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Antisemitismus-Vorwürfe: Umstrittener Roger Waters darf in Frankfurt auftreten

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Von: Oliver Teutsch, Georg Leppert

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Das Verwaltungsgericht Frankfurt hebt das Konzertverbot für Roger Waters in der Festhalle auf. Der hessische Antisemitismusbeauftragte will sich damit nicht abfinden.

Frankfurt –  Rogers Waters darf Ende Mai wie geplant in Festhalle in Frankfurt auftreten. Zu dieser Einschätzung gelangt das Verwaltungsgericht Frankfurt und hob damit ein Verbot der Stadt auf. Durch das Auftrittsverbot in der Festhalle werde Waters in seinem Recht auf Kunstfreiheit verletzt, wie es das Grundgesetz vorsieht, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Beschluss der 7. Kammer. Die Jüdische Gemeinde in Frankfurt hatte Roger Waters Antisemitismus vorgeworfen.

Der geplante Auftritt des ehemaligen Sängers der Kult-Band Pink Floyd schlägt seit Monaten hohe Wellen. Waters steht wegen der Unterstützung der Boykottbewegung BDS in der Kritik. Auf einem Konzert hatte er einen Ballon in Schweineform steigen lassen, auf dem ein Davidstern zu sehen war. Die Jüdische Gemeinde Frankfurt, der designierte Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) und der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker (CDU) hatten eine Absage des Konzerts gefordert und Druck auf die Messegesellschaft ausgeübt, deren Anteilseigner das Land und Stadt sind.

Der britische Sänger Roger Waters darf im Mai in der Festhalle auftreten.
Der britische Sänger Roger Waters darf im Mai in der Festhalle auftreten. © dpa

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Bei der Begründung zur Absage hatte sich die Messegesellschaft bedeckt gehalten. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts bezieht sich jedoch auf das Rücktrittsschreiben der Messe GmbH an die Produktionsfirma von Waters. Demnach wurde die Kündigung ausgesprochen da man auf mögliche israelfeindliche Äußerungen des Antragstellers und auf mögliche israelkritische Teile seiner Bühnenshow aufmerksam gemacht worden sei.

Gegen das Konzertverbot hatte sich Waters mit einem Eilantrag gewandt. Der Antrag richtete sich gegen das Land Hessen und die Stadt Frankfurt und sei zulässig, da beide als alleinige Gesellschafter Einwirkungsmöglichkeiten auf die Messe hätten. Mit dem Beschluss vom Montag wies das Verwaltungsgericht das Land Hessen und die Stadt Frankfurt an, Waters durch entsprechende Einwirkung auf die Messe-Geschäftsführung Zutritt zur Festhalle und zur Durchführung des Konzertes am 28. Mai zu verschaffen.

Der Antragsteller habe einen Anspruch auf Durchführung des Konzerts nach Artikel 3 Grundgesetz in Verbindung mit der Selbstbindung der Verwaltung. Denn die Festhalle sei als Event- und Konzerthalle aufgrund der bisherigen Benutzungspraxis allgemein für Veranstaltungen, Konzerte und Messen von Unternehmen gewidmet. Insoweit habe Waters einen „Verschaffungsanspruch“ auf Zugang zu der Halle.

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In ihrem Beschluss wies die Kammer explizit auf den besonderen Kontext der Festhalle hin. Dort wurden im November 1938 mehr als 3000 jüdische Bürgerinnen und Bürger zusammengetrieben, schwer misshandelt und der Deportation in die Konzentrationslager zugeführt. Entsprechende Gedenktafeln sind in der Rotunde der Halle und auf dem Vorplatz aufgestellt.

Eine Widmungsbeschränkung aufgrund der besonderen historischen Bedeutung der Festhalle ergebe sich aber weder aus der bisherigen Benutzungspraxis noch aus anderen Umständen wie etwa den Gedenktafeln. Die Konzertveranstaltung des Antragstellers sei als Kunstwerk zu betrachten. Bei einer Beschränkung der Kunstfreiheit müsse entsprechend den verfassungsrechtlichen Wertungen zur Meinungsfreiheit bei Kunstwerken, die mehrere nachvollziehbare Interpretationsmöglichkeiten zulassen, diejenige Lesart gewählt werden, die nicht als in irgendeiner Form rechtswidrig oder gar sanktionsbedürftig einzustufen sei.

Danach verletze das Konzert nicht die Menschenwürde der in der Festhalle misshandelten jüdischen Männer und es lasse sich eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Geltungs- und Achtungsanspruchs der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden „nicht zweifelsfrei feststellen“, heißt es in dem Beschluss.

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Zwar bediene sich der Antragsteller im Rahmen seiner Bühnenshow offenkundig einer an die nationalsozialistische Herrschaft angelehnten Symbolik. Gerade vor dem historischen Hintergrund der Festhalle möge die Bühnenshow daher als besonders geschmacklos zu bewerten sein, räumte die Kammer ein. Eine solche Bewertung entziehe sich jedoch der verwaltungs- bzw. verfassungsrechtlichen Prüfung.

Entscheidend sei allein, dass der Auftritt des Antragstellers in seiner Gesamtschau nicht den Schluss zulasse, dass der Antragsteller nationalsozialistische Gräueltaten verherrliche oder relativiere oder sich mit der nationalsozialistischen Rassenideologie identifiziere. Anhaltspunkte dafür, dass durch die Bühnenshow des Antragstellers oder von ihm selbst strafbare Handlungen, wie das Verwenden von Propagandamaterial und Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen oder Volksverhetzung begangen würden, seien nicht ersichtlich.

Gegen den Beschluss kann noch Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in Kassel eingelegt werden. Antisemitismusbeauftragter Becker forderte die Stadt als größte Anteilseignerin der Messe auf, Rechtsmittel einzulegen. „Die Stadt sollte alles tun, um hier ein klares Zeichen zu setzen: Roger Waters ist in Frankfurt nicht willkommen“, sagte Becker im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau.

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Juristisch bewerten wollte der CDU-Politiker den Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht. Für ihn steht jedoch fest, dass die Shows des Pink-Floyd-Gründers einen „klaren antisemitischen Charakter haben“ und wegen der hohen Zahl an Zuschauer:innen eine Gefahr darstellten.

Die Jüdische Gemeinde nannte den Beschluss in einer Stellungnahme „für uns nicht nachvollziehbar“. Damit werde „einem ausgewiesenen Antisemiten wortwörtlich eine Bühne in Frankfurt“ geboten. Die Gemeinde fragt sich, ob „Antisemitismus nunmehr von der Kunstfreiheit in Deutschland gedeckt wird“ und stellt fest, dass auch in Anbetracht der documenta-Ereignisse dieser Gedanke „nicht weit hergeholt“ sei.

Die Gemeinde sieht zudem „eine eklatante Ignoranz gegenüber der historischen und aktuellen Verantwortung, Judenhass in Deutschland zu bekämpfen.“ Man werde „nicht tatenlos dabei zusehen, wie ein Judenhasser wie Roger Waters sein antisemitisches Gift verbreitet“ und rufe „zu einem breiten gesamtgesellschaftlichen Bündnis auf, um gegen den Auftritt zu demonstrieren.“ (Oliver Teutsch/Georg Leppert)

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