Schutz von Kunst in Hessen: „Oberstes Ziel ist, ein Kunstwerk an seinem Ort zu belassen“

Die Kunsthistorikerin Hanna Dornieden vom Landesdenkmalamt Hessen in Wiesbaden über den Schutz von Kunst am Bau
Frau Dornieden, wenn ich mir Sorgen um ein Stück Kunst am Bau mache, weil das Gebäude abgerissen werden soll, könnte mir das Landesamt für Denkmalpflege Hessen dann helfen?
Wenn das Gebäude, an dem sich das Kunstwerk befindet, ein Kulturdenkmal ist, ist auch das Kunstwerk als Bestandteil des Denkmals geschützt. Für alle Veränderungen an einem Denkmal braucht man eine Genehmigung. Wir versuchen natürlich immer, im Zusammenspiel mit den Eigentümerinnen und Eigentümern Lösungen zu finden. Wenn Gebäude und Kunstwerk kein Denkmal sind, machen wir keine Auflagen. Dann können wir nur Empfehlungen abgeben.
Würden Sie uns die verraten?
Natürlich ist es schön und wichtig, wenn Kunst am Bau auch ohne gesetzlichen Schutz erhalten wird. In diese Werke wurden neben öffentlichem Geld auch viel Zeit, Ideen und Kreativität investiert. Besonders Kunstwerke im Außenbereich wirken in den öffentlichen Raum und prägen ihre Nachbarschaft. Viele Menschen identifizieren sich damit oder nehmen die Kunstwerke als ihre gewohnte Umgebung wahr. Wenn sie verschwinden, fehlt plötzlich etwas.
Nun stehen die meisten Gebäude und die damit verbundenen Wandbilder, Mosaiken oder Reliefs ja nicht unter Schutz, oder?
Wir bekommen in letzter Zeit gehäuft Anfragen zu gefährdeten Kunstwerken. Unsere Aufgabe ist in erster Linie der Schutz von Gebäuden. Wenn wir ihren Denkmalwert prüfen, schauen wir uns daher immer das gesamte Gebäude an. Die Kunst am Bau ist dabei nur ein Aspekt. Nur in sehr seltenen Fällen generiert ein Kunstwerk den Denkmalwert eines Gebäudes oder wird isoliert als Denkmal ausgewiesen.
Nicht nur Komplettabrisse bedrohen die Kunst am Bau. Kann man sie überhaupt schützen, wenn umfangreiche Sanierungen anstehen?
Besonders gefährdet sind große, fest mit der Wand verbundene Kunstwerke wie Mosaike, Putzreliefs oder Wandmalereien. Sie gehen bei der Sanierung und Dämmung von Fassaden leider viel zu oft verloren. Möglichkeiten zur Erhaltung müssen im Einzelfall geprüft werden. Aber es gibt erste gute Beispiele, bei denen Kunstwerke abgenommen und nach der Sanierung wieder an der Fassade installiert wurden. Auch die Restaurierung von Fassadenkunst wird derzeit vielerorts erprobt.
Könnte man Ihnen Kunst am Bau überlassen, und Sie kümmern sich um das Geschenkte?
Nein, wir übernehmen keine Kunstwerke. Wenn ein Kunstwerk wirklich nicht an einem ursprünglichen Standort erhalten werden kann, können wir nur versuchen zu vermitteln, um einen anderen geeigneten Platz dafür zu finden. Das oberste Ziel ist aber, ein Kunstwerk an seinem Ort zu belassen.
Warum?
Bei Kunst am Bau handelt es sich nicht um ein isoliertes Werk, vielmehr thematisiert die Kunst die Funktion des Gebäudes. Es ist hochspannend, wie sich Künstlerinnen und Künstler mit dem Thema und dem Ort auseinandersetzen, ob Finanzamt, Schule oder Fabrikgebäude. Wenn man das Kunstwerk entfernt, ist es aus seinem Zusammenhang gerissen. Das höchst wirkungsvolle Zusammenspiel von Kunst und Bau ginge verloren.
