativ. „Sie sind immer noch in diesem traditionellen Mindset hängengeblieben. Sie wollen, dass ich mich anständig kleide, dass ich abends nicht rausgehe, weil ich eine Frau bin. Meine Mutter sieht es als ganz selbstverständlich an, dass Frauen vergewaltigt werden, wenn sie sich zu freizügig anziehen.“
Zuflucht im Mädhcnehaus Frankfurt: Vom Vater zusammengeschlagen
Sara ist nicht ihr echter Name. Sie sitzt an diesem Tag in der Zuflucht des FEM Mädchenhauses in Frankfurt. Um die Betroffenen zu schützen, ist die Adresse geheim, das Interview findet über Zoom statt. Neben ihr sitzt Elisa Lack, die in der Zuflucht arbeitet.
Momentan sind sieben Mädchen und ein trans* Junge in der Zuflucht des Mädchenhauses. Lack sagt: „An die Feiertage sind oft so hohe Erwartungen geknüpft, dass die Familie schön zusammenkommt und dadurch, dass die Erwartungen so hoch sind, knallt es tatsächlich häufiger.“ Weihnachten ohne die Familie zu verbringen sei für die Betroffenen sehr emotional. Das versuchten sie in der Zuflucht mit einer gemeinsamen Feier aufzufangen.
Sara erzählt: „Es war mein erstes Weihnachten, weil in meiner Familie feiern wir kein Weihnachten. Ich habe Geschenke bekommen, gemeinsam haben wir Raclette gegessen. Das war schön. Und ich konnte mich mit den anderen austauschen. Es tut gut, dass man seine Geschichte miteinander teilen kann, dass man merkt, dass man keine Ausnahme ist und sich nicht selbst die Schuld gibt, dafür, dass man geschlagen wird.“
Hilfe bei Gewalt Zuhause
Der Verein FeM Mädchen*haus Frankfurtbietet ganzheitliche Hilfe und Unterstützung für Mädchen* und junge Frauen* unter einem Dach – offener Treff, Empowerment, Beratungsstelle, mobile Beratung und Begleitung und die Zuflucht.
Ziel ist es, Mädchen zu einem selbstbestimmten, gewaltfreien Leben zu verhelfen. .
Auch zwischen den Jahren und in den Ferien ist die Beratungsstelle immer erreichbar und für Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt ansprechbar.. Die Zuflucht ist erreichbar unter der Rufnummer: (069) 51 91 71.
Über finanzielle Unterstütung in Form einer Patenschaft als „Schutzengel freut sich der Verein:.
Alle Infos: www.fem-schutzengel.de (rose)
Es ist bereits ihr zweites Mal in einer solchen Einrichtung. Seit Jahren erfahre sie Gewalt. Die Gymnastin hatte gehofft, dass die Eltern sich ändern, sei deswegen zunächst für vier Monate nach Hause zurückgekehrt.
Bis es eben wieder eskalierte. „Mein Vater interessiert sich nicht für meine Wünsche. Ich habe keine Hoffnung, dass er sich ändert. Meine Mutter meldet sich nicht mehr. Ich muss mich bei ihr melden. Ein Rollentausch: Ich frage sie, wie es ihr geht, sie fragt aber nicht, wie es mir geht.“
Mädchenhaus in Frankfurt: Auf keinen Fall zurück nach Hause
Auch dass sie bisexuell sei, könne ihre Mutter nicht akzeptieren. Als sie zum ersten Mal einen Freund hatte, habe sie sich nicht gefreut, sondern nur gesagt: „Danke, dass du den richtigen Weg gegangen bist.“ Momentan habe sie einen Freund, der sehr verständnisvoll sei. Ihre jüngere Schwester sehe die Mutter als Vorbild, das mache sie traurig. Der elfjährige Bruder sei auf ihrer Seite, aber eben noch sehr jung. Die Lehrer:innen in der Schule seien sehr einfühlsam. Ihre Noten seien schlechter geworden, weil sie sich oft wegen der schlimmen Situation zu Hause nicht gut auf den Unterricht konzentrieren könne.
Nach zu Hause zurück möchte Sara auf gar keinen Fall. Gerade ist sie gemeinsam mit der Zuflucht und dem Jugendamt auf der Suche nach einer geeigneten Wohngruppe. Die Eltern müssen ihre Einverständnis geben. In Fällen, wo das nicht klappt, lande der Fall vor Gericht. Sara hofft, dass mit der räumlichen Distanz, die Beziehung zu ihrer Mutter sich bessert. Sie hat ihr eine gemeinsame Therapie vorgeschlagen. „Ich weiß nicht, ob sie darauf eingehen wird. Es wäre schön, weil ich gerne wieder eine Beziehung zu meiner Mutter aufbauen möchte. Sie ist halt immer noch meine Mutter.“ Dieses Silvester wird Sara in der Zuflucht oder bei einer Freundin feiern.
Was sind ihre Wünsche für die Zukunft? „Mein Leben lang habe ich versucht, meine Eltern glücklich zu machen. Ich möchte anfangen, mich selbst glücklich zu machen.“ Nach dem Abi möchte sie Psychologie studieren. (Kathrin Rosendorff)
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