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Versorgung von Geflüchteten: Orangen und Joghurt aus dem Kofferraum

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Von: Timur Tinç

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Ukrainische Geflüchtete holen Lebensmittel aus dem Kofferraum von Privatwagen und deponieren sie im Hotel.
Ukrainische Geflüchtete holen Lebensmittel aus dem Kofferraum von Privatwagen und deponieren sie im Hotel. © ROLF OESER

Private Initiativen kaufen Lebensmittel für Geflüchtete aus der Ukraine, die in Hotels untergebracht sind. Sie fordern Unterstützung von der Stadt Frankfurt. Sozialdezernentin Elke Voitl betont: „Wer zu uns kommt, muss nicht hungern.“

Zwei Autos halten am Dienstagvormittag vor dem Hotel Arena am Zoo in der Theobald-Christ-Straße. Mehrere ukrainische Frauen, die im Hotel wohnen, holen aus den Kofferräumen Orangen, Joghurt, Schoko-Osterhasen und viele andere Lebensmittel, die von Freiwilligen privater Initiativen gerade im Supermarkt eingekauft worden sind. So läuft das seit etwa vier Wochen. „Wir kommen an unsere Grenzen“, sagt Inna Brück.

Sie ist Teil einer privaten Initiative von Menschen aus der Ukraine, Russland, Kasachstan und anderen Ländern, die aktuell rund 500 Geflüchtete in 13 Frankfurter Hotels fast täglich mit dem Nötigsten versorgen. Zeitweise waren es bis zu 800. Unterstützung bekommen sie vom Förderverein Round Table. Außerdem werden Spenden an einem Kiosk im Oeder Weg 79 mittwochs (17 bis 20 Uhr) und samstags (15 bis 19 Uhr) gesammelt. „Die Stadt kommt Bitten um Hilfe und Entlastung bei Koordination, Organisation und Finanzierung der Lebensmittelversorgung nicht nach“, beklagt Journalist und Fotograf, Ulrich Mattner, der die Initiative unterstützt.

Private Initiative koordiniert über WhatsApp und Telegram die Einkäufe und Transporte

Über soziale Netzwerke haben Inna Brück und ihre Mitstreiter:innen sich in der zweiten Märzwoche zusammengefunden, um Geflüchteten zu helfen. „Wir haben über Telegram und Whats-App von den Menschen, die in Hotels sind gehört, dass sie hungrig sind und kein Geld haben, sich etwas zu Essen zu kaufen“, berichtet Brück.

Gerade zu Kriegsbeginn sind die Menschen einfach in die Stadt gekommen. In Frankfurt stand von offizieller Seite anfangs nur die Bahnhofsmission und die Übernachtungsstätte Ostpark zur Verfügung. Wer da strandete wurde auch in Hotels untergebracht. Später kamen die Notunterkünfte in den Turnhallen und das Erstaufnahmezentrum an der Messe dazu. „Viele Menschen sind von hier an die Grenzen gefahren und haben Verwandte und Freunde abgeholt. Manche sind auch gesammelt abgeholt worden“, erzählt Wadim Burmann von der Initiative. Die meisten seien privat oder in Hotels untergekommen.

Hilfen

Die Stadt Frankfurt hat auf ihrer Webseite frankfurt-hilft.de viele Informationen für Geflüchtete eingerichtet. Unter der Hotline 06921248444 werden Fragen zu allen Themen beantwortet.

Der Förderverein Round Table sammelt Spenden unter folgendem Konto.
Förderverein Round Table 90 Frankfurt e.V.,
Taunus-Sparkasse Bad Homburg, IBAN: DE45 5125 0000 0014 0035 09 BIC: HELADEF1TSK

So wie in das Hotel Arena von Gennadi Tultschinetski. Rund 120 Menschen hat er in seinen Hotels im Ostend und an der Messe untergebracht. „Wir versuchen das mit der Hilfe von vielen Freiwilligen zu stemmen“, sagt Tultschinetski, der selbst aus der Ukraine stammt. Es gibt einige Geflüchtete, die Sozialhilfe bekommen, bei anderen scheitert es daran, dass sie Probleme haben, ein Bankkonto zu eröffnen.

