Stadt Frankfurt verliert Streit vor dem Verwaltungsgericht
Uwe Beckers Aussagen zu Veranstaltung im Titania 2019 waren rechtswidrig. BDS-nahe Klägerin jüdischen Glaubens sah sich als antisemitisch diffamiert.
Die Emotionen kochten damals hoch. Rund eine Woche nach dem rechtsextremen Anschlag von Halle sollte es im Oktober 2019 eine Podiumsdiskussion mit Personen geben, die der israelkritischen BDS-Bewegung nahe stehen. In einer Pressemitteilung der Stadt Frankfurt forderte der damalige Bürgermeister Uwe Becker (CDU) die veranstaltenden Organisationen in scharfem Ton auf, die Podiumsdiskussion abzublasen. Zu Unrecht, entschied das Verwaltungsgericht Frankfurt am Donnerstag. Die Äußerungen von Uwe Becker seien rechtswidrig gewesen.
Geklagt hatte die jüdische Aktivistin Judith Bernstein. Sie wurde 1945 in Jerusalem geboren, Teile ihrer Familie wurden in Auschwitz ermordet. Bernstein sollte auf der Veranstaltung unter dem Motto „Meinungsfreiheit statt Zensur“ sprechen. Dabei sollte es um die Frage gehen, ob die Meinungsfreiheit in Deutschland noch gewährleistet sei. Becker bezeichnete Bernstein in einer Pressemitteilung der Stadt vier Tage vor der Veranstaltung als judenfeindlich und antisemitisch. Die Veranstaltung fand letztlich doch statt, was Becker erzürnte. Er forderte, dem Club Voltaire als einem der Co-Ausrichter die öffentlichen Zuschüsse zu streichen.
Als Folge daraus sei seine Mandantin danach nie wieder von einer gemeinnützigen Organisation zu einer Veranstaltung eingeladen worden, so Rechtsanwalt Ahmed Abed. Die Klägerin selbst war krankheitsbedingt nicht erschienen, ließ aber durch ihre Tochter eine Erklärung verlesen. Die Vorwürfe von Uwe Becker seien „geschmacklos“. Ihr Antisemitismus vorzuwerfen, sei „absurd“, sie erwarte eine Entschuldigung der Stadt Frankfurt. Für die Stadt war Rechtsanwalt Felix Damm erschienen, der einräumte, dass die Vorwürfe Beckers „mitunter scharf“, aber unter dem Eindruck des Anschlags von Halle erfolgt seien.
Mit der internationalen Kampagne BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) haben sich in Deutschland schon höchste Instanzen beschäftigt. Der Bundestag verabschiedete 2019 einen Beschluss, wonach der BDS als antisemitisch einzustufen sei. Das Bundesverwaltungsgericht entschied allerdings, Raumverbote in diesem Zusammenhang verletzten das Grundrecht der Meinungsfreiheit.
In der mit großem Publikumsinteresse verfolgten Verhandlung ging es auch darum, ob Bürgermeister Becker als Amtsträger zur Neutralität verpflichtet sei. Dies verneinte die Kammer, da der BDS keine Partei, sondern nur ein loser Zusammenschluss sei. Auch einen Unterlassungsanspruch sah die Kammer nicht, da die Pressemitteilung gar nicht mehr auf einer Internetseite der Stadt zu finden sei. Wohl aber habe die Klägerin einen Rehabilitationsanspruch. Beckers Aufruf zur Absage sei unzulässig gewesen.