Warum sieht man so viel Kunst am Bau aus den 1950er und 1960er Jahren – war das eine Mode der Zeit?
Nein, Kunst am Bau gab es schon vorher, es gibt sie bis heute. Bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wollte man Künstler staatlicherseits fördern. Auch in der NS-Zeit gab es ein staatliches Kunstförderprogramm. 1950 hat man in der Bundesrepublik eine gesetzliche Regelung beschlossen, nach der bei öffentlichen Bauten ein gewisser Prozentsatz der Bausumme für Kunst ausgegeben werden sollte.
Zur Person
Hanna Dornieden, promovierte Kunsthistorikerin mit Schwerpunkt Architektur, arbeitet beim hessischen Landesamt für Denkmalpflege in Wiesbaden zuständig für Kunst am Bau.
Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung hat ein virtuelles „Museum der 1000 Orte“ aufgebaut, das Kunst am Bau im Auftrag des Bundes seit 1950 zeigen soll, www.museum-der-1000-orte.de. Viele dieser Kunstwerke sind sonst nicht allgemein zugänglich, etwa in Kasernen, Ministerien oder Behörden. aph/Bild Landesdenkmalamt
Wird denn überhaupt noch Kunst am Bau gemacht?
Bei Bundes- und Landesbauten gibt es Kunst am Bau bis heute, etwa an Universitäten oder an Kliniken. Teilweise geht es bei den Aufträgen um große Summen, je nach Umfang der Bauarbeiten. Heute gibt es neben Wandbildern oder Skulpturen auch raumgreifende Installationen oder digitale Kunstwerke und Videos. Uns ist vielleicht nicht mehr so bewusst, dass diese Objekte in einer langen Tradition von Kunst am Bau stehen.
Das sind aber fast nur öffentliche Bauten, oder?
Es gibt auch im privaten Bereich viel baubezogene Kunst – viele Städte riefen private Bauherren zu Kunst am Bau auf, zum Beispiel Darmstadt. Allerdings ist das Programm Kunst am Bau öffentlichen Gebäuden vorbehalten – private Bauherren können ihr Gebäude selbstverständlich auch durch baubezogene Kunst aufwerten.
Haben Sie einen Überblick, um wie viele Kunstwerke es geht?
Das größte Problem ist, dass wir noch viel zu wenig über die Kunst am Bau wissen. Für Bundesbauten und auch für einige Städte wurde bereits mit einer Erfassung begonnen, aber eine hessenweite Erfassung von Kunst am Bau gibt es bisher nicht.
Wie kann man da vorgehen?
In der letzten Zeit sind einige Werkverzeichnisse zu Künstlerinnen und Künstlern entstanden, die viel Kunst am Bau in Hessen geschaffen haben, etwa zu Bernd Krimmel. Für einen Überblick und Vergleich sind diese Werkverzeichnisse enorm wichtig.
Ist die Fülle im Land denn so groß?
Ein Problem ist schon bei der Erfassung, dass es keine zentrale Stelle gibt, die für Kunst am Bau zuständig ist und das vorhandene Wissen sammelt. Hinzu kommt, dass in den letzten 70 Jahren eine enorme Masse an Bauten entstanden ist. Deren Bewertung ist schon unabhängig von der Kunst am Bau für die Denkmalpflege eine große Herausforderung.
Wie kann man Kunst am Bau vor Zerstörung schützen?
Uns ist es wichtig, das Bewusstsein für die Kunst am Bau zu schärfen. Wenn die Menschen wissen, von wem ein Kunstwerk stammt, trägt das schon zu dessen Schutz bei. Es tut sich schon was. Öffentliches Bewusstsein schafft öffentliches Interesse. Das merken wir, wenn etwas verschwinden soll. Dann fragen die Leute nach.
Interview: Andreas Hartmann