Der Frankfurter Juso-Chef Simon Witsch.
Olaf Scholz, der SPD-Vizekanzler, argumentiert, dass die SPD gerade mit der Grundrente einen großen Erfolg in der Koalition errungen habe und man deswegen nicht die Koalition verlassen dürfe.
Die Grundrente ist sicherlich ein großer Erfolg. Das soll man auch nicht kleinreden. Aber der SPD muss es um die großen politischen Linien gehen, um gesellschaftliche Visionen. Bei der Rente heißt das, dass es gelingen muss, die Rente nicht nur zu stabilisieren, sondern das Rentenniveau deutlich zu erhöhen, um Altersarmut zu verhindern. Dafür sollten alle Bevölkerungsgruppen in die Rentenkasse einzahlen.
Wie beurteilen Sie das Klimapaket der Bundesregierung?
Zur Person Simon Witsch , 27 Jahre alt, ist seit Juni 2017 Sprecher der Frankfurter Jusos. Er schreibt gerade seine Masterarbeit in Politikwissenschaften an der Goethe-Universität.
Das Klimapaket muss absolut nachgebessert werden. Die Klimaziele müssen viel schneller erreicht und außerdem verschärft werden.
Als Jugendorganisation der SPD geraten sie unter starken Druck von Bewegungen wie „Fridays for Future“ und „Extinction Rebellion“.
Nun, tatsächlich verstehen wir uns als Partner dieser Bewegungen im Kampf gegen den Klimawandel und die Politik der Bundesregierung. Einige Jusos sind auch als Aktivisten bei „Fridays for Future“ engagiert. So kandidiert eine dort aktive Schülerin bei unserer Jahreshauptversammlung am 1. Dezember als stellvertretende Juso-Vorsitzende. Gemeinsam wollen wir politischen Druck erzeugen, damit die Interessen der Jugend wirklich umgesetzt werden und es nicht wie bisher bei leeren Versprechungen bleibt. Wir fordern als Jusos eine Verkehrswende in Frankfurt. Die Innenstadt muss endlich autofrei werden. Da zeigen wir klare Kante. Wir fordern, die Preise im öffentlichen Nahverkehr weiter massiv zu senken und das Streckennetz rasch auszubauen.
Aber gerade der Ausbau geht sehr langsam voran.
Das ist richtig. Ich habe in alten Zeitungsartikeln nachgelesen, dass in Frankfurt bereits 1993 über die nordmainische S-Bahn und den Bau der Regionaltangente West diskutiert wurde. Da war ich nicht mal ein Jahr alt. Die Politik macht sich hier total lächerlich. Das Tempo bei der Verkehrswende muss erheblich verschärft werden.
Wie stellen Sie sich das konkret vor?
Wir brauchen als ersten Schritt ein Jahresticket für alle Frankfurterinnen und Frankfurter, das nur 365 Euro im Jahr kostet. Schülerinnen und Schüler, Studierende, Rentner und Sozialhilfeempfänger müssen kostenlos fahren können.
Aber wie wollen Sie das finanzieren?
Wir schlagen eine Unternehmensabgabe vor. Pro Mitarbeiterin und Mitarbeiter sollen Firmen in der Stadt sieben Euro einzahlen zur Finanzierung des Rhein-Main-Verkehrsverbundes. Daneben müssen die Zuschüsse des Landes steigen. Wir wollen diesen Ausbau des RMV verbinden mit einem Ausbau des Car-Sharing. Für beides gemeinsam und für das Ausleihen von Fahrrädern und Scootern muss es eine Flatrate geben. Für die Unternehmensabgabe muss die hessische Landesregierung ein entsprechendes Gesetz als politische Grundlage erlassen. Insgesamt geht es uns darum, das Auto endlich zurückzudrängen und gleichzeitig bessere Alternativen aufzuzeigen. Von der Verkehrswende sollen nämlich alle profitieren. So fordern wir als Anreiz zur Abschaffung des KfZ ein einmalig kostenloses Jahresticket für den ÖPNV pro Autoabmeldung.
Wie soll das öffentliche Verkehrsnetz in der Stadt ausgebaut werden?
Unser wichtigster Punkt ist die Verlängerung der U4 über den Campus Westend bis Ginnheim.
Daneben schlagen wir zum Beispiel vor, die Straßenbahnlinie 11 über Höchst hinaus nach Zeilsheim zu verlängern, über den Bahnhof Höchst und die Jahrhunderthalle. Die Straßenbahnlinie 18 sollte bis nach Bad Vilbel reichen. Wo Schienenstrecken schwer umsetzbar sind, möchten wir den Bau von Seilbahnen prüfen lassen. Da Schienenstrecken eine längere Planungszeit benötigen, sind Buslinien eine kurzfristige Lösung.
Interview: Claus-Jürgen Göpfert