Tiktoker King Louie: Humor für vier Millionen Fans, damit diese „sich nicht so alleine fühlen“
Aman Kidane hat als King Louie auf Tiktok knapp vier Millionen Fans. In seinen lustigen Videos geht es auch um seine nicht einfache Jugend. Als Kind flüchtet er aus Eritrea nach Hessen.
Frankfurt - King Louie ist eigentlich pünktlich. Aber wenige Schritte, bevor der 28-Jährige das koreanische Café Kyubang in der Innenstadt von Frankfurt fürs Interview betritt, wird er aufgehalten. Ein junger Mann, der bei der FES-Straßenreinigung arbeitet, erkennt den Comedy-Tiktok-Star. Er ist aber keiner seiner mittlerweile knapp vier Millionen Follower:innen, sondern ein alter Schulkamerad.
Nach elf Jahren treffen sie sich hier zufällig wieder. „Wir haben viel Blödsinn im Unterricht gemacht. Wir haben die Lehrer manchmal zum Lachen, aber meistens zum Heulen gebracht“, sagt King Louie, der eigentlich Aman Kidane heißt. Sein Schulfreund erinnert sich gut an ihre gemeinsame Zeit. Dass sein „Klassenclown“-Kollege mittlerweile ein Tiktok-Star ist, hatte er bislang nicht mitbekommen: „Wie, du gibst ein Interview? Warum?“ Kidane lacht, sie tauschen Instagram-Profile aus, wollen sich bald verabreden.
2012 waren beide beim internationalen Familienzentrum unweit des Frankfurter Hauptbahnhofs. „Sie haben uns Einblicke und Praktika in verschiedene Berufe vermittelt. Denn nach der Förderschule wusste ich nicht, was ich machen möchte“, sagt Kidane, der schließlich seine Mittlere Reife als Fachkraft im Gastgewerbe nachholte. Seit zwei Jahren verdient er sich seinen Lebensunterhalt nicht als Kellner, sondern als Tiktoker dank zahlreicher Kooperationen mit Werbepartnern. „Als mein Manager sagte: ,Du musst nicht mehr jobben, du kannst allein von Tiktok leben‘, war ich zunächst kritisch.“ Er fragte: „Mit dem Internet kann ich genug Geld verdienen?“ King Louie lacht.

Tiktoker King Louis im Interview: Mit Spaß fing es an – der Durchbruch kam mit dem „Fischblick“
„Angefangen habe ich nicht mit dem Gedanken: ‚Ich will ein Star werden‘, sondern es war Spaß. Das war Anfang 2020, kurz vor Corona.“ Sein Durchbruch kommt mit seinem Einsatz des „Fischblicks“. Damit sei seine Followerzahl von anfangs 70.000 „schnell durch die Decke gegangen“. „Den Fischblick habe ich in einem Video eigentlich eher zufällig eingesetzt. Ich habe ihn von einem Schulkameraden abgeschaut. Wenn wir uns ärgerten, schaute er immer so böse erstaunt, als ob die Augen wie so bei einer Cartoon-Figur rausfallen würden, den Mund hatte er gespitzt wie ein Fischmaul.“
Der Fischblick ist nun sein Markenzeichen. In seinen Videos spricht Kidane kaum. Das meiste läuft über einen kurzen, eingeblendeten Text, Filmzitate, Mimik, Körpersprache und Musik (K-Pop bis Shakira): In seinen Parodien spielt er mal einen Einbrecher, der, als er erwischt wird, plötzlich anfängt, eine lustige Tanzchoreo abzuliefern, er performt Playback bekannte Songs wie „Cotton Eye Joe“ („So ist der Song wirklich entstanden“) und nutzt dabei eine Ketchup-Flasche, die von der Decke baumelt, als Mikro. Aber immer wieder ist auch seine Jugend als schlechter und dauerstörender Schüler („Meine Lehrerin weint wegen uns“) Thema. In einigen Videos spielt er seine wütende Mutter mit T-Shirt oder Geschirrtuch auf dem Kopf nach. „Anfangs hatte ich nur Filmszenen nachgespielt. Irgendwann dachte ich, ich will meine Vergangenheit verfilmen.“
Nicht immer lustig: Tiktok-Star flüchtete als Kind aus Eritrea
Seine Kindheit und Jugend beschreibt Kidane als „schwer, aber auch lustig“. In Eritrea wird er geboren. Mit sieben Jahren kommt er 2001 mit seiner Mutter und seinen zwei jüngeren Brüdern nach Deutschland. „Meine Mutter wollte ein schöneres Leben, eine bessere Zukunft für uns. Mein Vater blieb mit meiner Schwester in Eritrea und war dagegen, dass wir das Land verließen. Er glaubte, dass wir dort wegen der Armut das Leben mehr schätzen würden, in Deutschland hingegen nur Partys feiern würden.“
Sechs Jahre lang lebt Kidane in Flüchtlingsheimen, erst in Gießen, dann in Hofheim: „Am schlimmsten war es für mich, keine eigene Toilette mehr zu haben.“ In der Grundschule rufen Kinder ihm hinterher: „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ „Das ging aber das eine Ohr rein und das andere wieder raus. Schlimmer war für mich, dass sie mich gemobbt haben, mir das Pausenbrot weggenommen haben, mich geschubst haben. Sie dachten, sie könnten das mit mir machen, weil ich nett war. Ich habe mir das aber nicht gefallen lassen und mich dann auch körperlich gewehrt.“
King Louie
Aman Kidane (28) ist als King Louie auf Tiktok unter kingloui23 zu finden. Knapp vier Millionen Follower:innen feiern dort seinen Humor und seine Parodien.
