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Das Spritzehaus schließt

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Von: George Grodensky

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Christoph Grote muss sein Spritzehaus Ende Dezember für immer schließen.
Christoph Grote muss sein Spritzehaus Ende Dezember für immer schließen. © peter-juelich.com

Der Musikclub Spritzehaus im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen muss Ende des Jahres schließen. Alte Freunde wie die Quietschboys, die Playground Heroes und Pfund spielen nochmal zum Abschied.

So geht Rock’n’Roll: Der Star tritt auf die Bühne, krächzt ein paar heisere Worte und die Menge rastet aus. So ist das am Donnerstag auch Christoph Grote ergangen. Ein paar dürre Worte hat der Sachsenhäuser Wirt im sozialen Netzwerk Facebook gepostet. Seinen Club, das Spritzehaus in der Großen Rittergasse 41, wird er Ende des Jahres schließen. Der Hausbesitzer verlängert den Pachtvertrag nicht mehr. Es ist das Aus nach 41 Jahren.

50 000 Leute haben den Eintrag gesehen, in nur 26 Stunden. So hat die Facebook-Statistik gezählt. Die Leute haben die Nachricht weitererzählt, geteilt. 176 haben kommentiert. Alle sind sie traurig, mancher aufmunternd. Einer will sogar OB Peter Feldmann für eine Rettung des Spritzehauses einspannen.

Christoph Grote winkt ab. Er ist mit seinem Vermieter immer gut ausgekommen, sagt er. Dabei will er es belassen. Ein Buddha spricht da, allerdings einer mit mehr Haaren, lang und ergraut, mit normaler Figur eines 57-Jährigen. Grote trägt Jeans und T-Shirt, den klassischen Rock-Look. Die Welt dreht sich weiter, da ist er sich sicher. Bevor die erste Rockband im Spritzehaus gespielt hat, ist es eine Apfelweinschänke gewesen. Der Fuchsbau. „Als der schließen musste“, sagt Grote, sind bestimmt auch viele Leute traurig gewesen.

Grote arbeitet seit 1983 im Spritzehaus. Zunächst als Aushilfe. 1990 hängt er das Jura-Studium an den Nagel und übernimmt den Club. Eine Goldgrube sei der gewesen. Das Konzept hat sich bewährt, findet er. Freier Eintritt bei guter Musik. Dafür ist das Bier ein bisschen teurer als anderswo. Das funktioniert. „Weil alles sehr menschlich geblieben ist“, sagt Groth. Die Bands spielen gerne bei ihm, man kennt sich. Er hält die Getränkepreise so niedrig wie er kann, die Leute danken ihm und halten die Treue. Manche Gruppen sind dem kleinen Spritzehaus eigentlich entwachsen. „Würden anderswo mehr Geld bekommen.“ Machen sie nicht.

Auftritt auf kleiner Bühne in Sachsenhausen

Die Partyband Quietschboys ist dort 1989 groß geworden, Wiesbadens Hardrocker von Mallet treten seit 1986 Oscar Canton hat dort erste Bühnenerfahrungen gesammelt, Popakademie-Professor Mathias „Maze“ Leber. Joy Flemming war da („die Erna“, sagt Grote verträumt), der berühmte Gitarrenbauer Paul Reed Smith, Vanden Plas, eine legendäre Progressiverock-Band aus Kaiserslautern. Für die ist sogar ein weiblicher Fan aus Osaka Japan angereist. „Sie hat vorher Karten reserviert“, sagt Grote und gluckst. „Ja, ja“, hat er damals gedacht. „Osaka, schon klar.“ Ein paar Tage später stand sie vor ihm und hat sich zur Begrüßung verbeugt. „Wie die Japaner das so machen“, erinnert er sich.

Im Spritzehaus treten sie auf kleiner Bühne auf, direkt vor den Fans, unmittelbar. Die Mitte des Raums nimmt die große Theke ein. Schläuche hängen an der Decke, Helme, Feuermelder und Gerät an der Theke. Portraits von Jimi Hendrix und Freddie Mercury zieren die Wand. Die Tische sind an Stangen angebracht, die von der Decke zum Boden reichen. Ob ein Betrunkener mal die Stange herabgerutscht ist wie ein Feuerwehrmann?

So richtig betrunken werden die Leute im Spritzehaus nicht, sagt Grote dazu. Die Bierpreise, erinnert er. Und ein bisschen klar müsse man schon bleiben, wenn man die Musik genießen möchte. All die Jahre hat er keinen Ärger gehabt. Keine Polizei, keine Randale. Spritzehaus-Besucher lassen ihre Aggressionen beim Headbangen aus, sagt Grote. Beim Gröhlen und Schunkeln.

In der Nachbarschaft ist das eher ein Problem. Die Großwetterlage hat sich geändert, sagt er. Das Viertel wandelt sich. Ratlos schaut Grote auf manche Werbetafel. „Ficken zwei Euro“ ist so eine kryptische Botschaft, die er nicht versteht. Also, er weiß schon, dass sie ein Schnapsgetränk zu unschlagbarem Preis anbietet. Probiert hat er den Shot aber noch nicht. Das Geschäftsmodell dahinter, Flatratesaufen, ist nicht seine Welt.

Das Spritzehaus ist die letzte Musikneipe mit Livemusik im Viertel. Ponyhof und Elfer in der Klappergasse sind Konzertstätten, verlangen Eintritt. Doch früher sind Musikfreunde Gäste von einer Musikbühne zur nächsten geschlendert, zwanglos. Geschichte. Die Werkstatt ist verrammelt, ins Jazz-Live-Podium ist ein Ganzjahresballermann eingezogen. „Das spontane Publikum kommt nicht mehr“, sagt Grote. Gäste steuern seinen Club gezielt an, wenn sie es denn durch die Partymeile auf der Kleinen Rittergasse schaffen.

Grote seufzt. Was er im kommenden Jahr anstellen wird, kann er noch nicht sagen. „Ich habe Abitur.“ Soll heißen: Er wird schon was finden. Vielleicht eröffnet er einen neuen Club, vielleicht studiert er wieder. Jetzt will er erst einmal die kommenden Monate gestalten. Alte Weggefährten treten nochmal auf. Die Playground Heroes (heute), Pfund, die Quietschboys, No Pasaran. „Das letzte Aufgalopp“, sagt Grote.

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