Stromfressern auf der Spur

Ein Check der Caritas hilft Haushalten mit wenig Geld beim Strom- und Energiesparen.
Jürgen Kahles ist eher der gelassene Typ. Jeans und T-Shirt. Die steigenden Strom- und Energiekosten scheinen den 55-Jährigen auch nicht groß zu beunruhigen, „Es wird halt jedes Jahr teurer“, sagt er lapidar. Dennoch nimmt er den Stromspar-Check der Caritas in Anspruch. Ein paar Euro einzusparen, könne nicht verkehrt sein, hat er sich gedacht. Außerdem erhält er nach einem Haushalts-Check – wenn nötig – Soforthilfen. LED-Leuchten, abschaltbare Steckerleisten oder Ähnliches. Die bringt der Stromspar-Check kostenlos.
Auftritt Antonio Lopez: Der ist von Haus aus Bauingenieur, hat als selbstständiger Energieberater gearbeitet. Seit 2009 ist er bei der Caritas angestellt. Er leitet in Frankfurt ein Team von acht Stromsparhelferinnen und -helfern. Beim Blick auf Kahles jüngste Stromrechnung winkt Lopez aber fast ab. „Da werden wir nicht viel finden“, sagt er dem Klienten.
Die Rechnung anschauen, um zu sehen, wie die Lage ist, das ist immer der erste Schritt. Doch Kahles verbraucht in seinem Einpersonenhaushalt im Osten der Stadt nicht viel, 980 Kilowatt im Jahr. Der Durchschnitt liege bei 1300 bis 1500, sagt Lopez. Der Caritas-Berater geht von Zimmer zu Zimmer, inspiziert jedes technische Gerät, misst den Verbrauch, macht sich Gedanken über Heizung und Fensterdichtungen. Für die Eingangstür wird er Kahles noch einen Windstopper mitbringen. Es strömt Kaltluft durch die Ritze unter der Tür.
Eine Stromsparberatung ist ein intensiver Vorgang. Kahles hat die Wohnung entsprechend aufgeräumt, viel ist es ja nicht. Er hat keinen Nippes, keine Bilder hängen an der Wand. Dabei wohnt er seit fünf Jahren dort. Herzstück des Apartments ist der Fernseher. „Der läuft bis zu elf Stunden am Tag“, sagt Kahles. Lopez kommentiert das nicht. Er ist nicht gekommen, um die Menschen zu belehren, er möchte helfen, Strom zu sparen.
So klicken sich Kahles und Lopez durch die Geräteeinstellungen auf der Suche nach einem Stromsparmodus. „Da kann man bis zu 50 Prozent im Verbrauch einsparen“, sagt der Berater. Fündig werden sie zwar nicht, Lopez misst aber nach und sieht, der tatsächliche Verbrauch ist niedriger als vom Hersteller angegeben. Also kein Optimierungsbedarf.
Der check
Der Stromspar-Check ist ein kostenfreies Angebot des Caritasverbands Frankfurt und des Verbands der Energie- und Klimaschutzagenturen. Dieses richtet sich an Menschen, die soziale Leistungen beziehen (Wohngeld, Kinderzuschuss und Ähnliches) oder ein niedriges Einkommen haben (Frankfurt-Pass). Stromsparhelfer beraten Haushalte, wie sie ohne Komfortverlust Energiekosten sparen können und senken so die Energiekosten durchschnittlich um 172 Euro pro Jahr.
150 Standorte gibt es in Deutschland, begonnen hat die Caritas ihr Projekt 2006 in Frankfurt. Der Austausch von Kühlschränken, die älter als zehn Jahre sind, kann nach einem Check mit Zuschüssen zum Kauf eines energieeffizienten neuen Geräts unterstützt werden.
Die Stromsparhelferinnen und -helfer sind ehemals langzeitarbeitslose Menschen. Nach einer Einarbeitungsphase, in der sie intensiv theoretisch und praktisch geschult werden, gehen sie in Zweierteams in Haushalte und führen dort die Beratungen durch. Rund 20 Prozent der Beraterinnen und Berater finden im Anschluss an das Projekt wieder eine Arbeitsstelle. sky
Kontakt Frankfurt unter Telefon 069 / 298 263 56. Oder über das Internet: www.stromspar-check.de
Web-App: steckys-spartipps.de
In der Vorwoche hat Lopez einen Haushalt mit altem Plasma-TV besucht, ein wahrer Stromfresser. Durch den Tausch gegen ein Neugerät könnte der Klient 590 Euro an Stromkosten im Jahr sparen.
Zurück zu Kahles, der hat bereits LEDs in allen Lampen. Der Einfachheit halber hat er nicht einmal Lampen, die nackten Birnen hängen von der Decke. „Licht ist aber nicht die größte Verbrauchsquelle“, erläutert Lopez nüchtern. Und lobt Kahles für die LEDs.
Ein paar Punkte hat der Experte entdeckt, die optimiert werden können. Kahles hat zwei Internetrouter, er hat einen neuen Vertrag abgeschlossen und den alten gekündigt. Das Gerät hängt aber noch am Netz. „Den würde ich ausschalten“, sagt Lopez freundlich. Und in der Küche gibt es einen alten Gefrierschrank, den man womöglich ersetzen könnte. Lopez hängt ein Messgerät dran, das wird ein paar Tage laufen. Wenn der Verbrauch im Vergleich zu einem Neugerät höher als 200 Kilowatt ist (aufs Jahr gerechnet), erhält Kahles 100 Euro vom Bund und bis zu 120 Euro (je nach Anschaffungskosten) vom Energiereferat der Stadt Frankfurt als Zuschuss für ein neues Gerät.
Überhaupt lernt Kahles (und der Besuch von der Presse) in der Küche etwas Neues: Kochen mit Restwärme. Wenn er die Herdplatte abschalte, könne das Essen noch drei Minuten nachgaren, einfach mit der Restwärme der Platte und des Topfs. Also: Früher abschalten. Gleiches gelte für den Backofen. Das spare jetzt nicht so viel, etwa zehn Euro im Jahr. „Aber zuweilen summiert sich das“, sagt Lopez.
Vor Corona hat sein achtköpfiges Team etwa sechs bis acht Haushalte am Tag besucht. Die Pandemie hat das ausgebremst. Nicht, weil weniger Menschen Beratungsbedarf hätten. Aber weil sie schlechter von dem Angebot erfahren. Vor Corona haben Lopez und seine Mitstreiter zum Beispiel Infostände beim Jobcenter aufgestellt, in der Pandemie hat dieses aber den Publikumsverkehr eingestellt. Lopez hofft, dass es bald wieder mehr Werbemöglichkeiten gibt.
Am Ende ist Lopez gut 70 Minuten vor Ort gewesen. Er hat ein Kühlschrankthermometer gestiftet, beim nächsten Besuch bringt er noch ein Hygrometer mit. Das misst die Luftfeuchtigkeit, damit man immer weiß, wann man mal lüften sollte. Bei einem zweiten Besuch hat Lopez noch den Wasserfluss an den Hähnen gemessen, das ging beim ersten Mal nicht, weil Handwerker im Haus waren. „Ich bin zufrieden“, sagt Kahles über die Beratung. Zumal er den Zuschuss für ein neues Kühlgerät in der Küche erhält.
