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Wahlprüfstein Wohnen: Angst vor der Verdrängung

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Von: Christoph Manus

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Gerade Menschen in den zentraleren Stadtteilen von Frankfurt haben Angst, sich die Mieten in der Stadt nicht mehr leisten zu können.
Gerade Menschen in den zentraleren Stadtteilen von Frankfurt haben Angst, sich die Mieten in der Stadt nicht mehr leisten zu können. © Rolf Oeser

In Frankfurt geschieht langsam mehr für bezahlbare Mieten und Mieterschutz. Verbessert hat sich die Situation für Menschen, die eine günstige Wohnung brauchen, dennoch nicht.

Auf dem Wohnungsmarkt ist viel in Bewegung. Der Ukrainekrieg hat den Bauboom jäh beendet. Erstmals seit vielen Jahren sinken in Frankfurt die Preise für Eigentumswohnungen. Doch wer nicht kräftig geerbt hat, braucht auch jetzt noch nicht länger über einen Kauf nachdenken. Nach Zahlen des Maklerhauses JLL werden derzeit im Mittel immer noch 6870 Euro pro Quadratmeter verlangt. Und die Zinsen sind kräftig gestiegen.

Für Menschen, die auf eine günstige Mietwohnung angewiesen sind, hat sich die Situation sogar drastisch verschärft. Schon in den vergangenen Jahren sind die Mieten in der Stadt stark gestiegen. Wie das Frankfurter Immobilien- und Beratungsunternehmen Immoconcept im Herbst berechnete, liegen diese im Schnitt rund 36 Prozent über dem Wert vor zehn Jahren – und sind damit fast doppelt so stark gewachsen wie die Einkommen. Die Kluft zwischen Bruttoeinkommen und Mieten ging dabei sogar immer weiter auseinander.

Trotz aller Krisen ist ein Ende dieser Entwicklung nicht in Sicht. Im Gegenteil: Maklerhäuser beobachten sogar weiter steigende Angebotsmieten. Nach Zahlen von JLL etwa werden Wohnungen in Frankfurt inzwischen im Mittel für 16,10 Euro pro Quadratmeter angeboten. Nur München ist teurer. Bei JLL erklärt man den Anstieg auch mit der Situation auf dem Markt für Eigentumswohnungen. Dass sich die Finanzierungskonditionen deutlich verschlechtert haben, treibe viele potenzielle Käufer:innen in den Mietmarkt zurück und erhöhe so die Nachfrage.

Nicht nur die steigenden Mieten bereiten vielen Tausend Menschen in Frankfurt große Schwierigkeiten. Denn nun haben die allermeisten angesichts der krass gestiegenen Preise für Gas und Strom trotz staatlicher Preisdeckel auch noch deutlich höhere Nebenkosten zu erwarten. Und beim Einkauf im Supermarkt spüren sie die enorm hohen Lebensmittelpreise.

Wahlprüfsteine

Welche Themen entscheiden die OB-Wahl am 5. März? Wir stellen die Herausforderungen und die Herangehensweise der Kandidat:innen zu acht Politikfeldern vor.

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- Wahlprüfstein Kultur - vor der Spardebatte

- Wahlprüfstein Soziales - Hilferuf der Jugendarbeit

Längst haben auch Haushalte mit überdurchschnittlichen Einkommen Probleme, in Frankfurt etwas für sie Bezahlbares zu finden und viele Menschen Angst, sich das Leben in Frankfurt nicht mehr leisten zu können. „Wenn sich nicht bald etwas ändert, werden bald nur noch Reiche in den Städten wohnen können“, warnt Gert Reeh, Vorsitzende des Mietervereins Höchster Wohnen und des Mieterbunds Hessen bereits.

Ganz neu ist diese Entwicklung nicht. Seit vielen Jahren schon werden Menschen mit wenig Geld nach und nach aus innerstädtischen Vierteln an den Stadtrand und aus Frankfurt hinaus gedrängt. Jahr für Jahr ziehen mehr Menschen aus Frankfurt ins immer noch etwas günstigere Umland als umgekehrt. Dass die Stadt an Einwohner:innen wächst, hat allein mit dem nicht versiegenden Zuzug von Menschen aus anderen deutschen Regionen und dem Ausland zusammen.

