Viel Verkehr, wenig Kunden

Wie ist die Lage in der Berliner Straße in Frankfurt? Eine Interessengemeinschaft will die Straße für Flaneure attraktiver machen.
Christiane Kirchner steht in ihrer Goldschmiedewerkstatt im ersten Stock und schaut aus dem Fenster. Unter ihr tobt der Verkehr auf der Berliner Straße. „Seit die Stadtpolizei nicht mehr da ist, ist es schlimmer geworden mit der Raserei“, sagt sie. Vor gut einem Jahr sind Kirchner und ihr Mann Tom Weisbecker mit ihrer Goldschmiede aus dem Nordend in die Berliner Straße gezogen. „Wir haben uns spontan verliebt in die Architektur der 50er Jahre mit der geschwungenen Wendeltreppe“, sagt Weisbecker. Die Liebe zum Laden erkennt man leicht, das Schaufenster ist aufwendig dekoriert, die Ware besteht aus schönen Einzelstücken.
Inhabergeführte Geschäfte wie das Stadtgold gibt es viele entlang der Berliner Straße, doch die wenigsten kennen sie. Oder wer weiß, dass es an der vierspurigen Straße einen Australien-Shop, eine Weinhandlung oder hippe Klamotten in einem Laden namens Blutsgeschwister gibt? „Wir fühlen uns etwas abgehängt“, klagt Goldschmiedin Kirchner. Es ist paradox: Die Berliner Straße hat viel Verkehr, aber keine Laufkundschaft. Um das zu ändern, haben 16 inhabergeführte Geschäfte in der Berliner Straße und der Hasengasse eine Interessengemeinschaft (IG) gegründet. Die Geschäftsleute wollen die Berliner Straße für Flaneure attraktiver machen. Denn Bummeln und Berliner bringt bislang kein Frankfurter zusammen.
Die Berliner Straße wurde 1949 quer durch die Stadt geführt, um für den modernen Autoverkehr gerüstet zu sein. An dieser Bausünde leidet die südliche Innenstadt noch heute. Vorhaben der Lokalpolitiker, die vierspurige Straße zurückzubauen, wurden in den vergangenen Jahrzehnten mehrmals verschoben oder verworfen. Jetzt formieren sich die Geschäftsleute.
Mit Stadtgold, dem Schuhgeschäft Zumkley Pelletteria und Pott au Chocolat gibt es drei recht neue Läden, deren Inhaber etwas bewegen wollen. Erkennbar sind die Mitglieder der IG an den gelben Weihnachtssternen, die sie derzeit vor ihren Geschäften hängen haben. Die Forderungen: mehr Licht, mehr Grün, weniger Verkehr, Fahrradständer. Die Beleuchtung ist nicht hell genug, abends ist es eher duster. Wichtiger aber noch ist den Anliegern, die Raserei auf der Berliner Straße einzudämmen, die in den Geschäften mit den großen Schaufenstern lauter zu hören ist, als es Inhabern und Kunden lieb sein kann. Eine komplette Verkehrsberuhigung wollen die meisten Geschäftsleute gar nicht, sie finden es gut, dass Kunden auch mal mit dem Wagen vorfahren können. „Tempo 30 wäre schön“, sagt Weisbecker. Zudem will die IG eine bessere Anbindung an die südlich gelegene Braubachstraße und die neu entstandene Altstadt. Weisbecker schwebt etwa ein Zebrastreifen auf Höhe der Kruggasse vor, einer der schmalen Gassen, die von der Braubachstraße abgehen.
Die Wirtschaftsförderung Frankfurt unterstützt die Bemühungen auf der Berliner Straße und hat sogar die Gründung der Interessengemeinschaft angeregt. „Es ist für uns immer einfacher, wenn wir e i n e n Ansprechpartner haben“, sagt Silvia Dietzel von der Wirtschaftsförderung, die als Mittler zwischen den verschiedenen Dezernaten fungiert.
Doch auf Anfragen der FR ist die Resonanz aus den verantwortlichen Ämtern eher zurückhaltend. Das Problem: Die Berliner Straße hat gerade keine Priorität auf der To-do-Liste der Stadt. Denn im kommenden Jahr soll versuchsweise das nördliche Mainufer für den Verkehr gesperrt werden. Eine Verkehrsberuhigung auf der Berliner, die dann eher noch mehr Verkehr aufnehmen muss, ist da nicht drin. Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD) verweist auf den Koalitionsvertrag, in dem die Vierspurigkeit der Berliner und zusätzlich eine Radspur je Fahrtrichtung manifestiert ist. Einen konkreten Zeitplan für die Umsetzung gebe es noch nicht.
In Sachen Begrünung verweist das Grünflächenamt auf das in solchen Dingen federführende Straßenbauamt. Dort sind derzeit weder Begrünung noch Fahrradständer vorgesehen. Immerhin stellt Amtsleiterin Michaela Kraft in Aussicht, Fahrradabstellanlagen in der Berliner Straße seien „bei punktuellem Bedarf“ möglich. Dafür gibt es schlechte Nachrichten aus dem Straßenverkehrsamt: Ein Zebrastreifen sei bei einer vierspurigen Straße nicht möglich und Tempo 30 auf einer sogenannten Grundnetzstraße auch kaum durchsetzbar. Es sieht so aus, als würde Goldschmiedin Kirchner weiterhin auf den tosenden Verkehr schauen müssen.