Mit sieben Jahren kommt er mit seiner Mutter und seinen zwei jüngeren Brüdern aus Eritrea nach Hessen. Mehrere Jahre lebt die Familie zunächst in Flüchtlingsunterkünften. Seine Mittlere Reife holt er als Fachkraft im Gastgewerbe in Frankfurt nach.
Seinen Durchbruch als Tiktoker hat er vor zwei Jahren mit seinem „Fischblick“. Seine Videos dreht er zu Hause in Liederbach. rose
Auch seine weitere Schullaufbahn an der Anne-Frank-Förderschule in Kelkheim sei problematisch verlaufen. „Ich wusste die Schule war wichtig, aber ich war schnell ablenkbar und habe viele Leute abgelenkt. Wir waren mehrere Klassenclowns, haben aber auch mal Schränke und Tische umgeworfen. Die Lehrer waren mit uns überfordert. Klassenfahrten sind wegen uns ausgefallen.“
„Möchte mit meinem Humor erreichen, dass Leute sich nicht alleine fühlen“
In seinen Videos mimt er seine Mutter, wie sie ihn mit dem Gürtel jagt, wenn er was angestellt hat. Kam in seiner Kindheit wirklich der Gürtel zum Einsatz? „Doch, auch, es kam aber auch mal das Verlängerungskabel ins Spiel“, erzählt er, als sei es ein Gag. Und er betont dann auch gleich: „Leute fragen mich immer, ob bei mir keine psychischen Schäden zurückgeblieben sind, aber ich konnte das immer ausgleichen. Denn ich war in meiner Schule nicht der Einzige, der zu Hause geschlagen wurde, wenn das Zeugnis schlecht war. Wir redeten darüber, machten Witze, lachten uns tot. Es war unsere Art, damit umzugehen. Manche Leute sind auch aggressiv geworden. Ich konnte aber immer reden und lachen.“
Unter seine Tiktok-Videos schrieben Fans Kommentare wie: „Meine Mutter hat mich auch mal geschlagen.“ Kidane sagt: „Vielleicht kann ich mit meinem Humor erreichen, dass die Leute sich nicht so alleine fühlen, ihnen ein wenig psychisch helfen.“ Er selbst hegt keinen Groll gegen seine Mutter. „Meine Mutter war überfordert: drei Kinder, Sozialhilfe, und ich kam mit schlechten Noten nach Hause. Sie hat sich in ihrem Zimmer verkrochen und geweint, immer, wenn sie uns geschlagen hatte. Sie hatte Angst, dass mein Vater recht hatte, sie einen Fehler gemacht hatte, nach Deutschland zu kommen.“
Mit seinen zwei Brüdern (21 und 25) wohnt er bis heute mit der Mutter in Liederbach zusammen, dort dreht er auch seine Videos. Seine Mutter könne über ihre Darstellung lachen, sie sei sehr stolz auf ihn. Sein Vater habe den Kontakt vor Jahren abgebrochen. „Aber ich vermisse ihn nicht. Ich lebe ohne Vater, seit ich ein Kind bin.“
Das steckt hinter dem Namen von Tiktoker „kingloui23“
Auf Tiktok findet man Kidane unter: „kingloui23“: Warum eigentlich der Name? „King Louie hört sich gut an und 23, weil 123 schon belegt war“, sagt er und lacht. Und ja, King Louie sei auch eine Anspielung auf den Affen aus der Disney-Verfilmung des Dschungelbuchs: „Ich mache mich vor der Kamera zum Affen, twerke rum. Im echten Leben bin ich nicht verspielt, kindisch. Anfangs waren mir die Videos sehr peinlich. Zu Hause will ich ein Vorbild für meine beiden jüngeren Brüder sein, da mein Vater nicht da ist.“
Wie empfindet er die Diskussion, dass in den USA durch einen Gesetzentwurf ein generelles Verbot der populären chinesischen App Tiktok droht und auch andere Länder darüber nachdenken? Ihre größte Sorge: drohende Spionage durch den chinesischen Staat. „Schwachsinn und leider traurig, denn ein Tiktok-Verbot würde uns Influencer, die sich was aufgebaut haben, ruinieren“, sagt Kidane.
Wo sieht er sich in zehn Jahren? „Ich möchte Schauspieler werden. Am liebsten in Hollywood, und ich will mit „The Rock“ Dwayne Johnson einen Film drehen. Ich weiß das wird nicht einfach und ist ein langer Weg.“