Die Frankfurter Stadtpolitik nimmt die Sorgen inzwischen durchaus ernst. Dass der Markt die Wohnraumversorgung schon regeln werde und sich die Situation von allein wieder entspanne, behaupten, anders als vor einigen Jahren, nur noch einige Wirtschaftsliberale. Gebaut wird seit Jahren kräftig. Doch was die privaten Akteur:innen aus Renditegründen besonders gern errichten, teure Eigentumswohnungen und möblierte Mikroapartments, trägt nichts zu einer Verbesserung der Situation bei.

Schon deshalb setzt die Frankfurter Stadtregierung inzwischen auf klare Vorgaben an Investoren. Schon in dem im Jahr 2020 mit den Stimmen der Koalition aus CDU, SPD und Grünen gefassten Baulandbeschluss legte sie fest, dass in neuen Baugebieten zu 30 Prozent geförderte Wohnungen entstehen müssten und zu 15 Prozent gemeinschaftliches und genossenschaftliches Wohnen Platz finden müsse. Das neue Bündnis von Grünen, SPD, FDP und Volt hat im Koalitionsvertrag vereinbart, die Vorgaben noch deutlich zu verschärfen. Ob und wie schnell das geschieht, ist allerdings derzeit unklar. Nicht nur, weil die Immobilienlobby seit Jahren gegen höhere Quoten Front macht.

OB-Wahl in Frankfurt

FR-Online-Dossier: Wer wird Oberbürgermeister oder Oberbürgermeisterin von Frankfurt? Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden am 5. März. Stichwahl-Termin wäre der 26. März. Die FR bündelt ihre Berichterstattung mit Analysen, Porträts und aktuellen Nachrichten in einem Online-Dossier.

Mit dem exklusiven FR-Wahlhelfer können Sie einfach und interaktiv herausfinden, welche:r Kandidat:in Ihnen inhaltlich nahe steht. 25 Thesen hat die FR-Redaktion ausgesucht - die Sie selbst gewichten können.

FR-Stadtgespräch zum Nachschauen: Am Mittwoch, 8. Februar, stellten sich den Fragen des FR-Römerteams die Kandidat:innen Manuela Rottmann, Uwe Becker, Mike Josef, Daniela Mehler-Würzbach und Yanki Pürsün. Die Diskussionsrunde lässt sich im Video nachsehen.

OB-Talks: Mit dem Medienmanager Bernd Reisig (Stiftung „Helfen helfen“) lud die FR vier Kandidat:innen zu Einzelgesprächen ins SAE Institute: Uwe Becker (CDU), Manuela Rottmann (Grüne), Mike Josef (SPD) und - als Ergebnis einer Lerser:innen-Abstimmung - der Kandidat der „Partei“, Prof. Dr. Dr. Bembel, vertreten durch Katharina Tanczos. Die vier Abende im Video zum Nachschauen.

Dass seit einigen Jahren in Frankfurt mehr für Mieterschutz und bezahlbaren Wohnungsbau geschieht, hat zu einem sehr großen Teil mit dem Druck von Nachbarschaftsinitiativen und stadtpolitischen Gruppen zu tun. Stark auf ihr Wirken geht etwa der „Mietenstopp“ bei der städtischen Wohnungsgesellschaft ABG Frankfurt Holding zurück, die Begrenzung von Mietanstiegen auf fünf Prozent in fünf Jahren. Auch dass das Unternehmen, dem inzwischen mehr als 54 000 Wohnungen in der Stadt gehören, seit einigen Jahren deutlich mehr geförderten Wohnungsbau betreibt, hat mit den Wirken der Initiativen zu tun, deren Forderungen etwa die SPD aufgriff – und sich zumindest zum Teil zu eigen machte.

Die Bemühungen für mehr bezahlbaren Wohnungsbau zeigen langsam Erfolg. Mehr als 600 öffentlich geförderte Wohnungen wurden im Jahr 2021 fertig, darunter 243 Sozialwohnungen. Das war der mit Abstand höchste Wert seit Jahren. Und viele Hundert Sozialwohnungen sind dieser Tage im Bau, etwa im Schönhofviertel und am Rebstock in Bockenheim oder auf dem früheren Avaya-Gelände im Gallus. Ein Rückschlag ist dagegen, dass die ABG ihr Projekt am Hilgenfeld nördlich des Frankfurter Bergs, in dem zu 40 Prozent geförderter Wohnungsbau entstehen soll, aber auch mehrere Wohnprojekte Platz finden, um mindestens ein Jahr verschoben hat.

