Schuld waren die Kakteen

Hans Fischer sammelt seit 80 Jahren Briefmarken. Eine Ehrung ist am Dienstag vorgesehen.
Eigentlich sind an allem die Kakteen schuld. Weil sein Vater Georg Fischer vor 80 Jahren neben Briefmarken auch die stacheligen Pflanzen sammelte und sich diesen hingebungsvoller widmete als den glatten Postwertzeichen, übernahm Hans Fischer kurzerhand die Alben seines Seniors. Zwölf Jahre alt war er, als er in die „Moenus-Vereinigung Frankfurter Briefmarkensammler“ eintrat. Kommende Woche Dienstag, 24. März, wird er von dem Verein für seine 80-jährige Treue geehrt.
„An Sonntagen wurde immer getauscht“, erinnert sich der 92-Jährige an seine Anfangszeit im Klub. Da der Vater am Wochenende meist seine Pflanzen hegte oder sich mit seinen „Kakteenfreunden“ traf, ging der junge Hans zu den Tauschbörsen in die großen Säle von Hotels und Gaststätten, um die „Lücken zu schließen“, die er in Vaters Briefmarkensammlung entdeckt hatte. „Und das kann man im Verein viel besser“, sagt Fischer. Mehr als 100 Teilnehmer seien da regelmäßig, auch zu Kriegszeiten, zusammengekommen, zum Tauschen und Fachsimpeln.
„Am Anfang hat mich mein Vater noch mitgenommen und die zehn Pfennig Eintritt für mich bezahlt“, berichtet der gebürtige Seckbacher, der wie eh und je in seinem Elternhaus am Ortseingang, nahe der Autobahn lebt. Als Vereinsmitglied kam Fischer dann kostenlos rein: ein weiteres Argument, das für das Hobby sprach. Zudem hatte ein Freund von ihm die Sammlung seines verstorbenen Vaters übernommen. So musste Hans Fischer als Jugendlicher nicht alleine zu den Treffen mit den bedeutend Älteren gehen.
Spezialist für Marken der Nachkriegsjahre
So wurde er im Laufe der Jahre und Jahrzehnte zu einem leidenschaftlichen Philatelisten sowie Spezialisten für Marken der Nachkriegsjahre. Von den „Besatzungsausgaben“ wollte er alle Sätze, die es gab, vollständig haben. Motive interessierten ihn weniger. Dass Fischer von Beruf Jazz-Schlagzeuger war und mit Größen wie Louis Armstrong und Ella Fitzgerald spielte, sei hier nur am Rande erwähnt. Auch, dass Albert Mangelsdorff zunächst die Gitarrensaiten in der „Buddy-Fischer-Band“ zupfte, ehe er das Posaunenspiel erlernte und weltbekannt wurde. Denn Fischers „Sucht“ für die Briefmarken soll hier ja im Vordergrund stehen.
Und eine Sucht sei es allemal, bekräftigt Ehegattin Evangeline. Mit doppelter Vergrößerung, Lupe und einem runden Glas, das er auf die Marken legt, forscht Fischer noch heute nach sogenannten „Plattenfehlern“, die durch die Abnutzung der Druckplatten entstanden sein können und so den Wert steigern. „Weil sie seltener vorkommen“, stellt der Sammler klar.
Auf die Fragen, wie viele Marken er besitzt und welche die wertvollste sei, lacht Fischer auf. Den ganzen Schrank in seinem Arbeitszimmer habe er voll mit Briefmarkenalben. Die eine wertvollste gebe es nicht.
Akribisch hat er jedoch in den Alben Zettelchen angebracht und aufgeschrieben, wie viel einzelne Marken wert sind. Da gibt es auf einer Seite mit den gleichen Motiven einige für 24 Euro und eine, die 1400 Euro kosten soll, weil sie etwa einen „Plattefehler“ hat, wie Fischer in feinstem Hessisch sagt.
„Rundsendedienst“ für Ältere
Früher ist er durch die ganze Republik zu Messen und Tauschbörsen gefahren, wurde oft von Sammlern telefonisch um seine Expertise gebeten, wie Evangeline Fischer erzählt. Heute lässt er sich von seinen Vereinskameraden wöchentlich „30 bis 40 Büchlein“ mit Marken bringen, die er mehrere Tage durchforstet.
Rund ein Viertel der 80 Vereinsmitglieder nutzen diesen „Rundsendedienst“ für Ältere, wie Bodo von Kutzleben berichtet, der Vorsitzende der Moenus-Vereinigung. Zu den Vereinstreffen, die zweimal im Monat im Saalbau Ronneburg stattfinden, schaffe es Fischer aufgrund seines vorangeschrittenen Alters nicht mehr.
„Alle Briefmarkensammler werden alt, weil es so eine Erfüllung ist“, ist von Kutzleben überzeugt. Er kann sich jedoch nicht erinnern, dass es schon einmal ein 80. Vereinsjubiläum gegeben hat. „Das ist schon ganz selten“, sagt der 65-Jährige. Das Hobby sei eben ein gutes „Gedächtnistraining“, da sind sich die beiden Sammler einig.
Während der Jubilar einige seiner Alben durchblättert, weisen manche Seiten noch freie Felder auf. Grund genug, den seltensten Exemplaren unter den Postwertzeichen weiter nachzujagen. Deshalb hat Fischer auch nie ans Aufhören gedacht.