Wir sehen das sehr kritisch. Es zeigt sich leider, dass diese neuen Hochhäuser Wohnungen ausschließlich im Luxussegment bieten. Dort zu wohnen, können sich nur Menschen mit hohem Einkommen leisten.
Es werden in regelmäßigen Abständen neue Rekorde verkündet bei teurem Wohnraum in Frankfurt. Der Höchstpreis liegt zurzeit bei 18 000 Euro pro Quadratmeter.
Das zeigt die Absurdität dieses ganzen Systems. Da kostet ein Quadratmeter so viel, wie jemand im ganzen Jahr verdient. Solche Luxus-Wohnhochhäuser sind in Frankfurt aber nur die Spitze des Eisberges, eines Wohnungsmarktes nämlich, der völlig aus dem Ruder läuft.
Die Befürworter solch teuren Wohneigentums argumentieren ja mit dem sogenannten „Sickereffekt“. Das soll heißen: Wer eine solche teure Eigentumswohnung kauft, macht zugleich eine billigere Wohnung frei, in die dann andere einziehen können.
Dieser Sickereffekt ist in Wirklichkeit nicht bewiesen. Ich halte ihn für eine fragwürdige Konstruktion. Tatsächlich kaufen sich in die Wohnhochhäuser oft Leute ein, die nur eine Anlagemöglichkeit für ihr Geld suchen. Nicht selten leben sie gar nicht in diesen Wohnungen, sondern lassen diese leerstehen.
Es handelt sich also um Spekulation?
Ganz sicher. In früheren Jahren war es schwer, Investoren für Wohnhochhäuser zu finden. Doch seit der Finanzkrise nach 2008 hat sich das geändert. Das Kapital sucht einen sicheren Hafen und findet ihn in spekulativen Wohnungsbauten. Das Problem in Frankfurt ist, dass die städtische Planungspolitik solche Luxus-Wohntürme sogar noch fördert.
Aber hätte die Stadt denn eine Chance, sie zu verhindern?
Die Stadt könnte über sogenannte städtebauliche Verträge den Investoren Bedingungen auferlegen und könnte den Bau von preiswertem Wohnraum und insbesondere Sozialwohnungen einfordern. Aber die Stadt tut nichts in diese Richtung. Das zeigt sich gerade bei neuen Wohnprojekten im Gallus, im Europaviertel oder in der Innenstadt.
Auf dem Gelände der alten Universität in Bockenheim, dem sogenannten Kulturcampus, hat die städtische Wohnungsgesellschaft ABG privaten Investoren das frühere Areal des AfE-Turms verkauft. Dort entsteht auch ein teurer Wohnturm.
Das ist ein besonderer Skandal. Die Stadt hat über Jahre hinweg ein unglaubliches Brimborium veranstaltet, hat Planungswerkstätten organisiert, bei denen die Menschen viele Wünsche eingebracht haben. Es sollten alternative Wohnprojekte zum Zug kommen, zum Beispiel im Philosophicum. Jetzt zeigt es sich: Diese Versprechen waren das Papier nicht wert, auf dem sie standen.
Wie reagieren die Menschen vor Ort?
Die Leute fühlen sich getäuscht. Viele sind sehr frustriert. Sie haben jedes Vertrauen und jede Hoffnung in die herrschende Politik verloren. Sie fühlen: Die Kommunalpolitik in Frankfurt wird systematisch an den Menschen vorbei betrieben.
Wirkt sich dieses Gefühl an der Basis bei Wahlen aus?
Ich bin überzeugt davon, dass bei der Kommunalwahl 2016 die Grünen in Frankfurt für ihre Wohnungspolitik abgestraft wurden, sie haben ja zehn Prozentpunkte verloren. Grundsätzlich führt der Frust dazu, dass nur noch Menschen der Mittel- und Oberschicht wählen gehen. Ärmere Menschen halten sich von Wahlen fern.
Es gibt seit knapp einem Jahr einen neuen Planungsdezernenten in Frankfurt, den Sozialdemokraten Mike Josef. Was hat sich konkret geändert?
Geändert hat sich die Kommunikation. Anders als sein Vorgänger Olaf Cunitz von den Grünen versucht Josef, auf die Bürgerinitiativen zuzugehen. In der praktischen Planungspolitik gibt es aber keine großen Veränderungen. Die Projekte laufen wie bisher.
Aber es gibt doch einen faktischen Mietenstopp bei der städtischen Wohnungsgesellschaft ABG.
Aber der wird von der ABG maximal profitorientiert umgesetzt. Mit einer einmaligen Erhöhung von fünf Prozent in fünf Jahren.
Lassen Sie uns noch einmal zu den teuren Wohnhochhäusern zurückkehren. Bilden sich durch diese Projekte Inseln in der Stadt, werden am Ende abgeschottete Luxusräume, sogenannte Gated Communities entstehen wie in den USA?
Eine Tendenz dazu gibt es in Frankfurt tatsächlich. Ich sehe hier die wirklichen Parallelgesellschaften. Die soziale Mischung in den Wohnquartieren nimmt immer mehr ab. In nachgefragten Vierteln wie dem Nordend zum Beispiel können sich angestammte, langjährige Mieter kaum noch halten. Das städtische Leben ändert sich, das nachbarschaftliche Zusammenleben droht verlorenzugehen.
Wir hatten jetzt gerade den Fall des Luxus-Wohnturms Onyx im Westend, dessen Investor in Konkurs ging.
Der Fall Onyx zeigt, dass Stadtentwicklung in Frankfurt wirklich ein rein renditeorientiertes Geschäft geworden ist. Ich frage mich, was geschehen wird, wenn diese Blase plötzlich platzt.
Interview: Claus-Jürgen Göpfert