So oder so ist die Stadt trotz steigender Aktivitäten sehr weit vom Ziel der Koalition entfernt, dass jedes Jahr 1000 neue Sozialwohnungen entstehen. Dabei wäre dies wohl dringend nötig, um die Situation von Menschen, die fast verzweifelt eine geförderte Wohnung suchen, zu verbessern.

Ende 2020 hatte das städtische Wohnungsamt gerade noch Belegungsrechte für etwa 30 477 Wohnungen. Zu diesem Zeitpunkt standen aber 8973 Haushalte mit 22 832 Menschen, die Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, auf dessen Warteliste.

Und jedes Jahr fallen sehr viele Sozialwohnungen aus der Bindung. Nur durch den massenhaften Ankauf von Belegrechten gelingt es der Stadt, einen weiteren Schwund des Bestands zu verhindern. Eine echte Trendwende wäre aber erst in Sicht, wenn viele Jahre in Folge mehr Sozialwohnungen gebaut würden als Sozialwohnung, die ihre Bindung verlieren. Entscheidend wird zudem sein, dass die Stadt Wege findet, um längere Bindungsfristen zu erreichen oder andere Ansätze für dauerhaft günstigen Wohnraum. Denn Sozialwohnungen, die nach 15 Jahren, wieder dem normalen Wohnungsmarkt zugeführt werden, sind allzu teure Lösungen auf Zeit.

DIE POSITIONEN DER KANDIDATINNEN UND KANDIDATEN

Manuela Rottmann (Grüne)

Manuela Rottmann (Grüne) will Frankfurter Oberbürgermeisterin werden.
Manuela Rottmann (Grüne) will Frankfurter Oberbürgermeisterin werden. © Renate Hoyer

Die Kandidatin der Grünen will sich für eine Beschleunigung des Wohnungsbaus einsetzen. Baugebiete wie Bonames-Ost und das Hilgenfeld nördlich des Frankfurter Bergs sollen nach ihren Vorstellungen bis Mitte des Jahrzehnts umgesetzt werden. Sie steht zudem angesichts des großen Mangels an bezahlbarem Wohnraum hinter dem Koalitionsbeschluss für neue Wohnquartiere an der A5.

Neubaugebiete sollte die Stadt, so Rottmann, so flächensparend und naturschonend wie möglich planen, auf Stellplätze für Autos sollte sie verzichten. Rottmann wirbt zudem dafür, eine Innenentwicklung mit Qualität durch Anreize zu fördern. Rottmann hält es für notwendig, den starken Schwund an gefördertem Wohnraum in Frankfurt zu stoppen.

Neue Bestände müssten geschaffen und dauerhaft gesichert werden, fordert sie. Sie ist der Meinung, dass Bauherren verpflichtet werden wollten, in neuen Gebieten zu 40 Prozent geförderte Wohnungen zu bauen.       

Yanki Pürsün (FDP)

Yanki Pürsün tritt bei der Frankfurter OB-Wahl für die FDP an.
Yanki Pürsün tritt bei der Frankfurter OB-Wahl für die FDP an. © Rolf Oeser

Der Kandidat der FDP verspricht, sich für bezahlbaren Wohnraum einzusetzen, um das Wachstum Frankfurts langfristig zu gestalten. Er wirbt dafür, die Entwicklung von Neubaugebieten voranzutreiben und den so genannten Stadtteil der Quartiere, der östlich der A5 entstehen soll, zu realisieren. Großes Potenzial sieht Pürsün in der Innenentwicklung. Bis zu 15.000 Wohnungen können nach seinen Vorstellungen durch Aufstockung und Nachverdichtung entstehen.

Forderungen, nach denen Bauherren mehr geförderten Wohnungsbau betreiben müssen, lehnt er ab. Auch von einer Reduzierung von Mieten bei der ABG für Haushalte, die Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, hält er nichts. Stattdessen setzt sich Pürsün für mehr Subjektförderung, etwa durch Wohngeld ein.