In den Frühstücksraum wurden Wasserkocher, Kombikocher, Mikrowelle und weitere Küchengeräte gebracht, damit sich die Geflüchteten warme Mahlzeiten zubereiten können. „Wir sind nicht für Langzeitaufenthalte ausgelegt“, sagt er. Er könne und werde aber niemanden auf die Straße setzen. Von der Stadt gebe es zwar eine Perspektive für die Kostenübernahme, aber es fehle auch an Informationen.

„Es ist sehr viel Aufwand und es sind viele Leute beteiligt“

„Es gibt bis heute keinen Ansprechpartner für die Leute, die nicht in den zentralen Unterkünften sind“, sagt Wadim Burmann. Im Nordend hat die Initiative, die mehrere dutzend Köpfe umfasst, ein kleines Lager bekommen. Ukrainische Muttersprachler sind in die Hotels gegangen und haben die Menschen und Hoteliers gefragt, was benötigt wird. Sie fungieren als Koordinator:innen. Es wurden Einkaufslisten erstellt, was für welches Hotel gesucht wird. Da nicht alle eine Küche haben, gibt es da Unterschiede.

Einige der Geflüchteten würden auch die Angebote von Einrichtungen, wie der Ada-Kantine wahrnehmen, wo es für wenig Geld Mahlzeiten gibt. „Das Thema Essen ist weitestgehend unter Kontrolle. Es ist aber sehr viel Aufwand und es sind viele Leute beteiligt“, sagt Burmann.

Der Förderverein Round Table sucht Helfer:innen, die Einkaufsfahrten machen

Alexander Wild ist zweiter Vorsitzender von Round Table und findet es bedrückend, wenn er den Geflüchteten die Lebensmittel in die Hand drückt. „Wir zahlen pro Einkauf 300 bis 500 Euro. Das machen wir momentan alles aus eigener Tasche“, sagt er. Man habe die Möglichkeit, Spendenquittungen auszustellen und suche deshalb zum einen Spender:innen, aber auch Helfer:innen, die Einkaufsfahrten machen. „Unser Engagement wird noch etwas benötigt“, glaubt Wild.

Frankfurts Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne) betont im Gespräch mit der FR, dass sehr viele Ukrainer:innen, die privat oder in Hotels untergebracht sind, schon Sozialleistungen erhalten. 5164 waren es Stand Dienstagmorgen von den rund 6000 Ukrainer:innen, die laut Schätzungen in der Stadt sind. „Wenn die Menschen zu uns kommen, ins Sozialamt, dann wird ihnen auch geholfen. Es muss niemand hungern“, betont Voitl.

Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne): „Wenn die Menschen zu uns kommen, wird ihnen geholfen“

Mit jedem einzelnen Hotel, wo Geflüchtete untergebracht sind, muss die Stadt Verträge abschließen – wenn sie den städtischen Standards entsprechen. Zum Beispiel muss es eine Kochmöglichkeit geben. „Wir haben sehr viele tolle Partner, aber es gibt ein paar schwarze Schafe, die versuchen, Kapital daraus zu schlagen“, sagt Voitl.

Sollten die Menschen die Hotels verlassen müssen oder wollen, müssten sie als erstes ins Erstaufnahmezentrum an der Messe. Sollten sie schon Sozialleistungen erhalten und angemeldet sein, kämen sie entweder in die Notunterkünfte der Stadt oder in Partnerhotels. Stand Montagabend waren noch 438 Plätze frei.

Zahl der Mitarbeitenden der Hotline von Frankfurt hilft wird verdoppelt

Den vielen privaten Initiativen empfiehlt Voitl sich an die Hotline von Frankfurt hilft zu wenden. Die Zahl der Mitarbeitenden wird künftig mithilfe des Frankfurter Verbands von sechs auf das Doppelte aufgestockt. „Es gelingt derzeit sehr viel in kurzer Zeit, ich bitte auch um Verständnis, dass manches nicht von heute auf morgen geht“, sagt Voitl.

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