Am Anfang war die Kopfnuss

Ein wie immer Unschuldiger steht mal wieder wegen Beleidigung vor dem Amtsgericht
Mario M. ist stinksauer. Und das aus gutem Grund. Seit einiger Zeit schröpft die Justiz den 44-Jährigen, der frei von jeglicher Schuld sowie bezahlter Arbeit ist, durch völlig ungerechtfertigte Geldstrafen.
Das ganze Elend fing damit an, dass M. einst einem beckmessernden Querulanten, der sich darüber echauffierte, dass M. mitten in der schönsten Seuche und im dicksten Gedränge keine Schutzmaske trug, eine zünftige Kopfnuss verpasste. Also Notwehr quasi. Aber egal. Für die Justiz: Körperverletzung. Und es ging damit weiter, dass M. einen ermittelnden Polizeibeamten als „Kohlenbrikett“ titulierte. Dabei hat M. gar nichts gegen Briketts, im Gegenteil, gerade im Winter ... aber ist ja auch egal. Beleidigung, sagt die Justiz.
„Erbsenhirn“ ist ehrabschneidend
Am Mittwoch steht M. vor dem Amtsgericht, weil er Nadja Niesen, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, beleidigt haben soll. Niesen hatte sich geweigert, die von M. gewünschten Ermittlungen gegen die Amtsrichterin und den Staatsanwalt, die ihn grundlos angeklagt und verurteilt hätten, aufzunehmen. M. schlug Niesen via Mail vor, künftig besser „als Putzfrau“ zu arbeiten.
Nun stellt die Drohung, einer ehrlichen, aber unterbezahlten Arbeit nachgehen zu müssen, für Juristen zwangsläufig ein empfindliches Übel dar. Eine Beleidigung ist es nicht. „Erbsenhirn“ aber schon. Wenn auch nicht für M.,der eigentlich nichts gegen Erbsenhirne hat, einige seiner besten Freunde ... aber egal. Beleidigung, sagt die Justiz.
Nadja Niesen ist als Zeugin geladen, wird aber nicht gebraucht. Trotzdem will sich Mario M. bei ihr entschuldigen. Eigentlich will vor allem die Amtsrichterin, dass M. das will, aber der hat auch nichts dagegen: „Ich entschuldige mich gerne und oft.“ Und Niesen gegenüber so: „Das hatte nichts mit Ihnen persönlich zu tun. Das hätte jede treffen können.“ Nadja Niesen nimmt die Entschuldigung mit eisgekühlter Grandezza „zur Kenntnis“ und hinterlässt den Gerichtssaal besenrein.
Eines ist für M. als verfolgte Unschuld Ehrensache: Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerwort zur Pflicht. „Unschuldig!“ kräht er so oft in das Plädoyer des Staatsanwaltes, bis dessen Kopf die künstlerisch wertvolle, aber gesundheitlich bedenkliche Farbe tyrischen Purpurs annimmt. Aber M. meint das nicht persönlich. Das hätte jeden ärgern können.
Am Ende wird M. verwarnt, eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen à zehn Euro wird unter Vorbehalt gestellt, aber M. muss 400 Euro an die Frankfurter Tafel zahlen. Eigentlich bräuchte M. das Geld, um das Bad seiner Mutter zu renovieren. Oder um Buße zu tun für irgendwas, was die Justiz in Zukunft als Beleidigung verstehen will. Denn eines steht mal fest: Sein Kampf geht weiter.