Gut fände er zudem mehr Unterstützung für Familien, die Wohneigentum kaufen wollen. Er tritt für einen hohen Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer für die erste Immobilie ein. cm

Daniela Mehler-Würzbach (Linke)

Daniela Mehler-Würzbach kandidiert bei der OB-Wahl in Frankfurt für die Linke.
Daniela Mehler-Würzbach kandidiert bei der OB-Wahl in Frankfurt für die Linke. © Peter Jülich

Die Kandidatin der Linken wirbt angesichts der hohen Mieten und der stark gesunkenen Zahl an geförderten Wohnungen in Frankfurt für einen Richtungswechsel in der Wohnungspolitik nach dem Motto „bezahlbare Mieten statt Luxus-Quartiere“. Sie will sich für die Schaffung von mehr sozialem und bezahlbarem Wohnraum einsetzen.

Der Bau neuer Quartiere im Nordwesten kommt daher für sie nur in Frage, wenn sichergestellt ist, dass die Wohnungen für Menschen mit durchschnittlichen oder gar niedrigem Einkommen bezahlbar sind. Sie hat aber auch große ökologische Bedenken gegen das Bauprojekt. Mehler-Würzbach setzt sich für einen Mietenstopp für Frankfurt ein und einen wirksamen Kampf gegen Leerstand.

Sie wirbt für niedrigere Mieten bei der städtischen Wohnungsgesellschaft ABG und eine Enteignung des Wohnungskonzerns Vonovia. Sie will zudem mehr Grund und Boden in städtischer Hand.

Uwe Becker (CDU)

Uwe Becker (CDU) will Frankfurter Oberbürgermeister werden.
Uwe Becker (CDU) will Frankfurter Oberbürgermeister werden. © Renate Hoyer

Der Kandidat der CDU verspricht einen Wohnungsbau, „der unsere Stadt gesund wachsen lässt“. Becker wirbt für ein Frankfurt, dass sich die Menschen leisten können, „ob junge Familien, Senioren oder die Generationen dazwischen“. Um dieses Ziel zu erreichen, müsstem neue Wohnungen gebaut werden. Noch vor wenigen Jahren brachte Becker als Mitglied der Koalition von CDU, SPD und Grünen die Pläne für einen möglichen Stadtteil im Nordwesten mit auf den Weg.

Nun lehnt er die inzwischen geschrumpften Pläne für Quartiere an der A5 ab – und warnt vor „künstlichen Trabantenstädten auf der grünen Wiese“. Ziel der Stadtentwicklung müsse ein organisches Wachstum der Stadtteile sein. Von höheren Sozialquoten für Bauherren und einer Senkung von Mieten für Haushalte mit Recht auf eine Sozialwohnung bei der ABG hält Becker nichts. Eine stärkere Unterstützung von Familien beim Eigentumserwerb findet er dagegen sinnvoll. 

Mike Josef (SPD)

Mike Josef ist der Kandidat der SPD zur Frankfurter Oberbürgermeisterwahl.
Mike Josef ist der Kandidat der SPD zur Frankfurter Oberbürgermeisterwahl. © Renate Hoyer

Der Kandidat der SPD treibt als Frankfurter Dezernent für Planen und Wohnen die Entwicklung großer Quartiere für etwa 17 000 Menschen im Nordwesten des Stadtgebiets voran. Dieser „Stadtteil der Quartiere“ östlich der A5 werde nicht nur bezahlbare Wohnungen bringen, sondern werde mit der entstehenden Infrastruktur, Parks, neuen Radwegen und ÖPNV-Verbindungen die ganze Stadt bereichern, wirbt er.

Den Baulandbeschluss, der Investoren unter anderem Vorgaben zum sozialen Wohnungsbau macht, soll nach Josefs Vorstellungen auch bei Vorhaben der Innenentwicklung zur Anwendung kommen können. Er kann sich zudem eine Quote von mehr als 30 Prozent geförderten Wohnraums vorstellen. Josef verspricht eine konsequente Anwendung der Gesetze zum Schutz von Mieterinnen und Mietern vor Vertreibung aus ihrem Zuhause und will sich für ein Verbot von spekulativem Leerstand einsetzen.

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